Burlesque-Festival in München:Wie eine Diva

Federn, Pailletten, Korsagen und viel nackte Haut: Beim internationalen Burlesque-Festival in München tanzen dicke und dünne Frauen, alte und junge. Und Männer. Sie alle tragen wenig Kleidung, doch mit Striptease hat der Tanz wenig zu tun.

Von Elisa Britzelmeier

Am Körper eine Bauarbeiter-Latzhose, der Blick verführerisch. Coco Chantal hat die Ärmel ihres Karohemdes hochgekrempelt. Auf einem Tisch vor ihr steht ein Werkzeugkasten. Nach und nach räumt sie ihn aus, nimmt einen Schluck aus einer Flasche Bier. Und dann tanzt sie lasziv mit einem Akkuschrauber in der Hand zur Musik. Sie fängt an, sich auszuziehen.

Coco Chantal ist eine von vielen Performerinnen, die beim "Munich Burlesque Festival" auftreten, das zum zweiten Mal stattfindet. Bei der Eröffnung im Münchner Theater "Drehleier" am Rosenheimer Platz zeigen die Schülerinnen von Festival-Organisatorin Dixie Dynamite am Donnerstag in einer Bühnenshow die Vielfalt der Burlesque: Hier geht es nicht in erster Linie um Nacktheit. Das "tease" im Wort "Striptease" steht im Vordergrund. Also nicht das Strippen, sondern das Reizen.

Burlesque war fester Bestandteil des amerikanischen Unterhaltungstheaters in den zwanziger und dreißiger Jahren. In den Neunzigern wurde der Tanz wiederbelebt. Als "New Burlesque" verbindet er das Erotische mit dem Humorvollen. Eine der bekanntesten Vertreterinnen ist Dita von Teese; Christina Aguilera spielte in einem Kinofilm mit dem Titel "Burlesque" mit.

"Ein wenig erotischer als andere Theaterformen"

Mit Dita von Teese hat die Veranstaltung in München aber so viel zu tun wie mit Striptease. "Dita von Teese repräsentiert nur einen Aspekt", so Veranstalterin Dixie Dynamite, die die im wirklichen Leben Silvia Plankl heißt und in ihrer Tanzschule auch andere alte Tanzformen wie Stepptanz oder Charleston lehrt. Burlesque sei in erster Linie eine Theaterkunst, "ein wenig erotischer als andere". Ecco Meineke, der als Conférencier durch den Abend führt, sagt: "Das Festival bietet die Prise Verrücktheit, die München braucht."

So sieht der Zuschauer in der Münchner Drehleier viel Glitzer und bunte Federn auf der Bühne, Kostüme im Vintage-Look und auch nackte Haut. Aber eben in einer Kleinkunst-Aufführung, die eher amüsieren und unterhalten statt sexuell animieren will. Wenn die Hüllen fallen, dann nur bis zu einer gewissen Grenze, nackte Brüste bleiben immer mit sogenannten "Pasties" auf den Brustwarzen bedeckt.

Das Publikum unterscheidet sich deutlich von dem, was man in einem Stripclub erwarten würde. Etwa gleich viele Frauen wie Männer sind da, meist in Gruppen und im üblichen Alter von Kabarettbesuchern.

"Das macht hier keiner für die Männer"

Die Tänzerinnen präsentieren sich solo oder in Gruppen. Sie tanzen, singen und schauspielern. Am Eröffnungsabend des Festivals stehen nicht die Profis, sondern die "Rising Starlets" auf der Bühne. Und das sind Frauen von nebenan: zwischen Mitte zwanzig und Anfang sechzig Jahre alt, dick und dünn, groß und klein.

Bei der Show wird viel gelacht, die erzählten Geschichten sind lasziv bis komisch. Kitty Kokett inszeniert sich selbst als Anziehpuppe und tauscht den "Bestseller", den sie mit auf die Bühne bringt, gegen eine Schürze aus. Bettie Berlin verkörpert den Vamp. Auf der Bühne stehen außerdem ein kindliches Rotkäppchen, ein Travestie-Blumenmädchen und zwei Stewardessen. Publikumsliebling ist Margo Chapeau, mit Anfang sechzig die älteste Darstellerin und in ihrer Performance "eine Sekretärin mit einem sehr speziellen Verhältnis zum Chef".

Warum die Tänzerinnen das machen? Aus Spaß, sagen sie, wenn sie gefragt werden. Alle können sich wie eine Diva fühlen, sagt Margie May und fragt: "Wo hat man in höherem Alter noch solche Möglichkeiten?".

Margie May steht zum zweiten Mal in ihrem Leben auf der Bühne. Sie ist 54 Jahre alt, kommt vom Land, spricht bairisch und arbeitet im normalen Leben als Postbotin. Sie kam über den Stepptanz zur Burlesque. Ihr gefällt, dass "jede für ihre eigene Nummer verantwortlich ist". Am Donnerstagabend singt sie ein Lied, mit dem Marlene Dietrich 1930 im "Blauen Engel" berühmt wurde: "Kinder, heut Abend, da such' ich mir was aus". Dabei zieht sie sich nicht aus - sondern an.

Ihr Mann sitzt bei ihren Auftritten immer im Publikum. Er singt auch und würde selbst eigentlich gerne auf der Bühne stehen, hat aber weniger Mut als seine Frau. Ob er ein Problem damit hätte, wenn seine Frau sich öffentlich ganz ausziehen würde? Nein, sagt er. "Aber ich kenn' meine Margit, das macht sie nicht." Margie May weiß sich auch mit weniger nackter Haut sexy zu präsentieren. Sie ist stolz auf sich. "Durch die Burlesque-Kurse hab ich schon Sachen gemacht, die ich mir sonst nie zugetraut hätte", sagt sie und strahlt.

Was ist männlich, was ist weiblich?

Der Gedanke, auch weniger erfahrenen Darstellerinnen einen Raum zu geben, funktioniert. Zwar bemerkt man teilweise das unterschiedliche Können, doch insgesamt ergibt sich ein abwechslungsreiches Programm. Oft wird mit Selbstironie gespielt. Man fühlt sich an die Ursprünge des Varietés erinnert.

Der Abend scheint unter dem unterschwelligen Motto zu stehen: Was ist männlich, was ist weiblich? Da wird von der Suche nach einem Mann, einem "richtigen Mann", gesungen. Ob die Damen sich damit wirklich "aus gesellschaftlichen Normen befreien", wie Veranstalterin Silvia Plankl meint, ist fragwürdig. Ständig wird mit Klischees gespielt - jedoch oft nicht, um sie aufzubrechen, sondern um sie letztlich zu bestätigen. Bauarbeiterin Coco Chantal schraubt tatsächlich etwas auf der Bühne zusammen: Nämlich einen Spiegel. Mit Herzchen-Türen.

Alle Darstellerinnen sind sich einig: Der Rahmen muss stimmen. "Wir würden nicht im Bierzelt auftreten", sagt Evita Pardon. Dazu gehört auch das gemeinsame Gläschen Sekt in der Garderobe zur Auflockerung vor dem Auftritt. Und: "Das macht hier keiner für die Männer", betont die Tanzlehrerin.

Männer sieht man dann tatsächlich auch auf der Bühne. Außer Moderator Ecco Meineke treten in einer "Boylesque"-Nummer "Die drei von der Tankstelle" auf. Sie tragen die klingenden Namen Jim Beam, Jack Daniels und Johnny Walker und zeigen eine Darbietung, die irgendwo zwischen den Chippendales und den Backstreet Boys liegt. Die Damen im Publikum klatschen begeistert. Sie wünschen sich für das nächste Mal mehr davon.

Das Munich Burlesque Festival findet noch bis Sonntag in der "Drehleier", Rosenheimer Straße 123, statt. Am Freitagabend treten beim internationalen Burlesque-Contest 18 Profi-Tänzerinnen aus neun Ländern auf, am Samstag folgt eine Vierziger-Jahre-Show. Dixie Dynamite bietet am Sonntag Burlesque-Workshops an.

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