Bundesweite Razzia:Im Hades der illegalen Sportwetten

Die Polizei durchsucht mehr als 150 Objekte, beschlagnahmt Waffen und nimmt die Münchner Drahtzieher fest.

Von Jürgen Bätz

Noch lange bevor die Sonne aufging, machten sich gestern Ermittler der Polizei im ganzen Bundesgebiet bereit, um eine kriminelle Bande hochgehen zu lassen: Allein in München waren 280 Beamte im Einsatz. Um sechs Uhr morgens schlugen sie zu und durchsuchten rund 45 Privatwohnungen und Gaststätten in der Landeshauptstadt.

Dazu der ermittelnde Kriminaldirektor Bernhard Parma: "Hier in München war das Zentrum der kriminellen Bande."

Unter der Führung des Griechen Panagiotis P., der schon seit langem in München lebt, ist die kriminelle Vereinigung gewachsen: Im Jahr 2003 hat sie vermutlich zweistellige Millionen-Umsätze mit illegalen Fußballwetten gemacht. In eigenen Büros und mit dem "Betomat", einem Spielautomaten, der insgesamt 500 Mal bundesweit in Klubs und Bars aufgestellt wurde.

"Wunderkisten"

Die kleinen "Wunderkisten" hatten sich bei der Kundschaft der regulären Sportwettbüros schnell herumgesprochen, denn es winkten Gewinne von bis zu 50000 Euro in bar. Über einen Touch-Screen konnten Eingeweihte in dem harmlos wirkenden Spielautomaten auf eine andere Bedienungsebene wechseln und Fußballwetten abgeben. Panagiotis P. und seine Kumpanen hatten dazu aber keine Genehmigung, die wegen des staatlichen Glücksspielmonopols in Deutschland nötig ist.

Deswegen, erklärt Staatsanwältin Christina Rosenke, wird gegen sie "wegen banden- und gewerbsmäßigem illegalen Glücksspiel, wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und wegen Steuerhinterziehung" ermittelt.

Der einschlägig vorbestrafte Panagiotis P. hat das Geschäftsmodell mit vier Kumpanen erfolgreich betrieben: Weil sie keine Genehmigung besaßen, zahlten sie keine 20 Prozent Gewinnspielsteuer, keine Mehrwert- und auch keine Einkommensteuer. Damit hatten sie deutlich geringere Kosten als die staatliche Konkurrenz mit den "Oddset"-Wettbüros. Dieser Vorteil ermöglichte es den Münchnern zum einen, die Gastwirte, die einen der Spielecomputer aufstellten, mit bis zu einem Fünftel des Maschinenumsatzes an dem Geschäft zu beteiligen.

Zum anderen war das Abdriften in die Illegalität auch für die Spielenden - nach Polizei-Auskunft mehrheitlich Ausländer - eine lohnende Sache, denn die maximal möglichen Gewinne lagen über den Quoten der legalen Konkurrenz; ausgezahlt wurde direkt von den Gastwirten.

Auswertung nötig

In wie weit jetzt auch gegen diese vorgegangen wird, war gestern noch unklar: "Die Durchsuchungen sind gestern den ganzen Tag gelaufen. Jetzt müssen wir erst einmal auswerten und Betroffene vernehmen", erklärte Rosenke für die Staatsanwaltschaft MünchenI.

Die Priorität habe, sagte sie weiter, zuerst auf den Hintermännern der Vereinigung gelegen: eine griechische Fünfer-Bande. Der 40-Jährige Panagiotis P. hatte einen eigenen Leibwächter, einen EDV-Spezialisten und einen Geldeintreiber. Der letzte Mann des Quintetts ist noch flüchtig.

Überhaupt war gestern noch nicht abzusehen, wie viele Verhaftungen noch im Zusammenhang mit der Operation folgen würden, schließlich war die Organisation in fast allen westlichen Bundesländern und in Berlin aktiv; damit hatten die Griechen auch in allen größeren Städten wie Frankfurt, Stuttgart, Karlsruhe oder Würzburg eigene Statthalter, die dort die Wettgeschäfte führten.

Im ganzen Bundesgebiet wurden daher gestern mehr als 150 Wohnungen, Büroräume und Gasthäuser durchsucht. Die heißesten Funde machte indes die Münchner Polizei beim Führungszirkel der Bande: insgesamt rund 1,6 Millionen Euro Bargeld wurden gefunden. Dazu kam bei Panagiotis P., dem Kopf der Bande, noch ein Revolver Kaliber 38, inklusive zehn Schuss scharfer Munition.

Höchste Zeit

"Die haben zuletzt fast einen neuen Automaten pro Woche aufgestellt, da wurde es höchste Zeit für uns einzuschreiten", erklärt der Kripo-Beamte Parma.

Den Ermittlern war seit einiger Zeit aufgefallen, dass immer wieder "Phänomene" im Zusammenhang mit Sportwetten auftauchten: Ein mysteriöser Mordfall, Raubüberfälle und ein Aussteigewilliger, der bedroht wurde - daraufhin gründeten die Münchner Ermittler, die bundesweit federführend waren, eine Sondergruppe unter der Leitung von Parma: "Hades", passenderweise der Begriff für die "Unterwelt" in der Mythologie - der griechischen natürlich.

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