Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl:Das Aus für eine Kämpferin

Margarete Bause hat viele Jahre die grüne Politik geprägt. Die Enttäuschung über ihre Niederlage im Wahlkreis ist nun groß - auch bei Parteifreunden.

Von Anna Hoben

Die Enttäuschung muss tief sitzen. Reden möchte Margarete Bause nicht am Montag nach ihrer Niederlage bei der Aufstellung der grünen Direktkandidaten für den Bundestag. Lediglich ein paar schriftliche Zitate schickt ihr Mitarbeiter im Berliner Abgeordnetenbüro. Zunächst: "Ich hätte meine Menschenrechtsarbeit, für die ich von vielen Seiten große Anerkennung bekommen habe, gerne im nächsten Bundestag fortgesetzt." Dann: Das Wahlergebnis bei der Aufstellungsversammlung in München-Ost sei "denkbar knapp und für mich enttäuschend". Selbstverständlich akzeptiere sie es, "so ist Demokratie". Sie gratuliere Vaniessa Rashid zur Nominierung als Direktkandidatin und wünsche ihr viel Erfolg. Und schließlich: "Ich werde meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete selbstverständlich bis zum Ende der Legislaturperiode mit vollem Einsatz fortsetzen."

Welche Pläne sie für die Zeit danach hat, ist offen. Ihr Einsatz für die Menschenrechte werde weitergehen, hatte sie tags zuvor auf Twitter angekündigt, "wie und wo auch immer". Eine einzige Stimme hatte am Sonntag über das vorläufige Aus ihrer politischen Karriere entschieden: Margarete Bause, 62, eine der prägenden Figuren der bayerischen Grünen, unterlag im Rennen um eine erneute Bundestagskandidatur im Münchner Osten der 29 Jahre alten Vaniessa Rashid. Diese erreichte im zweiten Wahlgang 48 Stimmen, Bause kam auf 47, bei einer Enthaltung. Damit werden für die Grünen in München im September drei Frauen als Direktkandidatinnen antreten, von denen zwei noch keine 30 Jahre alt sind. Die Kandidatin im Münchner Süden und stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen, Jamila Schäfer, ist 27.

Genau so alt war Margarete Bause, als sie für den Stimmkreis Schwabing zum ersten Mal in den Bayerischen Landtag einzog. Sie studierte damals Soziologie und war kurz zuvor bei den Grünen eingetreten, für deren Landesverband sie schon zwei Jahre als Frauenreferentin tätig gewesen war. In Niederbayern aufgewachsen, war sie zum Studium nach München gezogen. Frauenrechte waren von Anfang an ihr Thema - und damit Menschenrechte, so sah sie es. Sie habe nicht damit gerechnet, auf welche "Aggression" sie im Landtag bei der Frauenpolitik stoßen würde, resümierte Bause ein paar Jahre später. Um ihr Studium zu beenden und Zeit für ihren neugeborenen Sohn zu haben, kandidierte sie 1990 nicht erneut für den Landtag.

Von 1991 bis 1993 und dann wieder von 1998 bis 2003 führte sie den Landesverband der bayerischen Grünen. 2003 wurde sie wieder in den Landtag gewählt, dem sie bis 2017 als Fraktionsvorsitzende angehörte; von 2013 an in einer Doppelspitze mit Ludwig Hartmann. Bei der Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl 2017 stimmten die Delegierten zweimal gegen sie; erst auf dem letzten aussichtsreichen Platz gaben sie ihr ihre Stimmen. Bause konnte der eigenen Partei damals wohl einfach nicht gut erklären, warum sie ihre Zukunft nach drei Jahrzehnten Landespolitik in Berlin sah. Das aber wollen die Grünen von einem Quereinsteiger genauso wissen wie von einer Etablierten. Nur weil jemand schon lange mitmischt, ist er oder sie noch lange nicht gesetzt. Das musste Margarete Bause auch jetzt wieder erleben.

Damals, 2017, schaffte sie den Einzug in den Bundestag; mit ihrem politischen Geschick und ihrer Erfahrung machte sie sich dort als Expertin für Menschenrechtsthemen einen Namen. Für die Fraktion der Grünen fungierte sie als Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Seit Langem setzt sie sich etwa für die Rechte der Uiguren ein. Die muslimische Minderheit wird in China verfolgt, Menschenrechtsvertreter beklagen brutale Unterdrückung und Folter. 2019 wollte die chinesische Führung in Peking Bause die Einreise mit einer Delegation von Bundestagsabgeordneten verbieten - die geplante Reise wurde daraufhin abgesagt.

Margarete Bause sei "für viele Grüne ein Vorbild, auch für mich", teilte Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden am Montag schriftlich mit. Sie habe sich zeit ihres politischen Lebens für Minderheiten und Unterdrückte eingesetzt und sei "die lauteste Stimme des Bundestags", wenn es darum gehe, weltweit für Menschenrechte einzutreten. "Margarete Bause steht wie nur wenige andere für Integrität und Anstand", so Habenschaden. "Ich hoffe sehr, dass sie ihr politisches Engagement fortsetzen wird." Bause habe in ihrer Anfangszeit inhaltliche Kämpfe führen müssen, "die viele heute gar nicht mehr einordnen können", sagte der bayerische Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Damit habe sie den Weg bereitet für viele junge Frauen in der Politik. Der Wechsel von der Fraktionschefin zur Bundestagsabgeordneten sei sicher nicht einfach gewesen. Bause habe ihre Rolle dort aber sehr gut gefunden. Ihre Niederlage am Sonntag habe ihn überrascht, es sei "wahnsinnig schade", dass ihre Menschenrechtsarbeit im Bundestag damit bald abreiße. Er wünsche ihr, dass sie ein Projekt finde, für das sie sich "mit ihrem Wissen und ihrer Leidenschaft" einsetzen könne, sagte Hartmann. Bause sei eine Kämpferin. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich zurücklehnt und nur noch Bücher liest."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5236066
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.03.2021/van/sbeh
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.