Krimi im Süden:So haben die Münchner in den vier Wahlkreisen gewählt

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Strahlender Sieger: Wolfgang Stefinger (Mitte) hat das beste Erststimmenergebnis der Münchner CSU-Kandidaten errungen. (Foto: Lorenz Mehrlich)

Die CSU setzt sich bei der Bundestagswahl in der ganzen Stadt durch. Auch Jamila Schäfer von den Grünen muss sich diesmal im Süden geschlagen geben. Ob aber alle Wahlkreissieger auch nach Berlin fahren dürfen, bleibt am Wahlabend eine Zitterpartie.

Von Kathrin Aldenhoff, Ekaterina Kel, Sebastian Krass und Joachim Mölter

Wahlkreis München-Süd

Als gegen acht Uhr am Abend die ersten Ergebnisse aus der Stadt auf der Homepage des Wahlamts erscheinen, ist der Wahlkreis München-Süd grün eingefärbt. Jamila Schäfer liegt gegen Claudia Küng (CSU) knapp vorn, doch bald wendet sich das Blatt. Die erst spät von ihrer Partei nominierte und bis dato wenig bekannte Küng geht in Führung und baut ihren Vorsprung aus.

Am Ende erobert sie mit 30,4 Prozent der Erststimmen den Wahlkreis für die CSU zurück, in dem Schäfer 2021 das erste grüne Direktmandat in Bayern überhaupt gewonnen hatte. Sie bringt es diesmal auf 29,8 Prozent. Nach dem neuen Wahlrecht wird Claudia Küng jedoch trotz ihres Sieges wegen des nicht ausreichenden Gesamtresultats der CSU gestrichen.

Schäfer wird auf jeden Fall wieder in den Bundestag einziehen, da die bayerischen Grünen sie auf Platz eins der Landesliste gesetzt haben. Ob Claudia Küng es nach Berlin schafft, ist wegen des neuen Wahlrechts, bei dem ein gewonnener Wahlkreis nicht mehr automatisch zu einem Bundestagsmandat führt, offen. „Ein echter Krimi. Ich freue mich sehr“, sagt Küng. „Über 30 Prozent ist ein tolles Ergebnis. Jetzt brauche ich noch ein Quäntchen Glück“, sagt Küng. Denn das neue Wahlrecht bedingt, dass nun „ein zweiter Nachtkrimi“ folgt, nämlich die Frage, ob die CSU all ihre Sieger auch nach Berlin schicken darf. „Es wäre so schön, der Münchner Süden wäre dann mit drei Abgeordneten bestens vertreten.“

Den dritten Platz belegt mit 14,6 Prozent Sebastian Roloff (SPD) eine Chance, den Wahlkreis zu gewinnen, hatte er ohnehin nicht wirklich. Aber Roloff ist über die Landesliste abgesichert und wird wieder in den Bundestag einziehen als einziger Münchner Sozialdemokrat, wie es am Abend aussieht. Was bedeutet die neue Rolle für Roloff? „Mehr Arbeit“, sagt er. In der vergangenen Legislaturperiode habe er drei Wahlkreise betreut, „jetzt werden es vermutlich fünf oder sechs“.

  • Claudia Küng (CSU), 30,4 Prozent
  • Jamila Schäfer (Grüne), 29,8 Prozent
  • Sebastian Roloff (SPD), 14,6 Prozent

Wahlkreis München-Mitte/West

Mit weißem Kittel und Stethoskop, so warb der CSU-Politiker Stephan Pilsinger für die Erststimmen der Münchnerinnen und Münchner im Wahlkreis Mitte/West, der von Allach-Untermenzing bis zur Isarvorstadt reicht. Offenbar erfolgreich: Pilsinger, der nicht nur Politik macht, sondern kürzlich auch seinen Facharzt in Allgemeinmedizin errungen hat, hat 34,7 Prozent der Stimmen als Direktkandidat erzielt. Damit kann er seinen ersten Platz im Wahlkreis für die CSU verteidigen.

Der zweitplatzierte Direktkandidat im Wahlkreis ist der Grüne Dieter Janecek mit 28,9 Prozent. Auf die Grünen-Landesliste ist er dieses Mal nicht mehr gekommen, also musste er komplett auf die Erststimmen hoffen. Nun müsse er angesichts des Ergebnisses Abschied nehmen von seinem Bundestagsmandat, sagt er am Telefon. In seinem Wahlkreis habe es keinen Direktkandidaten von der AfD gegeben. Das habe dazu geführt, dass konservative und rechte Wähler zur CSU gegangen seien. Und so habe sein Kontrahent eben gewinnen können, meint Janecek. Sein Trost: Gegen den bundesweiten Stimmenverlust haben die Grünen in seinem Wahlkreis bei den Erststimmen sogar um zwei Prozentpunkte zugelegt.

Will es wieder versuchen: Seija Knorr-Köning ist mit ihrem Abschneiden nicht zufrieden. (Foto: Stephan Rumpf)

Seija Knorr-Köning (SPD) hat es auf 15,9 Prozent der Erststimmen gebracht  vier Prozentpunkte weniger, als sie 2021 geschafft hat. Wie es ihr mit dem Ergebnis geht? „Scheiße“, sagt sie. Knorr-Köning steht mit einem Bier in der Hand draußen vor dem Oberangertheater, dem Ort der SPD-Wahlparty. Aber ihr Ergebnis sei „solide“ im Vergleich mit den anderen SPD-Werten in München. Und für die 31-Jährige steht fest, dass sie es bei der nächsten Bundestagswahl wieder versuchen will.

  • Stephan Pilsinger (CSU), 34,7 Prozent
  • Dieter Janecek (Grüne), 28,9 Prozent
  • Seija Knorr-Köning (SPD), 15,9 Prozent

Wahlkreis München-Ost

Wolfgang Stefinger muss erst einmal in einen Nebenraum gehen, um am Telefon über seinen Wahlsieg zu sprechen so ausgelassen ist die Stimmung bei der Wahlparty in der Nachtkantine im Werksviertel, so laut ist es um ihn herum. Er hat den Wahlkreis im Münchner Osten klar gewonnen, 36,3 Prozent der Erststimmen hat der CSU-Kandidat erhalten noch einmal mehr als bei der vergangenen Bundestagswahl. „Ein Wahnsinnsergebnis“, wie er selbst sagt, das beste in München für die CSU. Und besser als der Zweitstimmenanteil der CSU im Wahlkreis Ost, der liegt bei 31,1 Prozent.

Woran das liegt? „Es zahlt sich aus, nicht nur während des Wahlkampfes, sondern auch sonst im Wahlkreis unterwegs zu sein“, sagt Stefinger. In den vergangenen Jahren habe er rund 5000 Bürgeranliegen bearbeitet, er kümmere sich um die Menschen in seinem Wahlkreis, um ihre Themen, und er vertrete sie in Berlin.

Stefinger setzte sich damit gegenüber dem Kandidaten der Grünen, André Hermann, durch. Auch Hermann steigerte das Wahlergebnis gegenüber der Bundestagswahl 2021, er bekam 24,2 Prozent der Erststimmen;  Vaniessa Rashid hatte 2021 im Münchner Osten 21,9 Prozent bekommen. Hermann sieht das durchaus als Erfolg er habe Stimmen hinzugewonnen, „und das bei all dem Gegenwind für die Grünen“.

Die Kandidaten der SPD, David Rausch (15,5 Prozent), und der FDP, Mahmut Türker (4,0 Prozent), verloren hingegen Erststimmen. Rausch sagt, natürlich habe er sich ein besseres Ergebnis erhofft im Gesamtkontext betrachtet sei das aber ein anständiges Ergebnis. Mahmut Türker zeigte sich enttäuscht auch mit Blick auf Berlin. „Das sieht nach sehr viel Arbeit aus“, sagte er. Die Wahlparty der CSU im Münchner Osten werde noch eine ganze Weile gehen, versicherte Stefinger bereits um 20.30 Uhr – Open End. „Und ich bin auf jeden Fall der letzte, der heute nach Hause geht.“

  • Wolfgang Stefinger (CSU), 36,3 Prozent
  • André Herrmann (Grüne), 24,2 Prozent
  • David Rausch (SPD), 15,5 Prozent

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Wahlkreis München-Nord

So richtig genießen kann Hans Theiss seinen Erfolg im Münchner Norden nicht am Sonntagabend: 32,4 Prozent der Stimmen hat der Kardiologe bekommen, fast sieben Prozent mehr als sein Parteifreund Bernhard Loos 2021. „Ich freue mich über das sehr gute Ergebnis im Wahlkreis“, zieht Theiss eine Zwischenbilanz. Für ein endgültiges Resümee ist es am späten Abend indes noch zu früh: Ob dieses Ergebnis für seine Beförderung nach Berlin reicht, hängt zu diesem Zeitpunkt noch davon ab, ob das BSW die Fünf-Prozent-Hürde überwindet, die vor dem Einzug in den Bundestag steht. „Das ist die Perversion des neuen Wahlrechts“, schimpft Theiss: Unter Umständen dürfen ja manche Bewerber ihr Direktmandat nicht antreten – wenn ihre Partei mehr Mandate gewonnen hat, als ihr Sitze nach dem Zweitstimmenanteil zustehen. „Das fühlt sich demokratisch nicht richtig an“, hadert Theiss mit seiner Hängepartie. Er könnte einer der Leidtragenden sein.

Gefreut hat sich dagegen seine unterlegene Konkurrentin Philippa Sigl-Glöckner, obwohl sie historisch gesehen eines der schwächsten Ergebnisse der Sozialdemokraten im München Norden eingefahren hat. Mit knapp unter 20 Prozent (genau sind es 19,8) ist sie jedoch die mit Abstand beste aller SPD-Direktkandidaten und liegt zudem deutlich über dem Bundesergebnis ihrer Partei. „Das hat mich schon stolz gemacht, was wir als Team geleistet haben“, lobt sie ihre Helfer, mit denen sie abseits der großen SPD-Wahlparty feiert. Die 34-Jährige hat konsequent auf ein Thema gesetzt – Finanzpolitik. Dass sie darauf so viele positive Reaktionen bekommen hat, bestärkt sie. Am Sonntagabend gibt sie das Motto vor: „Ausschlafen, aufräumen, weiter geht’s!“

Zwischen Theiss und Sigl-Glöckner hat sich noch der Grüne Frederik Ostermeier geschoben. Auch er kann mit seinem Erststimmen-Ergebnis zufrieden sein: Wie seine Parteifreundin Doris Wagner vor dreieinhalb Jahren erreicht er ebenfalls 24,2 Prozent, allerdings mit heute deutlich mehr Gegenwind für die Grünen.

  • Hans Theiss (CSU), 32,4 Prozent
  • Frederik Ostermeier (Grüne), 24,2 Prozent
  • Philippa Sigl-Glöckner (SPD), 19,8 Prozent
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