Bundestags-Wahlkreis München-Süd:Die Senkrechtstarterin, die es zu schlagen gilt

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Jamila Schäfer will für die Grünen ihren Erfolg bei den letzten Wahlen wiederholen. (Foto: Stephan Rumpf)

Im Münchner Süden wird die Grüne Jamila Schäfer von der CSU-Kandidatin Claudia Küng und SPD-Mann Sebastian Roloff herausgefordert. Wer die Kandidaten sind, wofür sie stehen – und warum es sogar drei Sieger geben könnte.

Von Heiner Effern

Er glitzert und blinkt an diesem Abend, der Grüne Salon an der Implerstraße. An einer improvisierten Bar werden warme Getränke ausgeschenkt, die Schreibtische sind zusammengeschoben und mit einer mobilen Wand abgetrennt. Davor steht, mit dem Mikro in der Hand, Jamila Schäfer, die sich in den vergangenen gut drei Jahren im Münchner Süden ebenso eingerichtet hat wie im Bundestag.

Eigentlich wollte die Abgeordnete im Grünen Salon, wie sie in Sendling das Wahlkreisbüro getauft haben, plaudernd mit Mitgliedern und Interessenten das Jahr ausklingen lassen, doch aus dem Rückblick wird gezwungenermaßen eine Wahlkampf-Vorschau.

„Es ist vielleicht nicht die einfachste Zeit, um für Demokratie, Menschenrechte und den Klimaschutz einzustehen. Aber es ist die wichtigste. Also lasst es uns gemeinsam tun“, sagt sie unter Applaus. Wie sie dem Aufruf folgen können, sehen die Gäste an den Wänden des Grünen Salons. Dort sind Zettel aufgehängt mit QR-Codes, die direkt zum Wahlkampf-Team führen. „Alle, die Lust haben“ stimmt Schäfer auf einen kalten, dafür aber kurzen Wahlkampf bis zur vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ein.

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Für die Grüne Schäfer werden es spannende Wochen. Nicht weil sie Angst haben muss, den Grünen Salon nach der Wahl schließen zu müssen, sondern weil sie noch mehr in den Fokus ihrer Partei und der Öffentlichkeit rücken wird. Denn die Grünen haben sie auf einem Landesparteitag zu ihrer Spitzenkandidatin in Bayern gewählt. Claudia Roth hat ihre Stammposition, den Listenplatz eins, eigens für den Generationenwechsel mit Schäfer frei gemacht. Dazu blickt die Partei auf die Abgeordnete, um zu beobachten, ob sie wieder schafft, was vor ihr keiner Grünen und keinem Grünen im Freistaat je gelungen war: das Direktmandat bei einer Bundestagswahl zu gewinnen.

Der Wahlkampf wird für sie aber auch aus einem anderen Grund spannend. Die 31 Jahre alte Schäfer wurde im Sommer zum ersten Mal Mutter, sie muss und will nicht nur die politische Bühne bespielen, sondern sich auch um ihr Baby kümmern. Verspürt sie angesichts der hohen Erwartungen Druck? Schäfer überlegt kurz an diesem Abend im Grünen Salon, dann schüttelt sie den Kopf. Sie teile sich die Spitzenkandidatur mit Toni Hofreiter, sagt sie. Claudia Roth werde auch noch viele Termine absolvieren. Schäfer rechnet mit etwa zwei Wochen, die sie durch Veranstaltungen im Freistaat tingeln wird, den Rest wird sie im Münchner Süden bestreiten können.

Schäfer hat bei den Grünen bislang eine steile Politkarriere hingelegt

Für eine Bundestagswahl ist die Stadt in vier Kreise nach den Himmelsrichtungen unterteilt, der Süden reicht von Hadern bis Fasangarten, von Sendling bis Solln.

Bis September 2021 vertrat Michael Kuffer (CSU) die Bürger in Berlin. Dann setzte Schäfer ihre steile Politkarriere mit dem Sieg des Mandats fort. Diese begann für die gebürtige Münchnerin als Sprecherin der lokalen Grünen Jugend. Während ihres Studiums der Soziologie und Philosophie in Frankfurt engagierte sie sich überregional und rückte von 2015 bis 2017 an die Bundesspitze der Grünen Jugend. So ging es nahtlos weiter, von 2018 bis 2022 gehörte sie als stellvertretende Bundesvorsitzende der Parteispitze der Grünen in Berlin an.

Für die CSU soll bei der Bundestagswahl nun eine Frau die Scharte auswetzen, die Schäfer 2021 der Partei beigebracht hat: Claudia Küng. Sie steht parteipolitisch für einen Gegenentwurf zur bundespolitischen Karriere von Schäfer und sammelte ihre politische Erfahrung bisher an der Basis. Seit 2010 gehört sie dem Bezirksausschuss 19 an, derzeit als Sprecherin der CSU-Fraktion. Küng hat zur Einstimmung auf den Winterwahlkampf Freunde und Unterstützer aufs Eis gebeten, genauer gesagt auf eine Kunst-Eisstockbahn im M-Quartier an der Gmunder Straße, die auch ohne gefrorenes Wasser auskommt.

Möchte Schwarz ins Ziel bringen: CSU-Kandidatin Claudia Küng beim Eisstockschießen. (Foto: Stephan Rumpf)

Lange war unklar, wer für die CSU im Süden antreten würde. Als letzte Kandidatin ihrer Partei wurde nach außen hin überraschend Küng nominiert, dafür sprüht sie gerade so vor Motivation, trotz der niedrigen Temperaturen. „Es ist alles sehr viel schneller gekommen, als ich es mir gewünscht habe. Ich bin normalerweise jemand, der die Dinge sehr gründlich plant“, sagt sie. Küng musste sich erst mal beruflich sortieren, schließlich hat sie als Geschäftsführerin von Health Care Bayern e. V. und der WISO Socio Economic Consulting zwei Jobs. „Das kriege ich aber gut hin“, sagt sie, zuerst im Wahlkampf und bei einem Sieg auch danach im Bundestag.

Seit über 20 Jahren arbeitet sie im Gesundheits- und Pflegebereich. Health Care Bayern sei das größte Pflegenetzwerk im Freistaat, sagt sie als Mitgründerin. Für ihre Sozialthemen will sie sich auch politisch einsetzen. „Da braucht es Leute, die mit Herz und Verstand rangehen, sonst geht unser Gesundheits- und Sozialbereich in die Knie.“ Doch auch die Sorgen der Menschen im Münchner Süden kenne sie aus ihrer Arbeit im Bezirksausschuss, sagt die 59 Jahre alte Küng. Die schönen und spannenden Ecken ohnehin, etwa die Stadtquartiere, die hier in Obersendling auf ehemaligen Siemens-Flächen entstehen und sogar zum Eisstockschießen einladen.

Seit mehr als 30 Jahren lebt Küng in München. Sie ist verheiratet, die beiden Kinder sind erwachsen. Aufgewachsen ist sie davor in Bonn, das Studium der Volkswirtschaft brachte sie schon einmal in die Hauptstadt. Da will sie nun wieder hin. „Ich möchte gerne nicht mehr sagen: ’Die in Berlin’. Ich will die Stimme des Münchner Südens sein. Dass wir die Dinge, die uns vor Ort ärgern, dort hinkriegen.“

Der SPD-Kandidat Roloff setzt sich für faire Arbeit und eine gesunde Wirtschaft ein

Die Stimme des Münchner Südens ins Berlin, diese Rolle würde auch Sebastian Roloff weiter gerne für sich beanspruchen. 2021 zog er über die Liste erstmals für die SPD in den Bundestag ein, auch für die kurzfristige Wahl im Februar sieht es gut aus. Zwar dürfte er im Wettstreit um das Direktmandat aufgrund der Schwäche der SPD eher Außenseiter sein, doch Platz fünf der SPD-Liste in Bayern wird ihn sicher wieder nach Berlin bringen. Das heißt allerdings nicht, dass Roloff seine nicht sehr große Chance als Erststimmenkandidat nicht nutzen wollte.

SPD-Kandidat Sebastian Roloff möchte beim Wahlkampf punkten. (Foto: Stephan Rumpf)

Deshalb steht er mit Parteifreunden an einem frischen Samstagvormittag vor der Post in der Herterichstraße und verteilt ein Flugblatt mit Süßigkeiten, mit den besten Wünschen für 2025. Genau 400 Stück sind gedruckt, die deutlich besser weggehen als in den Jahren davor. Die SPD in Solln organisiert diese Aktion jedes Jahr, doch in diesem Winter nicht nur aus gutem Willen, sondern auch als spontanen Teil des Wahlkampfs.

„Ich bin überrascht, wie motiviert die Partei war“, sagt der 41 Jahre alte Roloff über den kurzfristigen Start des Wahlkampfs. Der Auftakt ist gelungen, das gibt ihm Zuversicht. „Wir werden zeigen, was wir können. Da wird was gehen die nächsten knapp zwei Monate.“ Nicht alle werden so strahlen wie die Frau, der Roloff gerade seinen Flyer überreicht hat. „Eine Stammwählerin“, sagt er. Bis 23. Februar wird er mit seinem Team versuchen, die treuen Anhänger zur Stimmabgabe zu motivieren und neue zu gewinnen. Seine Schwerpunkt-Themen ergeben sich wie bisher schon aus seiner beruflichen Laufbahn.

Roloff wurde in Berlin geboren, in der Oberpfalz wuchs er auf und beschloss, der sich dort sehr dürftig vertretenen Spezies der Sozialdemokraten anzuschließen. Nach dem Jurastudium landete er schließlich in München als Gewerkschafts-Sekretär der IG Metall und später als Personalleiter bei MAN. Faire Arbeit und eine gesunde Wirtschaft sind seine politischen Themen. Dazu will er sich bei der Rente und Pflege und für die Unterstützung von Familien engagieren.

Wegen der Top-Listenplätze von Schäfer und Roloff steht schon jetzt fest, dass zwei der drei großen Parteien in München auch im neuen Bundestag mit einer Vertreterin beziehungsweise einem Vertreter aus dem Süden dabei sein werden. Angesichts der momentanen Stärke der CSU und der nur 1200 Stimmen Rückstand beim letzten Mal, als die Grünen ein Hoch hatten und ihre Partei ein Tief hatte, könnten es mit der CSU-lerin Küng als möglicher Siegerin bei den Erststimmen sogar drei werden. Eine solche Konstellation mit drei möglichen Siegern von Grünen, CSU und SPD dürfte es nur hier geben.

Weitere Erststimmenkandidaten im Münchner Süden: Julika Sandt (FDP); Wolfgang Wiehle (AfD); Loraine Bender-Schwering (Freie Wähler); Carmen Fesl (Die Linke); Norbert Penstetter (Tierschutzpartei); Barbara Hinkelbein (Die Partei); Massimo Ferraro (Volt); Patrick Ziegler (MLPD); Klaus Ernst (BSW).

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung war als Direktkandidat der FDP noch fälschlicherweise Mahmut Türker genannt.

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