Bundestagswahl 2009:Erfolgsstrategie Egoismus

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Mit Hilfe der "Wahlstreet", einer virtuellen Wahlbörse, wollen Studenten der Universität München vorhersagen, wer die Bundestagswahl gewinnt.

Angela Gruber

Eine knarrende Treppe bringt Besucher in das Büro von Jochen Groß im vierten Stock eines Schwabinger Altbaus. Ein großes Regal voller Bücher und Ordner nimmt fast die gesamte Wand ein, doch Groß interessiert sich momentan nur für die Vorgänge, die er auf dem Display seines kleinen Laptops verfolgen kann. Kaufen oder Verkaufen? Steigt oder fällt derh der Kurs? Und: Welche Partei gewinnt die Bundestagswahl?

Jochen Groß von der Universität München hat den Anstoß gegeben für die "Wahlstreet" und betreut das Projekt. (Foto: Foto: Gruber)

Groß ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am soziologischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und Initiator der Münchner Wahlstreet. An diesem Forschungsprojekt zu einer virtuellen Wahlbörse, der Wahlstreet, nehmen rund 15 Studenten teil. Ihre Aufgabe war es, zur Bundestagswahl einen virtuellen Handelsplatz aufzubauen, wo mit Aktien der Parteien gehandelt werden kann. Mit Hilfe der Wahlstreet wollen die Studenten das Ergebnis der Bundestagswahl möglichst genau vorhersagen. Die Feldforschung ist mitten im Gange.

Dienstwagen-Affäre lässt Aktionäre kalt Unter www.wahlstreet.de kann jeder Internetnutzer seit dem 23. Juli Aktien der Parteien, die an der Bundestagswahl teilnehmen, kaufen. Beim Handel mit den Parteiaktien geht es zu wie auf der richtigen Börse. Gespielt wird schließlich auch um reales Geld. Allerdings sind die Einsätze eher gering, sie liegen zwischen fünf und 50 Euro. Damit auch vorsichtige Anleger nicht mit Mini-Beträgen im Centbereich hantieren müssen, bekommt man für einen Euro Einsatz 10.000 Wahleuro, die Währung der Börse.

Jeder der mittlerweile rund 500 Mitspieler will sein Geld gewinnbringend anlegen, schließlich bekommen Anleger beim Börsenschluss am 27. September, dem Tag der Wahl, ihr Plus ausbezahlt. Eine Bestenliste zeigt den Aktionären im Dienste der Wissenschaft zudem an, wie sie sich im Vergleich zu den Mitbietern schlagen auf dem Börsenparkett.

Bei der Wahlstreet geht es aber nicht ums schnöde Geld verdienen, die Studenten wollen mit Hilfe der Börsen wissenschaftliche Fragen beantworten. Denn obwohl die Idee der Prognose-Börse nicht neu ist und außer bei Wahlen bereits im Vorfeld von Sportereignissen und Oscar-Verleihungen Anwendung fand, gebe es immer noch offene Fragen, macht Groß klar.

"Wir wollen zum Beispiel herausfinden, welche Einflussfaktoren den Markt treiben und welche Auswirkungen Meinungsumfragen haben", sagt Groß. Die Dienstwagen-Affäre von Ulla Schmidt habe beispielsweise keine großen Auswirkungen gehabt auf die SPD-Aktien. Das bedeutet, dass die Aktionäre der Affäre keine großen Auswirkungen auf die Wahlen zuschreiben.

"Wahlbörse vereint die Weisheit vieler" Natürlich ist für ihn auch wichtig, dass die Prognose der Wahlstreet zur Bundestagswahl möglichst genau ist - und zwar so bald wie möglich. "Die Kunst der Prognose liegt nicht darin, am Wahltag zu sagen, wer vorne liegt", sagt er. Von der Tauglichkeit der Börse als Prognoseinstrument ist Jochen Groß überzeugt.

Auch Student Markus Mühl, der an dem Projekt mitarbeitet, glaubt an den Erfolg der Wahlstreet. Der Mehrheit der Deutschen seien zwar als Prognoseinstrument nur die Meinungsumfragen großer Institute bekannt. "Die Wahlstreet kann aber genauso gute Ergebnisse liefern, denn die Wahlbörse vereint die Weisheit der vielen", sagt der 24-jährige Student. "Die besten Informationen werden sich auf dem Markt durchsetzen."

Momentan liegen die großen Parteien in der Wahlbörse der Studenten noch deutlich auseinander, die SPD hat rund 24 Prozent zu verzeichnen, die CDU kommt zusammen mit der CSU auf 33 Prozent. Die Linke wird von den Aktionären auf kann knapp elf Prozent eingeschätzt, die Grünen liegen mit elfeinhalb Prozent knapp darüber. Die FDP wird auf 13,5 Prozent taxiert.

Auch wenn für viele Beobachter der Wahlkampf noch vor sich hin dümpelt, glaubt Groß an ein spannendes Finale: "Meine persönliche Erwartung ist, dass der Wahlkampf noch spannend wird und dass es gegen Ende der Wahlkampfzeit noch eng wird zwischen den Parteien." Eine wissenschaftliche Begründung hat er dank der Wahlstreet parat. "Der Trend bei der CDU ist am interessantesten. Er zeigt konstant bergab."

www.wahlstreet.de

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