Erfolgreicher Start des Bundesfreiwilligendienstes:Ganz zwanglos

Seit zwei Monaten gibt es den Bundesfreiwilligendienst. Anders als beim Zivildienst arbeiten Menschen hier freiwillig, um Bedürftigen zu helfen. Das neue Modell kommt sehr gut an - und nicht nur junge Schulabgänger entscheiden sich, mitzumachen. Besuch in zwei sozialen Einrichtungen.

Beate Wild

Ein Spätsommertag im Haus des Katholischen Altenpflegewerks im Münchner Stadtteil Laim. Vier junge Männer, die gerade erst im Mai ihr Abitur am Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Neuhausen bestanden haben, machen im Gemeinschaftsraum des Mobilen Sozialen Dienstes Mittagspause. Sie haben kurze Hosen und T-Shirts an, trinken Spezi und machen Scherze. Sie sind die erste Generation des Bundesfreiwilligendienstes (BFD), den es nach der Abschaffung des Zivildienstes seit Juli 2011 gibt. Florian Boisseree, 19, Felix Kusser, 19, Paul Andrieu, 20, und Philipp Bauer, 19, sind hier, um ein paar Monate sozialen Dienst an Senioren zu leisten.

Bundesfreiwilligendienst, BFD

Nach dem Abitur erst mal ins Altenheim: Florian Boisseree (v. li.), Felix Kusser, Paul Andrieu und Philipp Bauer leisten beim Mobilen Sozialen Dienst des Katholischen Altenpfegewerks in Laim ihren Bundesfreiwilligendienst.

(Foto: Beate Wild)

Dabei hatten viele soziale Einrichtungen vor der Abschaffung des Zivildienstes befürchtet, die gesamte Alten- und Behindertenbetreuung könnte zusammenbrechen, wenn sich keine Freiwilligen melden. Zwei Monate nach dem endgültigen Aus des Pflichtdienstes stellt sich die Situation wesentlich positiver dar als angenommen. Doch warum verpflichten sich junge Schulabgänger überhaupt noch zum Sozialdienst, wenn sie eigentlich gar nicht müssten?

"Wir wissen noch nicht genau, was wir studieren wollen, deshalb sind wir hier", sagen Philipp und Florian. "Ich will etwas Zeit gewinnen, um über meine Zukunft nachzudenken, und in der Zwischenzeit etwas Sinnvolles machen", sagt Paul. Alle vier Jugendlichen sind sich einig: "Wir machen das gerne, wir sind hier wie eine Familie."

Auch Karin Ferst schwärmt in den höchsten Tönen von ihren Freiwilligen. Die stellvertretende Leiterin des Mobilen Sozialen Dienstes in Laim sieht nach dem Ende des Zivildienstes keinen Grund zur Klage. "Wir hatten so ein Glück, dass wir so eine homogene und vor allem so nette Gruppe gefunden haben." Für den Mobilen Sozialen Dienst war es überhaupt kein Problem, Freiwillige zu finden.

Die vier Abiturienten haben von ehemaligen Zivildienstleistenden von der Einrichtung in Laim erfahren. Die Stellen waren bei den Zivis immer sehr beliebt, weil es freundlich und kollegial zugeht. Paul hat sich als Erster für den BFD beworben. Dann hat er seine drei Freunde animiert, auch mitzumachen.

Die Bufdis sind beliebt

Die "Bufdis", wie die neuen Bundesfreiwilligen genannt werden, holen morgens die Senioren zur Tagesbetreuung ab und fahren sie abends wieder heim. Sie erledigen die Einkäufe, machen kleinere Reparaturen oder helfen im Haushalt. Die vier Abiturienten in Laim sind bei den Senioren sehr beliebt. "Eine Dame gibt immer mit mir an, wenn ich sie abhole und wir im Treppenhaus Nachbarn treffen", erzählt Paul und grinst. Sechs bis zwölf Monate wollen die jungen Männer den BFD absolvieren. Danach werden sie mit dem Studium beginnen oder noch ein Praktikum im Ausland machen. In Laim betreut jeder Freiwillige fünf bis sechs Senioren. Nicht immer ist das einfach, da viele der Betreuten dement sind. Doch mit der Zeit lerne man, mit den Eigenheiten der Rentner umzugehen.

Bundesfreiwilligendienst, BFD

Mit diesem kleinen Auto holen die Bundesfreiwilligendienstler die Senioren morgens ab und bringen sie abends zurück nach Hause.

(Foto: Beate Wild)

Für ihre Arbeit bekommen die Helfer jeweils 650 Euro im Monat, inklusive Wohn- und Verpflegungszuschuss. "Klar, wenn wir im Supermarkt an der Kasse jobben würden, würden wir das Doppelte verdienen", gibt Florian zu bedenken. Doch die Abiturienten wollten sich bewusst sozial engagieren. "Eine solche Erfahrung kann man doch sonst nie machen, hier kann man fürs Leben lernen", sagt Paul. Die anderen nicken. Freilich können sich die Schulabgänger das nur leisten, weil sie noch bei den Eltern wohnen und dort weder für Wohnung noch für Verpflegung zahlen müssen. Die 650 Euro, die sie monatlich bekommen, sind ein Taschengeld für sie.

Wenn man Karin Ferst fragt, was sich im Vergleich zum Zivildienst verändert habe, sagt sie: "Dass die jungen Männer bei uns arbeiten, ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Jetzt müssen sie ihren Dienst nicht mehr ableisten, sie sind freiwillig hier." Das bedeute aber auch, dass sie kündigen können, wenn ihnen etwas nicht passt. "Wir müssen also besonders nett und freundlich zu ihnen sein", sagt sie lachend.

Keine Altersgrenze nach oben

Bundesfreiwilligendienst, BFD

Ulrike Kleinlein betreut Senioren im Alten- und Servicezentrum der Caritas in der Isarvorstadt - sie will den Weg zurück ins Berufsleben finden.

(Foto: Beate Wild)

Auch Jens Dietrich vom Alten- und Servicezentrum der Caritas im Glockenbachviertel ist mit der neuen Situation bislang zufrieden. Als der Bundesfreiwilligendienst im Juli startete, bewarb sich bei ihm die 53-jährige Ulrike Kleinlein. "Es war am Anfang schon etwas ungewohnt, dass da plötzlich eine erwachsene Frau im Freiwilligendienst arbeiten will", sagt Dietrich. Doch beim BFD gibt es keine Altersgrenze nach oben.

"Für mich ist der Dienst hier eine Hilfe zum Wiedereinstieg in meinen eigentlichen Job", sagt Kleinlein. Die zierliche blonde Frau ist eigentlich Fernsehjournalistin. Durch zwei schwere Unfälle wurde sie aus ihrem Beruf gerissen. "Ich lag lange im Krankenhaus, musste erst wieder lernen, zu gehen", erzählt sie. Durch die Krankheit habe auch ihr Selbstvertrauen stark gelitten. Bevor sie sich wieder den beruflichen Herausforderungen stellen will, überbrückt sie die Zeit mit der Betreuung von Senioren. Ein halbes Jahr lang, 20 Stunden pro Woche. "Ich kümmere mich um die Cafeteria hier in der Hans-Sachs-Straße", sagt Kleinlein und strahlt über das ganze Gesicht. Dass ihr die Aufgabe großen Spaß macht, ist nicht zu übersehen. "Es verändert sich der Blick auf die Dinge, und es kommt so viel Dankbarkeit zurück, das ist wunderschön", sagt sie.

Für die Zeit nach Ulrike Kleinlein, also ab Januar 2012, muss sich Dietrich einen neuen Freiwilligen suchen. Die Stelle schreibt er, wie alle anderen Institutionen auch, auf der Webseite www.bundesfreiwilligendienst.de aus. Trotz des bisherigen Erfolgs müsse man den BFD noch bekannter machen, darin sind sich Institutionen wie Freiwillige einig. "Das Image muss besser werden", sagt Karin Ferst. "Oder die Bezahlung", sagen ihre vier Bufdis: "Wer sich bei der Bundeswehr verpflichtet, verdient auch um die 1000 Euro. Gerechter wäre das schon."

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