Bulgaren und Rumänen in München:Neue Nachbarn auf Augenhöhe

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Andrea Untaru ist Leiterin des "Schiller 25" und hilft Migranten, um in München zurechtzukommen. (Foto: N/A)

Seit Jahresbeginn gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU auch für Rumänen und Bulgaren. Den Zustrom Tausender Menschen aus Osteuropa nach München wird es dennoch nicht geben, sagen Experten. Dabei gäbe es viele Jobs für die Migranten.

Von Thomas Anlauf

Die Zahl der Arbeitsmigranten aus Rumänien und Bulgarien ohne Wohnsitz in München steigt zwar seit geraumer Zeit kontinuierlich an. Dennoch sind es zurzeit nur etwa 180 Menschen aus den beiden Ländern, die in München Arbeit und eine Notunterkunft suchen. Bislang mussten sich viele von ihnen zu Hungerlöhnen auf dem illegalen Arbeiterstrich verdingen.

Seit 1. Januar können nun auch Migranten aus Rumänien und Bulgarien ganz legal in Deutschland arbeiten, dank der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU, die nun auch für sie gilt. Experten von Münchner Hilfseinrichtungen und der Stadtverwaltung sehen das durchaus positiv.

"Die Menschen sind nun auf Augenhöhe", sagt Angelika Betz vom Evangelischen Hilfswerk. "Bislang mussten wir ohnmächtig mit ansehen, wie sich die Leute als Tagelöhner abrackern." Meist illegal als Küchenhilfe oder auf dem Bau mit Löhnen von acht bis zehn Euro - nicht pro Stunde, sondern am Tag. Jetzt könne man endlich versuchen, die Menschen "in legale und sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen". Bislang galt, dass Rumänen und Bulgaren je nach Branche in Deutschland eine Arbeitserlaubnis benötigten, was viele dazu veranlasste, einen illegalen Job zu suchen, um überhaupt etwas zu verdienen.

Andrang in der Beratungsstelle

In der neuen Beratungsstelle "Schiller 25" nahe dem Hauptbahnhof, die am 1. November offiziell ihre Arbeit aufgenommen hat, geht es in diesen Tagen ziemlich lebhaft zu: Mütter drängen sich mit ihren Kindern in der kleinen Beratungsstelle, Männer fragen nach kurzfristigen Unterkünften. Bislang konnten die Mitarbeiter den in München gestrandeten Menschen nur wenig helfen. Ein Bett in der Kälteschutzeinrichtung der Bayernkaserne für die Männer, Mütter mit ihren Kindern konnten in einem Schwabinger Hostel unterkommen.

Doch jetzt beginnt die Arbeit von Andrea Untaru und ihrem Team vom "Schiller 25" erst richtig. "Caritas und Bahnhofsmission schicken die Leute zu uns", sagt Untaru. Etwa 260 Männer sind es, die derzeit einen Unterschlupf suchen und auf Arbeitssuche sind - bis zu 70 Prozent davon kommen aus Rumänien und Bulgarien. Die Zahl der sogenannten Arbeitsmigranten aus Südosteuropa wird nun mit der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit steigen, da sind sich alle Experten einig. Doch nun können sie den Menschen, die in München Fuß fassen wollen, wenigstens konkret helfen.

"Wir können diese Menschen jetzt aus illegalen Beschäftigungsverhältnissen in die Legalität holen", sagt Angelika Betz, die beim Evangelischen Hilfswerk auch für das "Schiller 25" zuständig ist. Die Einrichtung sieht sie als "Clearingstelle", in der zunächst geklärt wird, was die Menschen in München wollen und wie man ihnen helfen kann. "Es sagen fast alle von ihnen, dass sie Arbeit suchen", sagt Betz. Das Hauptproblem sei mangelnde Sprachkenntnis. "Wir müssen die Menschen erst mal fit machen, etwa in Integrationskursen", sagt sie

In rechtlichen Angelegenheiten können Andrea Untaru und ihr Team die Arbeitssuchenden nun weitervermitteln, etwa an den Deutschen Gewerkschaftsbund. So gibt es im DGB-Haus an der Schwanthalerstraße das Projekt "Faire Mobilität in München". In Kooperation mit der Beratungsdienste der Arbeiterwohlfahrt in der Goethestraße erhalten dort Arbeitsmigranten rechtliche und psychologische Unterstützung.

"Es geht darum, auch Perspektiven für die Menschen abzuklären", sagt Betz. Die seien jedoch nicht allzu rosig, auch wenn rumänische und bulgarische Wanderarbeiter sich seit 1. Januar legal auf dem Arbeitsmarkt bewerben können. Denn das Hauptproblem in München ist nicht unbedingt, einen Job zu finden, sondern eine bezahlbare Unterkunft.

Das Münchner Amt für Wohnen und Migration versucht derzeit "mit Hochdruck", Schlafplätze für die arbeitssuchenden Migranten zu schaffen, wie Monika Betzenbichler sagt. Momentan fehlen nach Angaben der Abteilungsleiterin für Soziale Wohnraumversorgung 250 bis 300 Betten. Allerdings rechnen weder sie noch ihre Kollegen aus der Behörde damit, "dass plötzlich Tausende" nach München strömen werden, um hier Arbeit und einen Schlafplatz zu suchen.

Münchner Jobcenter schafft Migrationsbeauftragten

Die Zuwanderung werde auch weiterhin zwar kontinuierlich zunehmen, aber nicht sprunghaft, glaubt Betzenbichler. Denn die angespannte Wohnungssituation in München habe sich längst auch in Rumänien und Bulgarien herumgesprochen. Besonders jetzt im Winter würden es sich die Menschen genau überlegen in eine Stadt zu kommen, in der sie womöglich keinen Unterschlupf finden.

Der Arbeitsmarkt in München kann qualifizierte Zuwanderer aufnehmen. "Wir haben viele freie Stellen", teilt der Büroleiter des Münchner Jobcenters Wolfgang Rappl mit. "Mit unseren arbeitsmarktpolitischen Instrumenten können wir gegebenenfalls schnell und flexibel reagieren und zusätzliche Angebote schaffen", so Rappl. Einen Ansturm von rumänischen und bulgarischen Wanderarbeitern fürchtet man auch im Jobcenter nicht.

Die Geschäftsführung hat das Thema Migration für dieses Jahr als Schwerpunkt gesetzt, sogar einen eigenen Migrationsbeauftragten hat das Münchner Jobcenter installiert. "Wir sind gut auf die neue Situation eingestellt", sagt Rappl. Im Oktober waren 240 rumänische und 223 bulgarische Staatsangehörige in München arbeitslos gemeldet - insgesamt waren es 23.142 Arbeitssuchende.

© SZ vom 02.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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