Süddeutsche Zeitung

Immobilien in München:Mehr Büros, weniger Wohnungen

  • Büroflächen sind für viele Baufirmen inzwischen attraktiver als der Bau von Wohnungen.
  • Obwohl München vergleichsweise viele Büroflächen hat, ist der Bedarf enorm.
  • Das Gleiche gilt jedoch auch für Wohnraum - der bleibt auch wegen des Bürobooms knapp.

Von Sebastian Krass

"Wohnen, wo der Süden beginnt": Es waren große Worte für ein spektakuläres Bauvorhaben. "Aus nüchternen Büros" im seit Jahren leer stehenden ehemaligen Siemens-Hochhaus in Obersendling sollten "rund 270 attraktive Wohnungen im südlichsten Wohnhochhaus Deutschlands" entstehen, verkündete die Isaria Wohnbau AG vor knapp drei Jahren auf einer Pressekonferenz. Architekten erläuterten bereits die Details zum Projekt "South One". Doch inzwischen ist klar: Daraus wird nichts. "South One" ist beerdigt, und damit auch der Plan, das Hochhaus an der Baierbrunner Straße 54 zum Wohngebäude zu machen.

Die Isaria hat das Gebäude, das bei der Fertigstellung im Jahr 1963 mit 75 Metern das höchste Bürogebäude der Stadt war, an das Schweizer Immobilienunternehmen Empira verkauft. Fachmedien berichten von einem Preis von 95 Millionen Euro. Die neuen Eigentümer setzen auf gewerbliche Nutzung. "Es waren Büros, und es sollen wieder Büros werden", sagt Jürgen Klein, Direktor der Projektentwicklung von Empira in München. Der vorige Eigentümer habe sich "richtig angestrengt, dort Wohnungen zu machen". Aber es habe offenbar nicht funktioniert.

Das Beispiel illustriert einen Trend: Auf dem engen Münchner Immobilienmarkt wird es für private Investoren attraktiver, Büros statt Wohnungen zu bauen. "Die Büromieten steigen raketenartig, noch viel schneller als für Wohnungen", sagte Reinhold Raster, Münchner Niederlassungsleiter des Projektentwicklers Pandion, kürzlich auf einem Kongress des Immobilienverbands IVD. "Der Grundstücksmarkt kippt in Richtung Gewerbe." Vor zwei Wochen, bei der Grundsteinlegung für einen neuen Komplex auf dem ehemaligen Mahag-Gelände an der Karlstraße, dankte Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner den Investoren, dass sie "dem süßen Geruch des Wohnungsbaus nicht nachgegeben" hätten, sondern Gewerbe gewählt hätten. Auch das sei für die Stadtgesellschaft wichtig, "nicht nur Wohnen".

München hat viele Büroflächen - knapp sind sie trotzdem

Die Durchschnittsmiete für einen Quadratmeter Bürofläche im Stadtgebiet lag im ersten Quartal dieses Jahres bei 21,12 Euro, "zehn Prozent über dem Vorjahreswert", heißt es in einer Studie des Immobilienberatungsunternehmens Colliers, das auch für das Wirtschaftsreferat Marktberichte erstellt. Zum Vergleich: Der Mietspiegel 2019 weist 11,69 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnraum aus, ein Plus von 4,1 Prozent im Vergleich zur vorherigen Erhebung zwei Jahre früher.

Der Büro-Leerstand liegt Colliers zufolge stadtweit bei 1,2 Prozent, in den zentralen Quartieren bei 0,2 bis 0,7 Prozent. "Ein ausbalanciertes Verhältnis von Angebot und Nachfrage gibt es bei etwa fünf Prozent Leerstand", sagt Peter Bigelmaier, Leiter des Münchner Büros von Colliers. "Wer kurzfristig Büros für 250 oder mehr Beschäftigte sucht, hat in halbwegs zentraler Lage kaum eine Chance." Auch von den für dieses Jahr erwarteten Fertigstellungen seien 91 Prozent bereits vermietet.

Mit einem Bestand von 22,5 Millionen Quadratmetern Büroflächen ist München samt Umland der drittgrößte Standort in Europa, nach London und Paris. "Und die Grundtendenz hier ist Wachstum", sagt Bigelmaier. "Die Zahl der Bürobeschäftigten wird zunehmen." Ein Beispiel sei der Arnulfpark, "dort saugt Google die Flächen auf". Bigelmaier spricht "von einer Art Gentrifizierung": Die Mieten seien in den vergangenen fünf bis acht Jahren von 15 auf 30 Euro für besonders attraktive Büros gestiegen, das können manche Firmen sich kaum noch leisten.

Büroboom sorgt für weitere Wohnungsknappheit

Auch Reinhold Raster von Pandion wägt derzeit zwischen Wohnen und Büros ab, und zwar auf einem Grundstück an der Anzinger Straße 23 bis 29 in Berg am Laim, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Werksviertel. Dort wurden früher Motorräder der Marke "Zündapp" hergestellt. Seit Jahren ist klar, dass es der Stadt gut tun würde, wenn das Areal neu belebt würde. Nur wie? Erst fand sich lange kein Investor, dann ging ein Hamburger Entwickler das Projekt an und plante 550 Wohnungen, unter anderem in einem Wohnturm mit 19 Stockwerken auf 60 Metern. 2017 kaufte die in Köln ansässige Pandion das Grundstück. Sie reduzierte das Projekt auf 350 Wohnungen in einem Block, gekrönt von einem Hotel. In einem zweiten Block sollen Büros unterkommen, die Vermarktung dieses Teils soll in ein paar Wochen starten, Fertigstellung ist für Ende 2021 avisiert.

Doch selbst der verkleinerte Wohnanteil ist nicht mehr sicher. Raster berichtete auf dem IVD-Kongress, die Büromieten stiegen so schnell, dass "an dieser Stelle 27 bis 37 Euro pro Quadratmeter" denkbar seien. Angesichts solcher Zahlen könne er "nicht sagen, ob am Schluss überhaupt noch Wohnungen entstehen oder ob es ein reiner Gewerbestandort wird". Raster sprach zuletzt nur noch von 280 geplanten Wohnungen. Er betonte aber: "Ich würde mich freuen, wenn es wenigstens die 280 Wohnungen werden." Schließlich entstünden im Werksviertel vor allem Mietwohnungen. Er fände es "schön für die Mischung", wenn es im Viertel auch ein neues Angebot von Eigentumswohnungen gäbe.

Gegensätzliche Interessen von Planungs- und Wirtschaftsreferat

Ein Faktor, der für manche Investoren ebenfalls gegen Wohnraum spricht, sind die Regeln der Sozialen Bodennutzung (Sobon). Bauherren müssen dafür, dass sie neues Baurecht bekommen, 30 Prozent geförderten und zehn Prozent preisgedämpften Wohnraum schaffen und sich an Kosten für die Infrastruktur, etwa Kitas, beteiligen. Baut man Büros, gibt es keine Sobon-Kosten. Beim Pandion-Projekt würde das mehrere Millionen Euro ausmachen.

Ein paar Tage später betont Raster, es sei keinesfalls beschlossene Sache, dass die Wohnungen wegfallen, "es ist alles noch im Fluss". Gespräche mit der Stadt über das Baurecht liefen. Das zuständige Planungsreferat erklärt, man gehe weiter von 360 Wohnungen aus, bisher habe Pandion nicht den Wunsch geäußert, komplett auf Gewerbe zu setzen. "Ein Verzicht auf Wohnraum an dieser Stelle wird unsererseits jedoch sehr kritisch gesehen." Das Planungsreferat steht politisch unter besonderem Druck, Wohnraum zu schaffen, und hat deshalb einen anderen Blick auf die Konkurrenz zum Büroraum als das Wirtschaftsreferat, das um attraktive Bedingungen für Unternehmen bemüht ist.

Und wie geht es weiter mit dem Wahrzeichen im Münchner Süden? Die Empira will bald mit dem Umbau des Siemens-Hochhauses beginnen. Man bewege sich im Rahmen der bisherigen Nutzung und brauche kein aufwendiges Genehmigungsverfahren, sagt Direktor Jürgen Klein. Einen Zeitplan nennt er nicht. Das Planungsreferat bestätigt, dass es eine gültige Baugenehmigung für Sanierung und Umbau sowie eine neue Tiefgarage gibt. Auch der Denkmalschutz ist keine Hürde. Klein sagt, die Fassade sei so marode, "dass sie nicht zu retten ist". Das Planungsreferat stimmt zu und ergänzt: "Mit der Beseitigung der Aluminium-Glas-Vorhangfassade erlischt (...) die Denkmaleigenschaft." 1500 bis 2000 Menschen sollen künftig das Hochhaus bevölkern, "wir wollen attraktive Arbeitsplätze dahinbringen", sagt Klein. Auch eine Kita ist geplant, "damit Arbeit und Familie besser kompatibel werden". Nur wo diese Menschen wohnen, ist eine andere Frage.

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SZ vom 12.06.2019/lfr
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