Süddeutsche Zeitung

Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt:Experimentierfeld der Verkehrswende

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Die Bürgerversammlung stellt sich mit großer Mehrheit hinter aktuelle Mobilitätspläne - von der Radfahrachse bis zum "Superblock"-Konzept. Das soll vom Gärtnerplatz- gleich aufs Glockenbach- und Dreimühlenviertel ausgedehnt werden.

Von Julian Raff

Wie kaum anderswo im Stadtgebiet, werden in der Ludwigs- und Isarvorstadt Straßen beruhigt und Pkw-Parkplätze zugunsten anderer Nutzungen gestrichen, was den Stadtbezirk zum Experimentierfeld der Verkehrswende macht - und zum Schauplatz hitziger Debatten. Die amtlichen und gewählten Befürworter des grün-roten Mehrheitskurses konnten nun gestärkt von der Bürgerversammlung nach Hause gehen, wo sie reichlich Rückenwind erhalten haben.

Mit 45 Anträgen und sechs Anfragen erreichte die aktive Beteiligung das gewohnte Niveau, der Zulauf blieb mit 110 Anwesenden ein wenig darunter. Allerdings mussten sich die Bewohner des südlichen Stadtzentrums auch auf den Weg hinüber nach Neuhausen in die geräumige Sporthalle an der Kapschstraße machen, vorerst zum letzten Mal, wie Stadträtin Anna Hanusch (Grüne) als Sitzungsleiterin versprach. Derzeit noch wenig von einer grüneren, sauberen Zukunft verspüren die rund 4500 Anwohner des südlichen Bahnhofsviertels, denen ein weiterer Hitzesommer schwer zusetzte. Einen Antrag auf Radstreifen, Shared-Space-Konzepte und Baumpflanzungen, notfalls im Kübel, für die Schiller-, Landwehr- und Goethestraße nahm die Versammlung mit entsprechend großer Mehrheit an - auch wenn schon viel geschehen sei, wie ein Vertreter des Mobilitätsreferats (MOR) beteuerte.

Einen großen Vertrauensvorschuss gewährte die Versammlung den jüngsten "Superblock"-Plänen fürs Gärtnerplatzviertel. Die aus Barcelona importierte Idee, ein ganzes Quartier großflächig für den Durchgangsverkehr zu sperren, wollte eine große Mehrheit gleich aufs Glockenbach- und Dreimühlenviertel ausgedehnt sehen. Gleichzeitig wären die Anwohner schon froh, wenn bestehende Regeln eingehalten würden und forderten mehr Kontrolle fürs Einfahrtsverbot in die Corneliusstraße. Vom Gärtnerplatzrondell aus biegen dort längst nicht nur Taxis, Busse und Radfahrer stadtauswärts ein, wie eigentlich vorgeschrieben.

Die Mehrheit der Anwesenden setzt offenbar auf eine autofreie Zukunft

Längst nicht nur Beifall hatten Politiker und Verkehrsplaner lange Zeit am "Glockenbach"-Dreieck, rund um die Grüninsel, und in der Fraunhoferstraße erhalten. Deren Anlieger forderten mit mehrheitlicher Unterstützung erneut Liefer- und Haltezonen. Ein verständlicher Wunsch fürs MOR, das aber bestenfalls neue Halteflächen "für die Fraunhoferstraße" versprach, also in deren Seitenstraßen. Die Kritiker des Glockenbach-Projekts wiederum hatten zwar mit zehn Anträgen gegen die geplanten Parkplatz-Streichungen und zusätzlichen Baumpflanzungen mobil gemacht, sie blieben dabei aber mit deutlichen Abstimmungsniederlagen in der Minderheit.

Lediglich ein weiterer Antrag, der forderte, die geplanten Bänke nicht direkt vor Privatwohnungen zu platzieren, ging durch. Die Anwesenden machten dabei klar, dass sie auch E-Autos kaum Straßenraum überlassen wollen: Rüdiger Clausius, der im Frühjahr als Sprecher der Planungs-Gegner aufgetreten war, hatte per Antrag angeregt, beim Umbau doch wenigstens gleich ein Versorgungsnetz für spätere E-Ladesäulen anzulegen. Die Mehrheit der Anwesenden setzt dagegen offenbar auf eine komplett autofreie Zukunft oder auf große zentrale Ladestationen, auch wenn diese, wie Clausius zu bedenken gab, eher auf akkuschädliches Schnellladen ausgelegt seien.

Dass sie nicht nur vorgelegte Konzepte unterstützen, sondern auch neue Ideen einbringen wollen, unterstrichen die Versammelten, indem sie mit großer Mehrheit für die vorgeschlagenen "Münchner Laubengänge" stimmten. Unter diesem Titel könnte die Stadt über Gehsteigen und Straßenrändern Holzrahmen installieren und mit schnellwüchsigen, Schatten spendenden Hopfen- oder Bohnenranken bepflanzen. Ein "Marketingding" mit Strahlkraft, fand nicht nur der Antragsteller.

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