Bürgerbüros in München:Das große Warten

Bürgerbüros in München: Eine vorweggenommene Entschuldigung erwartet die Besucher am Eingang des Kreisverwaltungsreferats.

Eine vorweggenommene Entschuldigung erwartet die Besucher am Eingang des Kreisverwaltungsreferats.

(Foto: Robert Haas)
  • In den Bürgerbüros in München wird an den Kapazitätsgrenzen gearbeitet.
  • Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle nennt das einen "Break-down", ein Zusammenbruch, belastend für die Münchner Bürger, belastend aber auch für die Mitarbeiter.
  • Der Stadtrat hat reagiert und im vergangenen Monat 70 neue Stellen für die Bürgerbüros bewilligt - doch die Mitarbeiter sind noch nicht im Amt.

Von Inga Rahmsdorf und Katja Riedel

Es gibt wohl kaum einen anderen Ort in dieser Stadt, an dem sich die Münchner so nah kommen wie in den Wartezonen der Bürgerbüros. Egal ob alt oder jung, mit deutschem oder ausländischem Pass, wohlhabend oder arm, man durchleidet viele gemeinsame Stunden, teilt sich die abgestandene, muffige Luft und manchmal auch gleich noch den hart erkämpften Sitzplatz, und fiebert dem gleichen Moment entgegen: Dass die Nummer, die man gezogen hat, endlich dort oben auf der Anzeige aufleuchtet.

Dienstagmorgen, vier Tage vor Sommerferienbeginn, im Bürgerbüro des Kreisverwaltungsreferats an der Ruppertstraße. Knopfdruck am Automaten in der Wartezone 1, der das große Los mit der Nummer 248 ausspuckt. Ein Blick auf die Anzeigentafel: nur 170 Wartende sind noch vorher an der Reihe. Eine Stunde später sind es immerhin nur noch 120. "Gibt es Tage, an denen es hier ruhiger zugeht?", fragen hoffnungsvolle Optimisten am Infoschalter im Eingangsfoyer. Die geduldige Dame hinter der Glasscheibe schüttelt bedauernd den Kopf. "Leider nein, es ist zurzeit immer voll." Und zwar so voll, dass die Stadt München nun sogar die Schulen aufgefordert hat, Kinder vom Unterricht zu befreien, wenn denn die Familien noch dringend Ausweispapiere für sie vor dem Urlaub beantragen müssen. Die Boomstadt München führt Behördenfrei für ihre Schüler ein, weil die Verwaltung nicht mehr hinterherkommt mit der Bearbeitung der Bürgeranliegen.

Ein Zusammenbruch in den Ämtern

Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle findet für all das, was sich auf den Fluren seines Hauses abspielt, ein deutliches Wort: Ein "Break-down" sei das, ein Zusammenbruch, belastend für die Münchner Bürger, belastend aber auch für die Mitarbeiter. All das sei "in höchstem Maße unbefriedigend", sagt der KVR-Chef. Für die einen, weil sie oft unverrichteter Dinge wieder gehen müssten, weil sie nicht einmal mehr eine Nummer ziehen dürften, um sich in die lange Warteschlange einzureihen. Und für die anderen, weil immerzu Bürger anriefen oder die Köpfe hineinsteckten, um zu fragen, ob sie noch an die Reihe kämen.

München wächst seit Jahren, und mehr Einwohner bedeuten auch mehr Behördengänge. Allerdings ist das Personal in den Bürgerbüros statt aufgestockt lange abgebaut worden. Schuld an der Misere, sagt Blume-Beyerle, sei aber nicht nur eine jahrelange verfehlte Stellenpolitik der Stadt, sondern auch ein neues Computerprogramm. Bayernweit sei das gerade zu einem Zeitpunkt eingeführt worden, als der Ansturm auf das KVR besonders groß war. Die Software hatte Kinderkrankheiten, die Mitarbeiter waren nicht an die neue Technik gewöhnt. Vor zwei Wochen brach dann das ganze System zusammen, so dass die Bürgerbüros morgens gleich wieder schließen mussten. Inzwischen, so Blume-Beyerle, seien diese Probleme behoben.

Zudem hat auch der Stadtrat reagiert und im vergangenen Monat 70 neue Stellen für die Bürgerbüros bewilligt. Doch bis die Mitarbeiter eingestellt sind und Stempel auf Reisepässe setzen können, werden wohl noch einige Monate vergehen. Blume-Beyerle rechnet damit, dass sich die Situation erst im nächsten Frühjahr deutlich verbessern wird.

Das Internet ist keine Hilfe

Bis dahin heißt es also: Schulfrei für Münchens Kinder, damit die Familie einen gemeinsamen Ausflug ins Bürgerbüro machen kann. Wer schließlich erst ganz naiv nach Schulschluss am Dienstag- oder Donnerstagnachmittag auf dem Amt erscheint, der könnte Pech haben und noch nicht einmal mehr hineingelassen werden. Denn die offiziellen Öffnungszeiten in den Bürgerbüros haben nichts mit den tatsächlichen zu tun. Wer sich nicht umsonst auf den Weg machen möchte, der sollte sich vorab im Internet oder unter der Telefonnummer 115 informieren, ob sich der Gang ins Bürgerbüro überhaupt lohnt. So konnte beispielsweise am Montagmorgen in der Ruppertstraße bereits um 10.50 Uhr niemand mehr eine Wartenummer ziehen, dabei sollten die Türen eigentlich erst um 12 Uhr schließen.

Bürgerbüros in München: Die Wartemarken helfen oft nicht weiter.

Die Wartemarken helfen oft nicht weiter.

(Foto: Robert Haas)

Mittlerweile kann man viele Angelegenheiten im Internet regeln, vom Einkaufen über die Bankgeschäfte bis zur Steuererklärung. Wer aber seinen Personalausweis verlängern will oder sich einen Reisepass ausstellen lassen möchte, der muss persönlich im Bürgerbüro erscheinen. Selbst wenn er so klein ist, dass möglicherweise noch nicht einmal die eigenen Eltern das Baby von anderen Kindern auf biometrischen Fotos zweifelsfrei unterscheiden könnten. Und so schieben sich Menschen mit Kinderwagen, mit Rollatoren und auf Krücken durch die Gänge im Erdgeschoss des Kreisverwaltungsreferats, alle auf der Suche nach der richtigen Wartezone. Die richtet sich eigentlich nach dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens, nur dass die Wartezonen zwei, vier und fünf an diesem Dienstag gleich gar nicht erst geöffnet haben. Die Luft ist hier besser, es gibt freie Stühle, aber erstaunte Blicke. Manch einer will so schnell nicht aufgeben, und so wird an Türen geklopft, mal zaghaft, mal wütend, Klinken werden gedrückt und an Türen gerüttelt, doch alles vergeblich, in den Wartezonen zwei, vier und fünf bleiben die Türen verschlossen.

Konzept zur Verbesserung der Lage

Wer beispielsweise unter die Buchstaben D, E, Fa-Fr fällt, darf heute die Wartezone frei wählen. Und da es im Bürgerbüro nicht anders ist als sonst im Leben - immer reiht man sich in die falsche Schlange an der Kasse ein -, geht manch einer auf Nummer sicher. So kann man besonders schlaue Besucher beobachten, die nach ergebnislosem Klopfen und Rütteln in ihrer Wartezone losziehen und sich Nummern aus jedem Automaten der geöffneten Wartezonen ziehen. Jedes neue Los verspricht schließlich auch ein neues Glück.

KVR-Chef Blume-Beyerle hatte bereits im März ein Konzept vorgestellt, um das Chaos in den Bürgerbüros in den Griff zu bekommen. Dazu zählt auch der Plan, die Online-Dienste weiter auszubauen, damit man künftig nicht mehr für jede Passverlängerung persönlich auf dem Amt erscheinen muss. Außerdem sollen Selbstbedienungsterminals aufgestellt werden und überprüft werden, ob man weitere dezentrale Bürgerbüros öffnen kann. Ein weiterer Vorschlag sieht vor, Termine vorab zu vereinbaren, um das Chaos zu vermeiden und die Wartezeiten zu reduzieren. Eine Terminvergabe bringt allerdings nur etwas, wenn auch mehr Mitarbeiter die Anliegen bearbeiten können. Sonst geht es den Münchnern wie den Berlinern, die sich Wochen vorher anmelden müssen, um noch einen Termin zu erhalten. Und wenn es dann so weit ist, dann sind die Sommerferien längst vorbei.

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