Feinstaubbelastung:Keine saubere Luft für München

Stadtpanorama von München im Nebel, 2015

So undurchdringlich, wie es dieses Foto suggeriert, ist die Münchner Luft normalerweise nicht. Aber sauberer könnte sie sein, findet eine Initiative, deren Bürgerbegehren vor zwei Jahren vom Stadtrat übernommen wurde.

(Foto: Lukas Barth)

Die Initiative "Green City" hat bereits vor Jahren mit einem Bürgerbegehren den Kampf für bessere Luft aufgenommen. Doch der Stadtrat ließ den Vorstoß verpuffen - meinen die Aktivisten.

Von Dominik Hutter

Es wirkte wie ein Sieg, als der Stadtrat im Frühjahr 2017 die Ziele des Bürgerbegehrens "Sauba sog i" übernahm. Die Initiatoren der Unterschriftensammlung feierten die Festschreibung ihrer Forderungen, die dem Ziel dienen sollten, die Schadstoffbelastung in der Luft mit einer Verkehrswende zu senken, als großen Erfolg. Die Münchner mussten gar nicht mehr darüber abstimmen, ob sie radikal umsteuern wollen. Inzwischen, fast zwei Jahre später, ist die Euphorie der Ernüchterung gewichen.

"Reichlich wenig" sei passiert, um den Autoverkehr zurückzudrängen, ärgert sich der damalige Kampagnenleiter Andreas Schuster vom Verein "Green City". Das Vorgehen des Stadtrats "entspricht nicht meinem Demokratieverständnis". Es gebe Forderungen nach einem neuen, konkreter formulierten Bürgerbegehren.

"Winzige Millimeterschritte", mehr könne das Rathaus nicht vorweisen, findet auch Grünen-Fraktionschef Florian Roth, dessen Partei damals die Initiative unterstützte. Die rot-schwarze Rathausmehrheit habe den Vorstoß verpuffen lassen. Indem sie so tat, als würde sie das gleiche Ziel verfolgen.

Das Bündnis für saubere Luft, zu dem rund 20 Organisationen gehörten, hatte im Herbst 2016 mit der Unterschriftensammlung begonnen. Die Forderung lautete: Bis 2025 sollen nur noch maximal 20 Prozent des Münchner Verkehrs mit Verbrennungsmotoren abgewickelt werden. 80 Prozent würden dann zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem MVV oder auch (lokal) emissionsfreien Antrieben wie Elektromotoren bewältigt.

Aktuell fahren in München jedoch 34 Prozent mit dem Auto, die meisten davon mit Benzin und Diesel. Rechnet man das Umland dazu, entfällt auf das Auto ein Anteil von 46 Prozent, Tendenz seit 2008 nahezu gleichbleibend. Ein Problem: Die Prozentwerte bilden nicht ab, dass wegen der stark gewachsenen Einwohnerzahl der Verkehr insgesamt deutlich zugelegt hat - wie die Münchner täglich im Stau oder in überfüllten U-Bahnen erleben. Selbst ein sinkender Anteil an Autos könnte also theoretisch eine wachsende Zahl an Pkw-Fahrten bedeuten.

SPD-Fraktionschef Alexander Reissl hält die Betrachtung nach dem sogenannten Modal Split, also dem Verkehrsmix, grundsätzlich für wenig aussagekräftig. Denn er werde für München nicht separat analysiert, sondern von einer bundesweiten Studie heruntergerechnet. Und er berücksichtigt nur die Zahl der Wege, nicht deren Länge. Ein Fußmarsch zum Bäcker an der Ecke hat daher im Modal Split die gleiche Relevanz wie eine Autofahrt von 20 Kilometern.

Der MVV könnte die Verkehrswende einleiten

Im Grunde seien entsprechende Statistiken "nicht belastbar", so Reissl - was die Initiatoren des Bürgerbegehrens gewusst hätten. "Die haben das trotzdem so formuliert." Letztlich könne die Forderung der Bürgerinitiativen daher keine konkrete Auswirkung auf die Stadtpolitik haben. "Ich gehe davon aus, dass sich das sowieso in diese Richtung verändert." Alle Beteiligten wüssten, "dass wir an der Verkehrspolitik schrauben, dass wir in den öffentlichen Nahverkehr investieren".

Reissl ist überzeugt, dass der "Dreh- und Angelpunkt" einer Verkehrswende der MVV ist. Auch das Fahrrad spiele eine wichtige Rolle, doch dürfe man nicht vergessen, dass viele Menschen nicht darauf ausweichen - schon der Entfernungen wegen, aber oft auch wegen des Wetters. Als Verkehrsträger für die Massen sei vor allem der MVV geeignet.

"Green City"-Mann Schuster hätte sich trotzdem mehr und Konkreteres erwartet. Die Übernahme des Bürgerbegehrens bedeute, auf eine Halbierung des Autoverkehrs hinzuarbeiten. Dazu müsse man dem motorisierten Verkehr Platz wegnehmen, der den Radfahrern, Fußgängern und dem MVV zugute kommt. Es sei "ein bisschen schade", dass nun mit Hinweis auf angeblich lasche Formulierungen so getan werde, als müsse man nicht handeln. "Der Stadtrat hat ein klares Versprechen gegeben." Eine wirksame Verbesserung der Luft könne nur durch kontinuierliches Arbeiten erzielt werden.

Schuster wünscht sich neben einem forcierten Nahverkehrsausbau mit zusätzlichen Busspuren vor allem auch das 365-Euro-Jahresticket, das Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Wahlkampf als Fernziel unterstützt hatte. Allerdings kann dies für Schuster nur der zweite Schritt sein - erst müsse der überfüllte Nahverkehr so ausgebaut werden, dass er zusätzliche Fahrgäste auch verkraften kann.

Im Stadtratsalltag taucht das 20-Prozent-Ziel vor allem in Papierform auf: als Argumentationshilfe in Beschlussvorlagen - so wie auch standardmäßig auf nationale und internationale Klimaschutzziele hingewiesen wird. Thorsten Vogel vom Planungsreferat verweist zudem darauf, dass sich der Stadtrat im kommenden Jahr mit dem aktuellen Modal Split befassen werde und dass die Fortführung des Verkehrsentwicklungsplans auf der Agenda stehe. Da spiele das übernommene Bürgerbegehren natürlich eine Rolle. Es handle sich aber um eine länger dauernde Debatte, einen fortlaufenden Prozess.

CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl findet schon jetzt nicht, dass das Ziel des Bürgerbegehrens in der Stadtratsarbeit zu kurz kommt. Man habe unter anderem für eine zweistellige Millionensumme eine Elektrobuslinie beschlossen und ein Busbeschleunigungsprogramm. Ladestationen für Elektroautos würden gebaut, die Stadt habe sich ein sehr ehrgeiziges Förderprogramm für Elektromobilität zugelegt. "Das liegt auf gar keinen Fall auf Eis", beteuert Pretzl.

Grünen-Kollege Roth ist dennoch sehr unzufrieden mit der Umsetzung des Bürgerbegehrens. "Man hat das damals schon geahnt", erinnert der Politiker. Damals habe Pretzl gesagt, man könne das Ziel übernehmen, da man dafür ja kaum etwas verändern müsse. Mit Elektromobilität allein lasse sich das Verkehrsproblem in Großstädten nicht lösen. Schließlich gehe es auch um Lebensqualität - und da ist auch ein vorbeirauschendes E-Auto nicht gerade förderlich.

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