Süddeutsche Zeitung

Bündnis gegen Sicherheitskonferenz:Bühne für die Ex-Terroristin

Streit unter den Friedensaktivisten: Ausgerechnet die ehemalige RAF-Terroristin Inge Viett soll bei der Demonstration gegen die Münchner Sicherheitskonferenz auftreten. Das Aktionsbündnis steckt in einem Dilemma.

Von Bernd Kastner

Eine prominente Rednerin wird bei der Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz (Siko) auftreten, eine allerdings, die für gehörig Zoff sorgt im Anti-Siko-Bündnis: Inge Viett, die ehemalige RAF-Terroristin. Auf Einladung des "Antikapitalistischen Blocks" soll sie am Samstagmittag auf dem Stachus sprechen. Claus Schreer, Frontmann des Aktionsbündnisses gegen die Siko, distanzierte sich und wertet ihren Auftritt als "Provokation, die der Antikriegsbewegung schadet". Viett, 69 Jahre alt, war Mitglied der "Bewegung 2. Juni", die 1975 den damaligen Berliner CDU-Chef Peter Lorenz entführte. Sie brach zweimal aus der Haft aus, schloss sich der RAF an und schoss 1981 in Paris auf einen Polizisten; später setzte sie sich in die DDR ab. 1990 wurde sie verhaftet und 1992 wegen versuchten Mordes verurteilt. 1997, als sie zwei Drittel ihrer Strafe verbüßt hatte, kam sie frei. Heute ist sie als Autorin und Rednerin tätig.

Johannes Jonic vom "Antikapitalistischen Block" betont, dass man Viett engagiert habe, weil sie für ihren Widerstand gegen Militarisierung bekannt sei. Keineswegs wolle man sich damit positiv zur RAF positionieren: "Wir laden ja keine praktizierende Terroristin ein." Außerdem, betont Jonic, habe das Anti-Siko-Bündnis ihren Auftritt schon vor Wochen diskutiert - und auch abgesegnet.

Das wiederum stellt Schreer anders dar: Man habe dem "Antikapitalistischen Block" lediglich Zeit für einen Redebeitrag auf dem Stachus reserviert, nicht ahnend, dass eine Ex-Terroristin geholt werde. Der Name Viett habe ihn "kalt erwischt". Sein Versuch, die "antikapitalistischen" Bündnispartner von Viett als Rednerin abzubringen, sei gescheitert. Man werde sie aber auch nicht mit Gewalt am Reden hindern. Auch vom Motto der "Antikapitalisten" ("Smash Nato, smash Siko") ist Schreer nicht begeistert: "Bescheuert" und "kindisch" sei das. "Wir protestieren, wir wollen aber nichts zerschlagen."

Ablehnend reagiert auch Siegfried Benker, Grünen-Stadtrat und regelmäßiger Besucher der Demos, auf die Rednerin Viett. Sie erweise dem Protest gegen die Konferenz einen "Bärendienst": "Es ist das falsche Signal, wenn Frau Viett auf einer antimilitaristischen Demo spricht." Man darf gespannt sein, wie sich die Personalie Viett auf das Anti-Siko-Bündnis auswirkt, dem knapp 100 Organisationen und Gruppen angehören, darunter Die Linke, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Mütter gegen Atomkraft und das Eine-Welt-Haus. Wie Schreer prophezeit auch Gudrun Schneeweiß heftige Diskussionen: "Das gibt noch ordentlich Zoff", sagt die Sprecherin von Pax Christi. "Es ist schade, wenn es ausgerechnet in der Friedensarbeit Streit gibt, aber da müssen wir durch."

Schon im Vorfeld, und unabhängig von der Ex-RAF-Frau, hat sich dieses Jahr ein zweites, wenn auch wesentlich kleineres Bündnis gebildet: "Kriegsrat - Nein danke" nennt es sich, ihm gehört unter anderem die ÖDP an, Attac unterstützt es. Dieser neue Zusammenschluss ruft zwar zur selben Demo auf. Man wolle aber, sagt Sprecher Hans Georg Klee, bewusst auch Gruppen ansprechen, die sich nicht der linken Szene zurechnen und so das Protestspektrum gezielt erweitern.

Teil der Protestbewegung ist auch die 11. Internationale Münchner Friedenskonferenz, die an diesem Freitag um 19 Uhr im Alten Rathaus beginnt und Samstag und Sonntag im Gewerkschaftshaus (Schwanthalerstraße 64) fortgesetzt wird. Informationen zum Programm unter www.friedenskonferenz.info.

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SZ vom 01.02.2013/tba
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