90 Jahre ist es her, dass die Nationalsozialisten in vielen deutschen Städten mehr als 20 000 Bücher verbrannten, die ihnen als "undeutsch" galten. Auch in München warfen sie am 10. Mai 1933 auf dem Königsplatz die Werke von Schriftstellerinnen und Schriftstellern wie Bertolt Brecht, Annette Kolb, Elisabeth Castonier, Thomas Mann, Gertrud Kolmar oder Irmgard Keun auf einen Scheiterhaufen. Viele von ihnen mussten in den folgenden Jahren aus Deutschland fliehen, manches Werk wurde vergessen.
Seit vielen Jahren stemmen sich Organisationen, Institutionen und Künstler wie Wolfram P. Kastner mit Gedenkveranstaltungen dem Vergessen entgegen - und in diesem Jahr sind es besonders viele. Schon traditionell zu nennen sind die großen Lesungen auf dem Königsplatz und Odeonsplatz. Auf dem Königsplatz wird Kastner um 10 Uhr einen Brandfleck in den Rasen sengen, von 11 bis 18 Uhr folgen unter dem Titel "München liest - aus verbrannten Büchern" fünfminütige Lesungen. Oberbürgermeister Dieter Reiter hat in diesem Jahr die Schirmherrschaft übernommen und liest wie unter anderen Kulturreferent Anton Biebl am Königsplatz sowie am Odeonsplatz bei der dortigen "Lesung gegen das Vergessen" (12 bis 14.30 Uhr).
Zahlreiche Veranstaltungen flankieren diese Großaktionen. Im NS-Dokumentationszentrum erinnert der Abend "Zuerst brannten die Bücher" daran, dass 1933 auch wissenschaftliche Werke verbrannt wurden, darunter sämtliche Bücher des Instituts für Sexualwissenschaft in Berlin. Der Medizinhistoriker Rainer Herrn und die Journalistin Magdalena Pulz sprechen über den Umgang des NS-Regimes mit Genderdiversität (19 Uhr).
Mit Lesungen und Vorträgen gedenken auch die Münchner Volkshochschule sowie die Münchner Stadtbibliothek. Unter anderem stellt die Autorin Bianca Schaalburg ihre Graphic Novel "Der Duft der Kiefern" im Motorama vor, die von Schuld und Verantwortung einer deutschen Familie handelt und 2022 als bestes Sachbuch mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde (19 Uhr).
Dass unter den verbrannten Büchern auch Werke der politisch engagierten Schriftstellerin Erika Mann waren, nimmt die Ludwig-Maximilians-Universität zum Anlass für den Start ihrer "Erika Mann Lectures" (19 Uhr). Wiebke Puls wird im Hauptgebäude am Geschwister-Scholl-Platz Texte von Erika Mann lesen, zudem spricht die Autorin Asal Dardan, als Tochter iranischer Eltern selbst von der Erfahrung des Exils geprägt, um aufzuzeigen, "dass es immer Menschen gab, die sich eingemischt und zur Wehr gesetzt haben".