Süddeutsche Zeitung

Knapper Wohnraum:Architekt will Buckingham Palace in Sozialwohnungen umbauen

50 000 Menschen könnten dort Platz finden. Für seinen nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag bekommt Benedikt Hartl heftige Kritik.

Von Michael Bremmer

Dieser Tage hat Queen Elisabeth II. Post aus München bekommen. Benedikt Hartl, 32, Architekt und Architektur-Dozent, hat ihr in den Schreiben seine Pläne für den Buckingham Palace erläutert, mit denen er bei einem Ideenwettbewerb über bezahlbaren Wohnraum in London einen Anerkennungspreis gewonnen hat. Hartl fragte an, ob es möglich sei, das Architekturmodell im Buckingham Palace auszustellen. Der Palast ist da vier Stockwerke höher als im Original - und hat auch ein paar Bewohner mehr.

Die Antwort steht noch aus. Und selbst wenn man die britische Zurückhaltung heranzieht, dürfte die Queen nicht sonderlich amüsiert sein von Hartls Vorschlag, das Königshaus in Sozialwohnungen umzubauen. "Affordable Palace" nannte er seinen Plan - einen Palast, für alle erschwinglich. Ein Plan, der in England und auch in anderen Ländern ein großes mediales Echo erhielt, nachdem eine Architekturzeitschrift darüber berichtete - inklusive böser Kommentare der Leser. Einige nannten den Vorschlag gar eine "Majestätsbeleidigung".

"Natürlich wollte ich mit dem Vorschlag provozieren", gibt Hartl zu. Die Idee, Buckingham Palace umzubauen, sei natürlich nicht ganz ernst gemeint gewesen. Hartl sagt: "Wir leben in einer komischen Zeit, in der Dinge weltweit passieren, die nicht passieren sollten." Warum könne man dann nicht darüber nachdenken, einen Palast in Sozialwohnungen, in bezahlbaren Wohnraum umzuwandeln. Billige Wohnungen sind in jedem Ballungsgebiet rar - nicht zuletzt deswegen finden häufig Architekturwettbewerbe zu diesem Thema statt. Meist werden dann Baulücken gefüllt, diese Vorschläge räumen später die Preise ab. "Aber damit ändern wir nichts." Entweder, so sagt Hartl, gebe es dann eines Tages den großen Knall, weil die Unzufriedenheit der Menschen zu groß ist. Oder aber, man überlegt sich auch mal radikale Lösungen.

"Bezahlbarer Wohnraum ist eines der wichtigsten sozialen Probleme in den Großstädten unserer Zeit", schreibt Hartl in seiner Projektbeschreibung. Das Vereinigte Königreich befinde sich mitten in einer Immobilienkrise, besonders zu spüren in London. Selbst Menschen mit einem guten Einkommen würden sich dort die steigenden Immobilienpreise bald nicht mehr leisten können. "Es gibt nur wenige, die mit ihrem Zuhause zufrieden sind. Eine ist die Queen", schreibt Hartl. 775 Zimmer und 78 Bäder gibt es im Buckingham Palace. Queen Elisabeth II. und ihr Mann leben dort - damit ist die Bevölkerungsdichte dort nicht vergleichbar mit dem Rest von London - daher: Das Königshaus "wartet auf seine Umnutzung zu Sozialwohnungen".

Ein "Affordable Palace" statt Buckingham Palace

Erschwingliche Wohnungen für 50 000 Einwohner könnten nach den Plänen Hartls entstehen. Die bestehenden und bisher ziemlich großen Zimmer sollen umgebaut werden, zudem ist eine mehrstöckige Erweiterung vorgesehen. Um möglichst viele Menschen unterzubringen, verzichtete Hartl in seinen Entwürfen auf Korridore, auch zeichnete er Faltwände ein, um Räume nach Bedarf neu zuweisen zu können. Am Ende soll ein "Affordable Palace" entstehen, ein Ort, um Menschen zu treffen, gemeinsam zu kochen und mit der königlichen Familie Tee zu trinken.

Mehr als 40 Zeitungen unter anderem aus England, USA, Japan, Russland, China und Brasilien berichteten darüber - und vor allem in der Boulevardpresse regten sich die Leser auf. "Warum um alles in der Welt möchten Sie einen schönen historischen Ort so zerstören? Diese Leute sind verrückt", schimpfte ein Daily-Mail-Leser. Ein anderer schrieb erbost, der Architekt solle sich nicht in englische Angelegenheiten einmischen. Neben diesen Attacken irritierte Hartl aber etwas anderes: "Es gab wirklich Diskussionen über fehlenden Brandschutz oder darüber, ob so etwas überhaupt zu genehmigen ist." Dabei sei der Beitrag doch nur eine Utopie gewesen.

Mittlerweile bekommt Hartl auch schon Post erboster Briten. "Ich würde es so nicht mehr machen", sagt er, das ist nicht mehr lustig - zumal sein Opposite Office nur ein kleines Architekturbüro sei, keine große Firma.

Benedikt Hartl studierte Architektur an der Technischen Universität in München, an der School Of Architecture and Design in Oslo und an der Ardhi University in Daressalam. An der TU München ist er zudem als Dozent tätig. Hartl ist bekannt für seine kritischen Vorschläge. 2018 beteiligte er sich an einem offenen Wettbewerb für ein Meeresmuseum in Portugal. Sein Vorschlag: ein Museum mitten auf dem Meer, das im Prinzip eine Plastik-Recyclinganlage ist. Auch hierfür bekam er eine Anerkennung.

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SZ vom 26.01.2019/baso
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