An Pfingsten feiern die Christen, dass der Heilige Geist über die Jünger Jesu kam, die daraufhin in fremden Sprachen zu reden begannen; ein Wunder, das sich übrigens beim jüdischen Fest Schawuot ereignete. Verschiedene Religionen, viele Sprachen - ein guter Ausgangspunkt, um sich an diesem Wochenende vielleicht, endlich, "Die Jakobsbücher" der polnischen Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk vorzunehmen, die man so gerne im März in München erlebt hätte. "Eine große Reise über sieben Grenzen, durch fünf Sprachen und drei große Religionen, die kleinen nicht mitgerechnet" verheißt der Untertitel ihres Opus magnum mit ehrfurchtgebietenden mehr als 1000 Seiten. Ein Buch mit ungewöhnlicher Dramaturgie, das - ausgehend von der Verfolgung der Juden im Polen des 18. Jahrhunderts - von der mystischen Bewegung des Grenzgängers Jakob Frank erzählt, aber auch von weisen Frauen wie der alten Jenta. Ein überbordendes, forderndes Buch, dessen Glutkern in Sätzen wie diesen liegt: "Letzten Endes betrachten die Menschen jedes Ding einzeln, losgelöst von allen anderen", sinniert eine der Figuren. "Die wahre Weisheit liegt in der Kunst, alles mit allem zu verbinden; dann erst tritt die wirkliche Gestalt der Dinge zutage."
Olga Tokarczuk: Die Jakobsbücher. Aus dem Polnischen von Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein, Kampa Verlag 2019, 1184 Seiten, 42 Euro