Buchtipp:Bezaubernder Sommer

Mr. Wilder & ich von Jonathan Coe, 280 Seiten, aus dem Englischen von Cathrine Hornung, Folio Verlag, 22 Euro. (Foto: N/A)

In seinem Roman "Mr. Wilder & ich" erzählt der britische Autor Jonathan Coe von einem Sommer in Los Angeles, in dem ein junges Mädchen zufällig den Regisseur Billy Wilder kennenlernt. Eine bezaubernde und wunderbar kluge Sommergeschichte.

Von Antje Weber

Ein großer Filmregisseur ahnt, dass die Welt nicht mehr haben will, was er zu geben hat - es ist Billy Wilder, der einen seiner letzten Filme dreht, "Fedora". Der britische Autor Jonathan Coe erzählt in seinem mitreißenden Roman "Mr. Wilder & ich" nicht nur, welche Hindernisse und Zweifel die Dreharbeiten zu "Fedora" in den Siebzigerjahren in Europa begleiteten. Von gründlichen Recherchen unterfüttert, zoomt er ganz nah auf den alternden Wilder in all seiner Widersprüchlichkeit und auch Schwere. Denn in diesem Roman können Kinofans zwar durchaus schwelgen; er ist bei aller Leichtigkeit jedoch todtraurig grundiert. Eine Schlüsselszene spielt in München: Bei einem Essen im Bayerischen Hof erzählt Billy Wilder in einer Runde, darunter die junge Ich-Erzählerin Calista als Crew-Mitglied, aus seinem Leben. Erzählt, wie er in den Dreißigerjahren ins Exil gezwungen wurde, viele Verwandte für immer spurlos in den Lagern der Nazis verschwanden. Welchen Einfluss das nicht nur auf sein Menschenbild, sondern auch auf seine Filme hatte, zeichnet Coe mit viel Gespür nach. Und auch wenn Billy Wilder irgendwann von jüngeren Filmemachern mit frischeren Konzepten abgelöst worden sein mag - Coe lässt keinen Zweifel daran, dass dieser Regisseur der Welt viel gegeben hat.

© SZ vom 15.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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