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Buchhalter für Schmiergeld?:Razzia bei CSU-Hoffnungsträger Christian Baretti

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Hausdurchsuchung bei CSU-Stadtrat Christian Baretti: Er soll bei seinen Eltern, die wegen des Verdachts der Bestechlichkeit in Haft sitzen, Schmiergelder verwaltet haben. Zudem ist er nun in der CSU-Affäre wegen gefälschter Anträge einer der Beschuldigten.

Von Berthold Neff

(SZ vom 6.9.2003) Der CSU-Stadtrat Christian Baretti hat nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft tatkräftig mitgeholfen, jene Schmiergelder zu verbuchen und auf andere Konten weiterzuleiten, mit denen seine Eltern als Angestellte der AOK von Kurkliniken bestochen worden sein sollen.

"Wir haben festgestellt, dass Christian Baretti bei diesen Geldflüssen als eine Art Buchhalter mitgewirkt hat", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld, Chef der Staatsanwaltschaft München I, am Freitag zur SZ.

Baretti nicht in Deutschland

Die Beträge, die Baretti verbuchte, schwankten zwischen 1000 und 5000 Euro. Die Staatsanwälte prüfen, wohin das Geld geflossen ist. Bei der Festnahme von Barettis Eltern durchsuchten die Polizisten auch seine Wohnung und beschlagnahmten dort diverse Unterlagen und Kontoauszüge sowie seinen Computer. Baretti war dabei nicht anwesend. Er befindet sich auf einer politischen Informationsreise in den USA, soll aber in diesen Tagen zurückkehren.

Neben den strafrechtlichen Folgen muss der 30 Jahre alte Baretti, der nach seiner Ausbildung zum Volkswirt im vorigen Jahr mit "magna cum laude" promovierte, auch mit einem Disziplinarverfahren rechnen. Er ist nämlich, nach einer kurzen Zeit in der Staatskanzlei als Redenschreiber von Ministerpräsident Edmund Stoiber, mittlerweile als Beamter im Finanzministerium beschäftigt.

Neu ist ebenfalls, dass Baretti auch in der Affäre um gefälschte Aufnahmeanträge und gekaufte Mitglieder im CSU-Kreisverband 9 (Ost) als Beschuldigter gilt. Diese zog bereits den vorläufigen Sturz des Münchner Junge-Union-Chefs Rasso Graber nach sich, der auf Drängen der neuen CSU-Bezirksvorsitzenden Monika Hohlmeier seine Ämter vorläufig ruhen lässt.

Diese Linie verfolgt die Kultusministerin offenbar auch im Fall Baretti. Falls es stimme, dass er in den Fall seiner Eltern sowie in die CSU-Affäre verwickelt sei, müsse er seine politischen Ämter bis zum Abschluss der Ermittlungen ruhen lassen, erklärte Monika Hohlmeier auf SZ-Anfrage.

CSU-Hoffnungsträger - und potentieller OB-Kandidat

Baretti galt bisher als CSU-Hoffnungsträger und als potenzieller OB-Kandidat. Bei der Stadtratswahl 2002, bei der er etwa 15.000 Euro für seinen Wahlkampf ausgab, verbesserte er sich von Platz 14 auf Rang 11.

Ende Mai stürzte er den CSU-Fraktionschef Hans Podiuk vom Vorsitz im CSU-Kreisverband 9 (Ost). Dieses Amt sowie seinen Sitz im Bezirksvorstand wird Baretti nun vorläufig niederlegen müssen.

Seit die Staatsanwaltschaft am 20. August in Rasso Grabers Truderinger Wohnung zur Razzia anrückte, war Baretti nur noch ein Mal zu sprechen. Die SZ erreichte ihn über Handy in Washington, wo er auf Einladung des State Departements eine dreiwöchige Informationsreise absolviert. Baretti sagte damals, er habe mit seinen Eltern telefoniert und alles sei in bester Ordnung. Bei ihm habe es keine Hausdurchsuchung gegeben.

Das änderte sich wenige Tage später, allerdings wegen des Bestechungsskandals bei der AOK, bei dem seine Eltern möglicherweise eine tragende Rolle spielen. Insgesamt sollen Kurkliniken einen sechsstelligen Betrag dafür gezahlt haben, AOK-Patienten bevorzugt überwiesen zu bekommen. Wie viel davon bei den Barettis landete, wird noch untersucht.

450 Euro pro Kopf

Der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld sagte jedoch, es gebe bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Bestechungsgeld für den Mitgliederkauf bei der CSU verwendet wurde.

CSU-Insider behaupten, dass die Mitgliedswerber Summen von bis zu 450 Euro pro Kopf nicht von Baretti, sondern vom CSU-Landtagsabgeordneten Joachim Haedke bekommen haben sollen (die SZ berichtete). Haedke bestreitet dies vehement.

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