Buch über Münchner Kneipen:"Alles Glück, auf engem Raum vereint"

Kollektive Seligkeit und ein Walkürenritt: Münchner Schriftsteller beschreiben in einem Buch ihre Stammkneipen. Die schönsten Liebeserklärungen.

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Kollektive Seligkeit und ein Walkürenritt: Autoren aus der Stadt beschreiben in dem Band "Das Münchner Kneipenbuch" ihre Stammlokale. Zwölf Liebeserklärungen.Michael Sailer über das Zum Jennerwein"Hier ist alles, was man braucht zum Glück, auf engem Raum vereint: gute Menschen, kaltes Bier, mehr Coolness als in vierzig Mitchum-Filmen, die abseitigste Musik der weiten tiefen Welt, die selbst den Fachmann in Abständen begeistert hin zum DJ rennen lässt und fragen, was das sei, was so geil lärmt, und vor allem: kollektive Seligkeit, egal was sonst passiert, hier sind wir eins und bleiben's noch im ärgsten Streit."Zum Jennerwein, Belgradstraße 27, Schwabing.Michael Sailer, geboren 1963, schrieb zuletzt "Schwabinger Krawall. Irrwitzige Geschichten aus der Münchner Vorstadt".Foto: Auginski

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Jaromir Konecny über das Substanz"Das Substanz war die erste Kneipe, in die ich wegen der Kultur ging, und nicht, um mit Bier mein Bewusstsein zu erweitern."Substanz, Ruppertstraße 28, Schlachthofviertel.Jaromir Konecny, geboren 1956 in Prag, ist neben Michael Sailer und Moses Wolff Mitglied der Schwabinger Schaumschläger Show, die jeden Sonntag im Vereinsheim in Schwabing stattfindet. Zuletzt erschien von ihm das Buch "Doktorspiele".Foto: Fließ

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Nikolai Vogel über das Favorit"Früh hier sein ist auch schön! Kurz vor zehn, wenn noch Platz ist. Zusehen, wie der DJ kommt. Sich überlegt, was für eine Musik er wohl spielen wird. Ist ja immer anders. Jeder Abend ein eigener. Das erste Bier trinken. Hinter der Bar geht es noch gemächlich zu. Handgriffe für später. Tröpfeln so rein. Gruppen, Pärchen, Einzelgänger. Düfte sortieren. Warten auf Freunde. Langsam in Gang kommen. Na also, da bist du ja!"Favorit, Damenstiftstraße 12, Altstadt.Von Nikolai Vogel, geboren 1971, erschien zuletzt "Der König schläft im Schloss Remix".Foto: Hess

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Hans Pleschinski über die Deutsche Eiche"Die Namen der Prominenz, die unterm berühmten Knödelgemälde in der Eiche abendlich verschnaufte, sind verbürgt, aber nicht aufzuzählen. Brigitte Mira, auf Besuch in München, könnte mit Maria Schell oder Johannes Heesters geplaudert haben, wohingegen der Komponist Hans-Werner Henze in einer blütenschönen jungen Frau vielleicht noch nicht die spätere Veronica Ferres erahnen konnte. Schwul blieb die Grundstimmung des Hauses, das heißt offensichtlich einladend für jedermann, der Swing und Witz genießen wollte, oder Melancholien von künstlerischem Format. Zumeist war die Eiche auch schlicht der Port nach manchem Sturm des Tages und Lebens."Deutsche Eiche, Reichenbachstraße 13, Glockenbachviertel.Hans Pleschinski, Jahrgang 1956, veröffentlichte zuletzt das Buch "Ludwigshölle".Foto: Eberl

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Fridolyn Schley über das Stoa"Es gibt nicht viele Plätze wie diesen, an denen für immer zu bleiben man sich vorstellen könnte, ohne befürchten zu müssen, etwas vom Leben zu verpassen. Denn immer ist hier etwas in Bewegung - auf der einen Straßenseite formieren sich Jugendgruppen zu konspirativen Gesprächen, während auf der anderen ihre Väter und Großväter lautstark auf Türkisch oder Griechisch Preise und Politik diskutieren, ohne Unterlass wird etwas zum Kauf angeboten oder getauscht, ständig tönt Jammern und Schimpfen aus offenen Fenstern, nur um schon im nächsten Augenblick von Gelächter überdeckt zu werden. Zu jeder Tageszeit wird irgendwo in Sichtweite ein Fahrrad repariert oder eine Wohnung aus- und eine andere eingeräumt."Stoa, Gollierstraße 38, Westend.Der Münchner Fridolyn Schley, 32 Jahre alt, hat zuletzt das Buch "Wildes Schönes Tier" veröffentlicht, das mit dem Tukan-Preis ausgezeichnet wurde.Foto: Rumpf

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Norbert Niemann über das Weiße Bräuhaus"Im Weißen Bräuhaus gibt es eine Kost, die man selbst auf dem Land kaum mehr findet. Die Rede ist von der Innereien-Küche, die neben Breze, Weißwurst und süßem Senf ebenfalls eine urbayerische Spezialität ist."Weißes Bräuhaus, Tal 7, AltstadtVon Norbert Niemann, Jahrgang 1961, erschien zuletzt "Willkommen neue Träume".Foto: Haas

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Daniel Jaakov Kühn über das Café Gap"Dieser Kneipe, so denkt man sich, scheint eine unsichtbare Kraft, etwas unsagbar Schönes, aber eben nicht sichtbar Schönes innezuwohnen. Die Musik erkennt man auf Anhieb. Kein Kuba-Singsang. Kein Ambient-Singsang. Ganz roh und einfach: The Cure. Ja, gibt's denn so was?"Café Gap, Goethestraße 34, LudwigsvorstadtDaniel Jaakov Kühn wurde 1972 in Dachau geboren. Zuletzt erschien von ihm "Jakos Reisen".Foto: Rumpf

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Thomas Glatz über das X-Cess"Ein magischer Moment: Gegen elf wird der rote Samtvorhang vor dem Fenster zugezogen und der ehemalige Dönerladen verwandelt sich in ein Wohnzimmer. Immer mehr Leute kommen und das Wohnzimmer verwandelt sich nach und nach in einen übervollen Club."X-Cess, Kolosseumstraße 6, GlockenbachviertelThomas Glatz, Jahrgang 1970, schrieb zuletzt "Der König schläft im Schloss Remix". Foto: Rumpf

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Katja Huber über den Flaschenöffner"30. Januar, 200x, vier Uhr morgens. (...) Des Barkeepers Frage 'Und wie geht's?' beantworteten wir mit entsprechender Offenheit. 'Beschissen', rief ich in den so gut wie menschenleeren Raum und stellte mich schon auf ein 'issen, issen, issen!' ein. Das negative Echo aber kam von meinem alten Bekannten Andreas. 'Nie ging's schlechter!' sagte der, und wir fingen uns einen triumphierend-mitleidigen Blick vom Barkeeper ein. 'Na also!' sagte der, glich unseren Zustand innerhalb von Sekunden mit dem des Spirituosenregals ab, und entschied sich für mit Wasser versetztes Frostschutzmittel. Streugut, Streubesser, Wodka!"Flaschenöffner, Fraunhoferstraße 37, Glockenbachviertel.Katja Huber, Jahrgang 1971, veröffentlichte zuletzt "Fernwärme".Foto: muenchenblogger

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Ralf Bönt über das Charivari"Das Charivari roch sauer, es roch nach Alkohol, wie eine englische Kneipe mit Teppichboden und täglich überschwappenden Pints. Der Zigarettenrauch war immer von gestern und letzter Woche, er kam aus den Vorhängen, aus den Sitzpolstern der Stühle und Bänke, auf die zu setzen man sich überwinden musste, um es gleich zu vergessen. Von den gehäkelten kleinen Tischdecken aus Nylon stieg, so meinte man, kalte Asche auf."Charivari, Türkenstraße 92, Maxvorstadt.Ralf Bönt, Jahrgang 1963, schrieb zuletzt "Berliner Stille".Foto: Haas

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Stefan Wimmer über die Trinkhalle"Die Kutscher Stubn, der Arroz Doce, das Frágil, die Klenze 17, das Sopa de Ganso, das Tresznjewski, das Pearls, das Barracuda, der Rexo Club ... - all diese Bars waren Läden, die einem zu größerer Balance verhalfen als hundert Stunden Psychoanalyse, Saufpaläste, in denen man auf den Alkoholfluten surfte wie ein polynesischer Wellenreiter und die man selten ohne weibliche Begleitung verließ. (...) Vor kurzem hat ein Lokal eröffnet, das dem Ideal einer Bar sehr nahe kommt: die Trinkhalle."Trinkhalle, Baaderstraße 68, Glockenbachviertel.Von Stefan Wimmer, geboren 1969, erschien zuletzt "Der König von Mexiko".Foto: Hess

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Arwed Vogel über den Türkenhof"Wir kamen immer um Zwölf, bekamen auf dem Weg zum Tisch ein Helles über die Theke gereicht, wir redeten nicht, man musste ja nicht reden. Schließlich wussten wir, dass etwas passieren konnte, wenn man redete, und wir wollten nicht, dass etwas passierte, weil dann Gefahr bestand, dass man am nächsten Abend nicht mehr hier sitzen konnte, und so saßen wir, meistens schweigend, hielten genau drei Helle lang die Zeit an, warteten auf den Walkürenritt, der ohrenbetäubend um eins zur letzten Bestellung aufforderte, und mit diesem letzten Bier hatten wir eine halbe Stunde gewonnen, konnten den Bedienungen beim Zählen des Geldes und Abwischen der Tische zusehen, hatten das Recht erworben, als Letzte den Türkenhof zu verlassen."Türkenhof, Türkenstraße 78, MaxvorstadtVon Arwed Vogel, geboren 1965, erschien zuletzt "Die Haut der Steine".Alle Zitate sind dem Buch: "Das Münchner Kneipenbuch. Münchner Autoren und ihre Kneipen" entnommen, herausgegeben von Björn Kuhligk und Tom Schulz, Berliner Taschenbuch Verlag, Mai 2009, 9,95 Euro.Foto: Sonnabend(sueddeutsche.de/Lisa Sonnabend/sus)

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