Brutale Selbstjustiz:Zur Strafe verbrüht und verbrannt

Urteil wegen schwerer Misshandlung: Eine 23-Jährige hatte ihre Stieftochter mehrmals Verbrennungen zugefügt. Laut Gericht wird das Mädchen "sein Leben lang an den Folgen leiden".

Christian Rost

Wegen schwerer Misshandlungen ihrer Stieftochter ist eine 23-Jährige vom Landgericht München I zu einer fünfjährigen Jugendstrafe verurteilt worden. Die aus dem Senegal stammende Frau hatte im Mai vergangenen Jahres die damals Sechsjährige zur "Bestrafung" unter der Dusche derart massiv mit heißem Wasser verbrüht, dass sich das Kind in Lebensgefahr befand. Der 42-jährige Vater der Kleinen muss nach dem Urteil drei Jahre wegen Unterlassung in Haft. Er hatte seine Tochter erst nach fünf Tagen in ein Krankenhaus gebracht.

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Martialische Strafe: Ramata S. drückte die Hand ihrer Stieftochter auf eine heiße Herdplatte.

(Foto: dpa-tmn)

Der Vorsitzende Richter der Jugendkammer, Reinhold Baier, sprach in der Urteilsbegründung am Freitag von einem "außergewöhnlichen Fall". Die Angeklagte sei "heillos überfordert gewesen" mit der Erziehung des Mädchens und habe sie aus nichtigen Gründen "martialisch" bestraft. Laut Anklage hatte Ramata S. das Kind bereits 2008 unter der Dusche verbrüht, weil es in einem Geschäft eine Süßigkeit eingesteckt hatte.

Aus Ärger über ihre Stieftochter warf sie sie auch in die Luft und ließ sie auf den Boden fallen. Anschließend trat S. mit den Füßen auf sie ein. Ein anderes Mal drückte die Frau eine Hand des Mädchens auf eine heiße Herdplatte. Den letzten Übergriff hätte das Kind beinahe nicht überlebt. Weil es erneut im Bett genässt hatte, zerrte die Stiefmutter es unter die heiße Dusche und hielt ihm mit einem Lappen den Mund zu, um Schmerzensschreie zu unterdrücken.

An zehn Prozent der Hautoberfläche erlitt das Opfer Verbrennungen zweiten und dritten Grades, es mussten Transplantationen vorgenommen werden. Als sich der Vater fünf Tage nach der Tat schließlich doch entschlossen hatte, seine Tochter in die Klinik Dritter Orden zu bringen, hatte der Körper des Mädchens schon damit begonnen, sich auf seine Vitalfunktionen zurückzuziehen. Die verbrühten Hautstellen begannen sich bereits großflächig abzulösen.

Die Stiefmutter und der Vater legten zu Prozessbeginn Geständnisse ab. Die Frau begründete ihr Verhalten mit einem "distanzierten Verhältnis" zu ihrer Stieftochter. Das Gericht erachtete eine Jugendstrafe gegen Ramata S. als angemessen, weil sie beim ersten Übergriff noch Heranwachsende war.

Angeklagte wurde als Kind beschnitten

Zugunsten der Angeklagten wertete die Jugendkammer ihre eigenen schwierigen Lebensverhältnisse. In ihrer Kindheit im Senegal sei sie selbst von ihrer Mutter geschlagen worden. Sie sei - wie auch ihre Stieftochter - beschnitten worden. Die Ehe mit ihrem fast 20 Jahre älteren Mann, der ebenfalls aus dem Senegal stammt und vorher zweimal verheiratet war, sei arrangiert worden. In München habe S. ohne jegliche Sozialkontakte in völliger Abhängigkeit von ihrem Mann gelebt. Abwechslung in ihrem Tagesablauf habe lediglich der ständig laufende Fernseher geboten.

Das Paar hat sich inzwischen getrennt. Das Mädchen und die beiden Buben, die S. mit dem 42-Jährigen bekommen hat, sind in Pflegefamilien untergebracht. Der Umgang mit dem Mädchen, das laut Richter Baier "sein Leben lang an den Folgen psychisch und körperlich leiden wird", ist dem Vater untersagt.

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