Brunnen in München:Schön zudecken

Brunnen in München: Blick vom Rathausturm auf den Fischbrunnen.Er gehört zu den städtischen Brunnen und wird im Winter mit Holz abgedeckt.

Blick vom Rathausturm auf den Fischbrunnen.Er gehört zu den städtischen Brunnen und wird im Winter mit Holz abgedeckt.

(Foto: Robert Haas)

Im Sommer sind sie ein beliebter Treffpunkt, im Winter werden sie fast unsichtbar: 700 Brunnen gibt es in München, 186 werden vor jedem Winter zugedeckt. Das ist Teamarbeit - und dauert manchmal pro Brunnen mehrere Tage.

Von Katharina Hartinger

Herbert Zintl wäre ein würdiger Kandidat für "Wetten, dass . . ?". Er steht in einer Halle voller Holz, mit dem man ein halbes Fußballfeld abdecken könnte - und kennt jedes Brett. Hier in der Ständlerstraße lagern Balken, Platten und kleine turmspitzenartige Hauben aus Fichtenholz. Es riecht nach Holz und der Farbe, mit der einige Bretter gerade gestrichen wurden. Der 52-jährige Zimmermann zeigt kurz auf einen nicht erkennbar beschrifteten Stapel und erklärt sofort: "Das ist der Esplanade-Brunnen aus der Ganghoferstraße."

Natürlich lagert hier nicht der Brunnen an sich. Es ist die maßgefertigte Winterabdeckung, die das Bauwerk schon bald vor Winterschäden und Verschmutzung schützen soll.

Fichtenholz schützt die Brunnen gleich doppelt

Knapp 700 Brunnen gibt es in München. 186 davon sind städtische, die - von 18 besonders repräsentativen wie dem Fischbrunnen abgesehen - allesamt im Winter abgedreht und zugedeckt werden. Herbert Zintl arbeitet als Zimmermann bei der Stadt und ist seit 27 Jahren für die hölzernen Mäntel verantwortlich. Das bedeutet: Er deckt die Brunnen im Herbst zu und im Frühjahr wieder auf. In der Zwischenzeit repariert er die verschiedenen, eigens angepassten Holzelemente und hält sie instand.

Von Anfang November an werden Herbert Zintl und sein Kollege Necati Yildirim zusammen mit sechs Helfern der Reihe nach alle Brunnen winterfest machen. Die Holzabdeckung aus robustem und haltbarem Fichtenholz schützt die Brunnen gleich doppelt: Zunächst verhindert sie, dass sich Wasser im Becken sammelt und durch sein Gefrieren Steine oder Fugen beschädigt. Außerdem staut sich unter dem Dach aus Holz ein vergleichsweise warmes Luftpolster an, das den Brunnen und die dazugehörigen Leitungen ebenfalls vor Frostschäden schützt.

Pro Brunnen braucht er zwischen 6 Minuten und 1,5 Tage

Mit dem Zudecken beginnt Herbert Zintl stets bei den großen Brunnen in der Innenstadt, um diese so früh wie möglich gegen Schnee und Kälte zu wappnen. Wie lange es dauert, einen Brunnen abzudecken, hängt von der Größe ab. Für die vier Deckel des Brunnens am Mariahilfplatz braucht Zintl gerade einmal sechs bis sieben Minuten. Ganze eineinhalb Tage veranschlagt der Zimmermann dagegen für den Wittelsbacher Brunnen am Lenbachplatz, flächenmäßig der größte in München.

Brunnen in München: Der Herrscher der Münchner Brunnen: Herbert Zintl.

Der Herrscher der Münchner Brunnen: Herbert Zintl.

(Foto: Stephan Rumpf)

Am Rand des Brunnens zeigt Herbert Zintl mit einer Hand, wie hier bald das Untergestell quer durch den Brunnen verlaufen wird, auf dem die Deckel befestigt werden. Er gestikuliert wie ein Dirigent, der den Holzbalken ihren Einsatz gibt. Zintl trägt festes Schuhwerk und wirkt so drahtig und sportlich, als wäre er das ganze Jahr in den Bergen und nicht an den Brunnen.

Um einen der Deckel des Wittelsbacher Brunnens hochzuheben, braucht es vier Männer, erklärt der Münchner in schönstem Münchnerisch. Vier bis fünf Wochen dauert es letztlich, bis alle Brunnen winterfest und abgedeckt sind. Damit ist die Arbeit aber nicht getan, während des Winters sind Reparaturen nötig. Schließlich fahren besonders in der Fußgängerzone gerne einmal Schneeräumer gegen die Holzkonstruktionen.

Alle Figuren des Märchenbrunnens einzeln abgedeckt

Im Sommer steht das Reparieren und Streichen der Abdeckungen an. Dann lagern alle Einzelteile wieder in der Halle neben alten Trambahnen der MVG. Wird ein neuer Brunnen gebaut, rückt Herbert Zintl aus und nimmt Maß. Mit Hilfe von Zeichnungen entsteht dann eine Holzkonstruktion, die auf den jeweiligen Brunnen abgestimmt ist. So werden zum Beispiel alle sieben Figuren des Märchenbrunnens vor dem Oskar-von-Miller-Gymnasium einzeln abgedeckt.

Der Lieblingsbrunnen? Es fällt Zintl schwer, sich für einen zu entscheiden. Er wählt letztendlich den Brunnen am Rindermarkt, weil ihn die Größe und die Wasserführung an einen Wasserfall im Gebirge erinnern. Außerdem erzählt Zintl, dass es auch ein paar kaum bekannte Brunnen in München gibt; den Quellenbrunnen am Neudeck bei der Polizeistation in der Au zum Beispiel, oder einige Brunnen im Schlosspark Nymphenburg. Sogar einen waschechten Jungbrunnen glaubt er in München entdeckt zu haben: "Wenn man ein bisserl dran glaubt, und wenn man Münchner ist - der Brunnen am Viktualienmarkt, vor der Hofpfisterei, ich glaube, das wäre so ein Ding."

"Der hat die bayrische Ruhe weg"

Wenn der 52-Jährige an einem kühlen Herbstmorgen in kurzer blauer Hose vor dem bereits abgedrehten Wittelsbacher Brunnen steht, sieht er sofort, was noch zu tun ist. Er deutet mit der Hand auf jede einzelne Laubansammlung im leeren Becken wie ein Schiedsrichter auf den Elfmeterpunkt: Die Blätter dort müssten unbedingt noch entfernt werden, sonst gebe es Flecken auf den Steinen. Vor allem feuchtes Eichenlaub mit seinem relativ hohen Säuregehalt verursache solche Flecken, wenn es zu lange liegt.

Bevor Herbert Zintl beginnen kann, dem Brunnen seinen hölzernen Mantel umzulegen, werden Pumpen und Lampen ausgebaut. So könne man die Pumpen warten, Lampen reinigen und verhindere dabei Frostschäden. Der Zimmermann erzählt gerne, wie viel Technik, aber auch ganzjährige Arbeit hinter den Brunnen in München steckt.

Computergesteuert sind viele Brunnen

Der 52-Jährige ist nicht der Einzige, der sich hauptberuflich mit den Brunnen beschäftigt. Während er das Holz liefert, kümmert sich Christian Stäblein um das Wasser. Vier Mann von den Stadtwerken sind ständig mit der Reinigung der Becken und mit anfallenden Reparaturen beschäftigt. Nach dem Oktoberfest beginnt Christian Stäblein jedes Jahr mit seinem Team, die Brunnen abzudrehen. Das bedeute aber keineswegs, an jedem Brunnen einen einzelnen Hahn zuzudrehen: Computergesteuert sind viele Brunnen heute und technisch gesehen damit auf dem neuesten Stand.

Brunnen in München: Der Brunnen neben der Michaelskirche in der Kaufinger Strasse - auch er wird im Winter schön zugedeckt.

Der Brunnen neben der Michaelskirche in der Kaufinger Strasse - auch er wird im Winter schön zugedeckt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Mehrere Wochen dauert es, bis sie alle Brunnen abgestellt haben, sagt Christian Stäblein. Im Winter muss er dann zusammen mit seinen Kollegen die ganzjährig laufenden Brunnen eisfrei halten. Da in Frischwasserbrunnen wie den am Viktualienmarkt ständig elf Grad warmes Wasser durch die Leitungen fließt, vereisen solche "Dauerläufer" nicht. Eine besondere Herausforderung stellt allerdings das Brunnenbuberl am Stachus dar. An der Figur bilden sich manchmal ganze Eisblöcke, die entfernt werden müssen, erzählt Christian Stäblein. Dafür verwendet er aber nicht etwa einen Bunsenbrenner, sondern Wasser aus dem Brunnen, das mit Hilfe eines Aggregats angewärmt wird. So wird dann tatsächlich das Eis geschmolzen und nicht die Bronzefigur selbst.

"So kann ich für München schauen, dass alles passt"

Herbert Zintl beginnt mit dem Zudecken, wenn das Team von den Stadtwerken schon wieder weg ist. Stäblein schätzt an Zintl nicht nur dessen zügige Arbeitsweise, sondern auch seine ruhige Art: "Der hat die bayrische Ruhe weg", bemerkt Christian Stäblein.

Wenn er im Urlaub einen Brunnen sieht, denkt Herbert Zintl nach eigenen Angaben schon einmal darüber nach, wie er ihn winterfest machen würde. Sogar seine Frau diskutiert die Ideen dann mit ihm. "Es verfolgt einen schon", sagt Herbert Zintl und wirkt nicht unglücklich dabei. Die Faszination sieht der 52-Jährige vor allem im Wasser. Fast poetisch klingt es, wenn er beschreibt, wie schön das wirbelnde, spritzende Wasser in einem Brunnen doch sei. Eng damit verbunden ist wohl auch der Reiz, der in seiner eigenen Aufgabe liegt. Es liegt ihm am Herzen, etwas Schützenswertes zu erhalten, etwas für die Stadt zu tun: "So kann ich für München schauen, dass alles passt."

Am letzten Montag im März wird Herbert Zintl anfangen, seine 168 Brunnen der Reihe nach aus dem Winterschlaf aufzuwecken, wenn es die Witterung erlaubt. Dann füllt sich die Halle wieder mit Holz und die Arbeit geht weiter. Damit die Wintermäntel von Münchens Brunnen nicht löchrig werden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: