Kritik:Effektvoller Knaller

Elim Chan treibt das BRSO im Herkulessaal zu dynamischen Extremen. Rudolf Buchbinder wirkt mit seiner stilistischen Eleganz wie ein Gegenpol.

Von Rita Argauer

Schon der Anfang sitzt: Beethovens "Egmont"-Ouvertüre, sowieso ein Stück mit einer gewissen Dramatik, wird unter der Leitung von Elim Chan zum Ausrufezeichen. Den Anfangsakkord beschwört sie zentriert aus dem Orchester heraus. Danach geht sie in dynamische Extreme und knallende Effekte. Das funktioniert, weil die 1986 in Hongkong geborene Dirigentin mit dem Symphonieorchester des BR im Herkulessaal extrem genau ist. Die Einsätze, die Lautstärken - alles ist schneidend präzise auf Ziel und Wirkung getrimmt.

Mit Rudolf Buchbinder bekommt sie anschließend aber fast eine Art Gegenspieler. Die Orchestereröffnung von Mozarts Klavierkonzert in c-Moll, KV 491, klingt noch wie der Egmont. Zuerst ein belegter Streicherklang, dann in der Wiederholung wie auf Knopfdruck strahlende Brillanz. Doch dann setzt Buchbinder ein, etabliert einen klaren, aber zurückgenommenen Ton, spielt die Läufe bescheiden. Setzt auf Eleganz und perlenden Klang.

Im zweiten Satz kommen Orchester und Solist dann besser zusammen: Buchbinder spielt mit schlichter Schönheit. Chan lässt das Orchester wie einen natürlichen Verstärker dazu wirken. Und auch im Finale zeigt Buchbinder mit einem toll hüpfenden, aber nie aufdringlichen Anschlag, dass er hier nichts mehr beweisen muss. Doch der Konflikt zwischen Chans effektreichem Dirigat und Buchbinders stilistischer Eleganz löst sich nie ganz auf.

Denn Elim Chan sucht musikalisch etwas anderes als Buchbinder. In Tschaikowskys Symphonie Nr. 2 stellt sie das abschließend noch einmal in voller Gänze aus. Setzt wieder mit höchster Akkuratesse auf Dynamik und Präzision. Crescendi laufen beinahe räumlich durchs Orchester. Die einzelnen Stimmen liegen transparent übereinander, und immer im genau wirkungsreichsten Moment lässt sie es knallen. Kein Schwelgen, wenig Atem, auch im Metrum, Chan peitscht Takt und Tempo. Das ist manchmal ein wenig anstrengend, aber trotz der Effekt-Dichte so auch nie kitschig, sondern ungemein modern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: