Süddeutsche Zeitung

Konzert:New Yorker Quartett-Kunst

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Die Brentanos zeigen im Bad Tölzer Kurhaus einmal mehr, warum sie zu den besten Streichquartetten der Welt gehören.

Von Paul Schäufele, Bad Tölz

Der Fluch ist gebrochen, Dornröschen wachgeküsst, das Brentano String Quartet spielt im Bad Tölzer Kurhaus. Fünf Mal musste das Konzert abgesagt und wieder auf den Plan der quartettissimo-Reihe gesetzt werden, nun unmittelbar vor Start der vierten Saison. Doch alle, die seit März 2019 auf den Auftritt des New Yorker Ensembles gewartet haben, wurden reich entschädigt: Die Brentanos gehören zu den besten Streichquartetten der Welt. Ihre Gabe, komplexe musikalische Prozesse in Klangbilder von ausgesuchter Schönheit zu verwandeln, ist ohnegleichen. So fallen die eng gestaffelten Einsätze im Kopfsatz von Joseph Haydns D-Dur-Quartet Opus 71 Nummer 2 nicht wie Dominosteine übereinander. Vielmehr wird ein Aufbau hörbar, eins entsteht aus dem anderen - Konstruktivität und Logik sind die Basis dieser Quartett-Kunst.

Für den elegant ausgesungenen Haydn gilt das wie für Strawinskys "Drei Stücke für Streichquartett", auch wenn die 1914 entstandenen Miniaturen weniger auf rationalen Nachvollzug setzen als auf radikale Verdichtung. In fünf Minuten bringt das Quartett so eine konzentrierte Erzählung auf die Bühne, eine Trilogie von Aufbruch, Suche und ausgebranntem Innehalten. Eine solche Absage an tradierte Formen hat Schubert nicht gewollt, eher deren Verschleierung. In seinem G-Dur-Quartett (D 887) expandiert das Material so, dass es kaum noch in die üblichen Verfahren passt. Das Brentano Quartet nähert sich dem Stück mit einer Überlegenheit, die Staunen macht. Jedes Detail wird auf behutsame Weise integriert in die sich ausbreitende Entwicklung. Das Tremolo des Kopfsatzes wird zum wichtigen Baustein. Es ist der Ausgewogenheit des Quartetts zu verdanken, dass dennoch nichts übergestaltet wird, dass aus gegensätzlichen Positionen kein Konflikt konstruiert wird, sondern eine spontane, lebendig musizierte Vermittlung: Detail und Ganzes, schlichte Liedmelodie und intellektuell fordernde Struktur schießen zusammen. Das Ergebnis überwältigt.

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