Süddeutsche Zeitung

Klavierjazz:Der Alchemist

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Der Pianist Brad Mehldau verzaubert solo das Prinzregententheater.

Von Oliver Hochkeppel

"Ich freue mich, endlich hier sein zu können", beginnt Brad Mehldau seine erste Ansage nach einer halben Stunde, "danke für Ihre Geduld." Zwei Jahre lang war sein Auftritt im Prinzregententheater viermal verschoben worden. Wer seine Karte behalten hatte, bekam nun auf den ersten Blick eine Mogelpackung: Statt mit dem seinerzeit angekündigten Trio spielte Mehldau solo. Was aber sicher die wenigsten reklamieren wollten, sind doch seine Solo-Auftritte vergleichsweise selten. Und man kann noch klarer seine Geheimnisse ergründen, bei einem bunter gemischten Programm als üblich.

Zwei Radiohead-Songs hatte er beispielsweise im Gepäck, einige Eigenkompositionen, einen David Bowie, einen Neil Young oder einen Gershwin als letzte von drei Zugaben. Aber auch schon einen beachtlichen Ausblick auf das unlängst erarbeitete Beatles-Programm mit eher unbekannteren Titeln wie "I Am The Walrus", "Dear Prudence", einem zum Rausschmeißer-Lullaby verwandelten "Golden Slumbers" oder "Your Mother Should Know", das dem im Frühjahr erscheinenden Album den Titel leiht. Ein Pop-Potpourri also als Basislager für die Expeditionen ins Reich der Mehldau-Musik.

Zu seiner Methode gehört zunächst die Reduktion auf das Wesentliche. Ganz sachte wird fast immer die Melodie eingeführt, gerne von der beachtlichsten linken Hand aller Jazzpianisten zweistimmig begleitet. Dann wird sie variiert, mit Swing oder Groove angereichert, dynamisch gesteigert, durch die halbe Musikgeschichte geführt, zur Etüde oder zur Hymne verwandelt. Selbst Wiederholungen sind nie gleich, es fällt Mehldau immer etwas anderes ein, wenn er in seiner typisch tiefen Haltung in die Tastatur zu kriechen scheint. Das Ergebnis ist nach wie vor die alchemistische Quadratur des Kreises: komplexe, herausfordernde Klänge, die doch nie den Verständnisrahmen sprengen. Selbst das Dissonante, Atonale wird bei Mehldau Wohlklang. Und der sogenannte Jazz so sehr zur neuen Klassik wie bei keinem anderen.

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