Kritik:Außer Atem

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Manfred Honeck dirigiert in der Isarphilharmonie das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Solist Igor Levit beeindruckt am Flügel mit seiner bedingungslosen Hingabe.

Von Sarah Maderer, München

Ohne großes Aufheben nimmt Igor Levit am Flügel Platz, fügt sich als Solist ganz ein in die Reihen des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO). Ein stimmiger Auftakt zum ersten Programmpunkt des Abends, Brahms' Erstes Klavierkonzert in d-Moll, denn trotz der konzertanten Form hat Brahms hier seinen ersten sinfonischen Versuch gewagt.

Schon der kraftvolle Kopfsatz greift tief in den Klangfarbentopf. Levits Hingabe an das Orchester und die Musik ist bedingungslos. Wären die dichten Bogenstriche der Geigen Ähren im Wind, wiegt er sich darin, als wäre er eine von ihnen; dem Solo-Horn schenkt er beim gemeinsamen Spiel ein schwelgerisches Lächeln; und wird es im Solopart intim oder sakral wie im feierlichen Adagio, dem "Zentrum des Werks", wie es der Dirigent des Abends Manfred Honeck nennt, senkt Levit den Kopf tief zur Brust, näher an Herz und Hände. Nach einer übermütigen Coda im finalen Rondo erntet Levit stürmischen Applaus, dem man die 25-Prozent-Auslastung der Isarphilharmonie kein bisschen anhört.

Wie sein Freund und Mentor Brahms spielt auch Antonín Dvořák in seiner Achten Symphonie mit Form und Inhalt. Anfänglich vom Komponisten als sinfonische Dichtung betitelt, ist dem Werk der programmatische Inhalt anzuhören: Vogelgesänge werden in den ersten beiden Sätzen wie ein Staffelstab durch die Register gereicht, die Dumka, ein melancholisches slawisches Volkslied, lässt Honeck im dritten Satz zwischen Standbein und Tanzbein wiegen, im stürmischen Finale schnattern die Bläser und klappern die Bratschen col legno. Dass diese Symphonie Honeck schon seit 40 Jahren begleitet, ist der Darbietung anzuhören und doch hat er sie noch nicht satt: "Dieses Werk ist so reichhaltig, da ist alles drin, was man erleben kann als Mensch." Kein Wunder, dass er sich den Bravo-Rufen des Publikums ganz außer Atem zuwendet, bei all dem Erlebten.

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