Prozess in München:Klage wegen irreführender Werbung

Ein Unternehmen wirbt damit, Luft "zu 99,99 Prozent" von Viren zu befreien. Ob es das weiter darf, entscheidet nun ein Gericht.

Von Stephan Handel

Niederding bei Oberding im Landkreis Erding ist in den vergangenen Wochen durch alle großen Zeitungen in Deutschland gereicht worden, weil dort eine Hoffnung für die Corona-gebeutelte Kulturszene daheim zu sein schien: Die Firma BPS versprach, mithilfe von Wasserstoffperoxid, Ultraschall und Düsengeräten die Luft von zum Beispiel Konzertsälen "zu 99,99 Prozent" von Viren, Bakterien und anderem Schweinkram zu reinigen. Bevor das Unternehmen aber den Beweis für seine Versprechen antreten konnte, fand sich der Geschäftsführer am Montag erst einmal als Beklagter am Landgericht wieder: Eine andere Firma hatte die Werbe-Aussagen moniert, diese seien irreführend und deswegen nicht erlaubt.

Monika Rhein, die Vorsitzende Richterin, hatte einen mehr als anstrengenden Vormittag - obwohl es zunächst nur um eine einstweilige Verfügung ging: Der Geschäftsführer von BPS und mehr noch sein Rechtsanwalt sind offensichtlich so überzeugt von der Wirksamkeit der Methode, dass sämtliche Hinweise der Richterin auf die juristische Seite der Angelegenheit an ihnen abtropften. Hinzu kam noch, dass die klagende Firma der nun angegriffenen früher wohl freundschaftlich verbunden war, es ging also nicht nur um Wissenschaft und Paragrafen, sondern auch noch um Emotionen.

Der Hauptkritikpunkt der Klage ist die Behauptung von BPS, durch das Verfahren würde 99,99 Prozent der Raumluft von Bakterien, Viren und Pilzen gereinigt: Das, so der Kläger, könne nicht behauptet werden, weil es für die Kontaminierung von Luft überhaupt keine Messmethode gebe. BPS hatte Gutachten vorgelegt, in denen aber fand Richterin Rhein nur Angaben über die Keimzahl auf Oberflächen nach der Desinfektion. Der Geschäftsführer wollte ihr erklären, dass das natürlich zusammenhänge, Rhein wies ihn immer wieder darauf hin, dass er die Reinheit der Luft beweisen müsse, wenn er damit werben wolle - so sehen es die Vorschriften für "gesundheitsrelevante Werbung" vor: "Und solange Sie das nicht nachweisen können, dürfen Sie auch nicht damit werben."

Geschäftsführer und Anwalt versuchten erneut, der Richterin das System der "Log-Stufen" näherzubringen, eine logarithmische Skala, die die Reduktion der Keime darstellen soll - so seien die 99,99 Prozent zu verstehen. Auch damit lockten sie die Vorsitzende nicht auf ihre Seite: Denn zum einen sei ja immer noch nicht geklärt, ob tatsächlich die Luft reiner werde oder nur die Oberflächen. Und zum anderen kenne wohl kein Laie das System der Log-Stufen, also sei ein Bezug darauf in der Werbung auch irreführend.

"20 Jahre Erfahrung" auf dem Gebiet der Desinfektion habe BPS, steht auf der Website - auch das gefiel der Richterin nicht, vor allem weil die Firma erst seit 2016 existiert. Ein französisches Zertifikat, das sich an der europäischen Biozidprodukt-Verordnung orientiert, eine Prüfung durch das Bundesamt für Arbeitsschutz, die aber noch nicht abgeschlossen ist: irreführend, weil der Verbraucher das nicht überprüfen kann.

Zum Schluss wurde die Verhandlung fast noch etwas skurril: Als würde das irgendetwas beweisen, berief sich der BPS-Geschäftsführer auf Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles. Dort hatte die Firma ihre Methode getestet, und Reese habe hinterher geschrieben, dass jetzt alles so frisch dufte, als wäre das ein Beweis für Keimfreiheit. Und zu der Aussage, das Produkt sei auch für Allergiker geeignet, führte der Geschäftsführer aus, seine Frau sei Allergikerin, und da habe es noch nie etwas gegeben. Monika Rhein wird die Entscheidung über die einstweilige Verfügung am 7. September verkünden. Am Ergebnis gibt es keine großen Zweifel mehr.

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