Bouldern in München:Alles im Griff

Boulderwelt, München-Ost, Friedenstrasse 22a

Nichts für Schwächlinge: Boulder-Trainer Sebastian Köll zeigt einen "double toe hook"; er hängt nur mit seinen Füßen an Bouldergriffen.

(Foto: Florian Peljak)

Bouldern ist die neue Trendsportart in München. Doch so einfach ist das Klettern in Absprunghöhe nicht: Mal steht man mit den Füßen falsch, mal schafft es die Hand nicht bis zum nächsten Griff. Und dann ist da noch die Sache mit der Kraft.

Von Isabel Meixner

Mit 13 Jahren fing Sebastian Köll an zu klettern. Doch so sehr ihm das gefiel: Hundertprozentig war das Klettern nicht sein Sport. "Ich habe Höhenangst", gibt der Münchner freimütig zu. Vor acht Jahren fing er deswegen an zu bouldern - für ihn war es die richtige Entscheidung, schließlich hangelt man sich hier auf Absprunghöhe, also auf einer Höhe bis maximal 4,50 Metern, an einer Wand entlang. Ohne Sicherung, wohlgemerkt. "Bouldern gefällt mir viel besser", sagt Sebastian Köll.

Der Sport erfährt, ähnlich wie das Klettern, seit Jahren regen Zulauf. In München gibt es vier große Anlagen, bald kommt noch eine fünfte hinzu: In Neuaubing entsteht auf einer Fläche von 2500 Quadratmetern die Boulderwelt München-West in einem denkmalgeschützten ehemaligen Bahngebäude. Eröffnungstermin ist der 6. September. Denn vor allem an verregneten Tagen gibt es kaum freie Stellen an den Boulderwänden der Anlage am Ostbahnhof. Da ist nicht nur die Sache mit der Höhe, die viele zum Bouldern bringt. Der Sport trainiert auch den gesamten Körper, nicht nur die einzelnen Muskeln, sondern auch Körperspannung und Motorik. Im Gegensatz zum Klettern braucht man auch keinen Partner, denn mit einem Seil gesichert ist man nicht. Statt ins Seil fällt man auf dicke Weichbodenmatten.

Ein neuer Trend in München

Auf denen sitzen an diesem Abend auch zwei junge Männer und ein Vater mit seinen zwei Kindern. Sie lassen sich in der Boulderwelt München-Ost eine Einweisung geben, die Sebastian Köll dreimal jeden Dienstagabend anbietet. Erfahrungen haben sie höchstens im Klettern. Mit gehörigem Respekt werfen sie immer wieder einen Blick in Richtung der Männer und Frauen, die sich bereits an den verschieden schweren Boulderproblemen versuchen. Manchen ist anzumerken, wie anstrengend es ist, sich von Griff zu Griff zu hangeln: Ihre Arme zittern, der Schweiß rinnt über die Schläfen, manchmal rutschen sie ab oder springen auf die Weichbodenmatte, wenn sie merken, dass sie sich nicht an der Wand halten können.

Bei anderen, die sich an pflaumengroßen Griffen festhalten und fast parallel zum Boden hängen, wirkt das Bouldern hingegen fast schwerelos. So auch bei Sebastian Köll, als er den Anfängern die ersten Schritte und Griffe an der Wand zeigt. Wie man Kraft am besten trainieren kann? "Wenn jemand sagt, dass man viel Kraft braucht, würde ich das verneinen", sagt Sebastian. Seine trainierten Bizepse, die unter dem schwarzen T-Shirt hervortreten, lassen an dieser Aussage zweifeln. Der 29-Jährige präzisiert: "Das Training kommt mit dem Bouldern." Vor allem am Anfang könne viel über die Technik aufgefangen werden: Wie belaste ich einen Griff, wie arbeite ich mit den Beinen, wo habe ich den Schwerpunkt - all das gelte es am Anfang zu erlernen.

Vieles ist "learning by doing", sagt Sebastian. Er selbst geht zwei- bis viermal pro Woche in die Halle. Derzeit trainiert er auf einen Boulder der Schwierigkeit 7 a hin. 7 a, das gilt als Profi-Bereich, bei der Weltmeisterschaft, die derzeit in München stattfindet, wird ab 7 b aufwärts gebouldert.

Immer neue Herausforderungen

Für Anfänger dagegen ist Grad eins bis vier geeignet. Gestartet wird in Hock-Position - aus dem einfachen Grund, dass andernfalls ein Meter Wand ungenutzt bliebe und die Halle entsprechend höher sein müsste. Wer losklettert, für den gilt: Es dürfen immer nur Griffe derselben Farbe verwendet werden. Sie dürfen mehrmals verwendet oder ausgelassen werden. Auch das Knie kann beispielsweise in einen Riss eingehakt werden. Die Verletzungsgefahr? Sebastian Köll schüttelt leicht den Kopf. "Ich arbeite seit fünf Jahren hier", sagt er. "Das Schlimmste, das ich mitbekommen habe, sind Verstauchungen oder vielleicht einmal einen Sehnenriss."

Jetzt sind erst einmal die Neulinge dran. Am "Marienkäfer" - rot-schwarz gepunktete Griffe - können sie ihre ersten Meter absolvieren. Gleich zeigen sich die ersten Probleme: Mal hat man nicht die richtige Hand frei, mal reicht die Kraft nicht aus, mal scheinen Handgriffe und Fußtritte nicht zusammenzupassen. Nein, so leicht, wie es bei den anderen aussieht, ist das Bouldern nicht.

Sebastian lässt jeden probieren, dann gibt er Tipps: Nur mit der Fußspitze auf die Vorsprünge treten, damit man sich leichter bewegen kann. Außerdem die Hüfte nah an der Wand lassen, "sonst drückst du dich aus der Wand raus". Damit einem nicht gleich die Kraft ausgeht, sollte man die Arme möglichst immer ausstrecken und darauf achten, dass der Schwerpunkt immer zwischen den Beinen oder auf einem Bein liegt - sonst pendelt der Körper unkontrolliert. Und noch etwas gibt Sebastian den dreien mit: Diejenigen, die auf der Weichbodenmatte stehen, sind schuld, wenn ein herunterfallender Kletterer auf sie drauf fällt. "Der kann sich nicht aussuchen, wo er hinfällt. Seid extrem vorsichtig", sagt er.

Gute Tipps vom Profi

In der Boulderwelt haben die Sportler viele Möglichkeiten, sich auszuprobieren: An den Traversenwänden können sie horizontal bouldern, an der Definitionswand sich an die verschiedenen Griffarten gewöhnen. Oder sie klettern auf der großen Weltkugel in der Hallenmitte hinauf, auf der auch viele Bouldergebiete im Freien eingezeichnet sind. Dieselbe Grifffarbe bedeutet hier - im Gegensatz zu anderen Hallen - immer auch dieselbe Schwierigkeit. Alle zwei bis drei Monate werden die Griffe ab- und an anderer Stelle wieder angeschraubt, damit Sportler, die häufig zum Trainieren kommen, immer wieder neue Herausforderungen finden.

Den Teilnehmern der Einführung ist die Halle dagegen ohnehin noch neu. Nach der Einführung probieren sie sich an den verschiedenen Routen. Nicht lange, denn am Anfang merkt man die fehlende Kraft. Die wird kommen, sagt Sebastian: "Später habt ihr euch erst da warmgebouldert, wo ihr am Anfang aufgehört habt."

Boulderwelt München-Ost, Friedenstrasse 22 a, geöffnet Montag bis Freitag von 7 bis 23 Uhr, am Wochenende von 8 bis 23 Uhr. Die kostenlose Einführung findet dienstags um 18, 19 und 20 Uhr statt.

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