Botanik:Rendezvous mit zwei Naturgiganten

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In Bogenhausen gibt es genau zwei Baumdenkmäler. Die Grünen hätten gerne mehr. Bei einer Radltour versuchen die Teilnehmer, den Gewächsen näher zu kommen

Von Björn Struß, Bogenhausen

Langsam streichelt seine Hand über das dunkelgrüne Moos, von dem der massive Baumstamm großflächig bedeckt ist. "Man spürt, was für eine Kraft da raus geht", sagt Raimund Scheerer. Auf dem Hinterhof der Dreieinigkeitskirche an der Merzstraße steht er vor einem riesigen Baum. Scheerer nimmt einige Schritte Abstand und legt seinen Kopf weit in den Nacken, um die unerreichbar hoch liegende Baumkrone sehen zu können. "Da ist wohl mal ein Blitz eingeschlagen", sagt er und zeigt auf eine große Narbe am Stamm, aus der einst ein dicker Ast wuchs. Mit langen Schritten umkreist er die Rotbuche, um sich dann mit weit ausgebreiteten Armen wieder an diesen Giganten der Natur anzuschmiegen. Drei weitere Freunde kommen hinzu, fassen sich an den Händen und können so den Stamm gerade eben umfassen. Das Baumkuscheln zaubert ein breites Lächeln auf ihre Lippen.

Klein, aber doch unübersehbar: Ein Grünes Dreieck auf weißem Grund, mit einem fliegendem Vogel in der Mitte. "Naturdenkmal" steht auf dem Schild, das auf Augenhöhe am Stamm angebracht wurde. Denkmal? Ein Baum auf einer Stufe mit der Mariensäule? Der Begriff ist etwas irreführend. Denn anders als im herkömmlichen Sprachgebrauch, der ein Denkmal mit einer Person, einem Ereignis oder der Kultur verbindet, ist das Naturdenkmal vielmehr ein juristischer Begriff. Er bietet durch das Bundesnaturschutzgesetz die Möglichkeit, die Natur aufgrund ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit besonders zu schützen. Auch die Wissenschaft, Naturgeschichte oder Landeskunde können ein Naturdenkmal begründen. In Bogenhausen haben genau zwei Bäume diesen besonderen Schutz. Veränderungen, auch an der Umgebung der Bäume, müssen von der unteren Naturschutzbehörde genehmigt werden.

Die Rotbuche im grünen Hinterhof der Dreieinigkeitskirche an der Merzstraße. (Foto: Stephan Rumpf)

Geht es nach Andreas Baier (GRÜNE), Mitglied im Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen, könnte es in seinem Stadtviertel gerne mehr Baumdenkmäler geben. "In Starnberg gibt es hundert Naturdenkmäler", vergleicht er vorwurfsvoll. Er möchte mit seinem BA zehn weitere Baumdenkmäler bei der unteren Naturschutzbehörde beantragen. Der Kommunalpolitiker hat sich auf das Radl geschwungen, um seinen Bogenhausern einige Orte im Stadtviertel zu zeigen, die besonders mit der Natur verbunden sind. Sieben Fahrradfahrer sind seinem Ruf gefolgt, hinzu kommen drei weitere Kollegen aus dem BA. Für Baier ist die Tour den Aufwand wert. "Ich erhoffe mir von den Teilnehmern neue Ideen für die Stadtentwicklung bei uns im Osten", zeigt er sich optimistisch.

In der Radlergruppe fahren auch Raimund Scheerer und Ehefrau Anita mit. An der Ecke Friedrich-Herschel-Straße/ Rauchstraße sehen sie sich das zweite Baumdenkmal an. Die Rosskastanie steht auf einem Privatgrundstück, hinter einer hohen Mauer. Die voluminöse Baumkrone ist trotzdem nicht zu übersehen. Etwas widerwillig lässt die Haushälterin die Gruppe fremder Menschen auf das Grundstück, um dem Baum näher zu kommen. Ein großes Baumhaus umringt den Stamm, aber ohne ihn zu beschädigen. Unter den kritischen Blicken der Haushälterin bleibt es für Ehepaar Scheerer bei einem kurzen Rendezvous mit der Rosskastanie. "Das war etwas hektisch. Man muss sich dem Baum in Ruhe nähern können", sagt Raimund Scheerer. Er habe in seinem Leben schon viele Bäume umarmt und wünscht sich mehr Wertschätzung für die Natur. "In Japan werden Bäume als Therapie gegen Depression eingesetzt", erzählt er.

Die Rosskastanie mit dem Baumhaus an der Ecke Rauch-/Friedrich-Herschel-Straße. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Fahrradtour zeigt auch Kontraste im Stadtviertel auf. Blickt man etwa entlang der Verkehrsader Richard-Strauss-Straße, die vom Hochhaus der Hypovereinsbank überragt wird, fallen die kleinen Bäumchen am Straßenrand kaum auf. Nach den Eindrücken der zwei Baumdenkmäler wirken die vielleicht drei Meter hohen Gewächse wie Büsche auf einem spindeldürrem Stamm. Kein Vergleich zu ihrem gigantischen Bruder bei der Dreieinigkeitskirche.

Die Rotbuche hätte dem Gotteshaus durch die Nähe schon zu einer Gefahr werden können. Bislang sind Sturmschäden aber ausgeblieben. Scheerer hat da eine andere Perspektive. "Zum Glück ist die Kirche dem Baum noch nicht zur Gefahr geworden", meint er. Seine Befürchtung: Zum Schutz der Kirche könne am Baum vorsorglich die Säge angesetzt werden. Ein solcher Schritt müsste bei einem Baumdenkmal aber sehr gut begründet sein. So kann Raimund Scheerer beruhigt sein: Dieser besondere Baum wird ihm noch lange erhalten bleiben.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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