Bogenhausen:"Stille Enteignung"

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Der Moosgrund soll Landschaftsschutzgebiet werden. Vor allem Landwirte befürchten dadurch massive Nachteile, aber auch der wachsende Freizeitdruck auf das Areal macht Sorgen

Von Thomas Kronewiter, Bogenhausen

Mit seinen 360 Hektar ist das geplante Landschaftsschutzgebiet "Moosgrund" noch ein wenig größer als die Fröttmaninger Heide. Anders als das Naturschutzgebiet im Norden der Stadt wird das ehemalige Niedermoorgebiet im äußersten nordöstlichen Zipfel Bogenhausens, an der Grenze zu den Nachbargemeinden Aschheim und Dornach, aber noch landwirtschaftlich genutzt. Dass sich aber auch beim Moosgrund ähnliche Nutzerkonflikte abzeichnen wie in den Schutzgebieten im Norden Münchens, zeigte ein Dialog-Termin der Stadt am Freitagabend, zu dem circa 70 Betroffene, Anlieger und Interessenvertreter etliche Anliegen und gleichermaßen Zustimmung wie Protest mitgebracht hatten. Die Atmosphäre des Abends in der Mensa der Grundschule an der Ruth-Drexel-Straße im Neubaugebiet Prinz-Eugen-Park schwankte dabei zwischen Sachlichkeit und stellenweise unterschwelliger Aggression.

Zurückgehend auf eine Rahmenplanung des Stadtrats von 1993, ist der Moosgrund schon seit Juli 2016 als Landschaftsschutzgebiet einstweilig gesichert. Anfang 2020 soll das eigentliche Beteiligungsverfahren starten, Mitte 2020 dann die endgültige Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet. Im Gegensatz zum höherrangig eingestuften Naturschutzgebiet gibt es im Landschaftsschutzgebiet keine ausdrücklichen Verbote, sondern nur den Grundsatz, dass sich der Charakter des Gebiets nicht verändern oder verschlechtern darf - zahlreiche Aktivitäten stehen dort deshalb unter Erlaubnisvorbehalt, müssen also genehmigt werden.

Die Landwirte

Für die im Moosgrund ansässigen Landwirte stellen die künftig vielfach nötigen Genehmigungen ein Problem dar. Sie genießen zwar Bestandsschutz, müssen aber nach dem jetzt vorliegenden Entwurf der Schutzgebiets-Satzung Einschränkungen hinnehmen. "Man darf halt nichts mehr", konstatierte ein Betroffener. "Es kann nicht sein, dass ich einen Antrag stellen muss, um meine Hecken zurückzuschneiden". Die entsprechende Festlegung sei "noch nicht in Stein gemeißelt", gab Stefan Fiedl von der Unteren Naturschutzbehörde zurück und verwies auf "entspannte Praxiserfahrungen" etwa im Schutzgebiet am Schwarzhölzl in Feldmoching. Die Landwirte fürchten auch um ihre Äcker, wenn in absehbarer Zukunft das direkt angrenzende Gebiet der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) Nordost bezogen sein wird. Eine Angst, die Experte Fiedl im Hinblick auf den erwartbaren Erholungsdruck nachvollziehen konnte.

Die Opfer des Wohnungsbaus

Hinter den Ängsten vieler Gewerbetreibender stehen die Auswirkungen der SEM Nordost. Was geschehe mit seinem Landwirtschaftsbetrieb, wenn er seine Felder im SEM-Areal zu Gunsten von Wohnungsbau abgeben müsse, fragte ein Landwirt. Könne er dann vorhandene Äcker im Moosgrund erweitern? Das sei keineswegs ausgeschlossen, versetzte Fiedl, hielt es aber auch nicht für so einfach wie in einem nicht geschützten Bereich. Ein ebenfalls Betroffener brachte die Angst offenkundig vieler vor einer "stillen Enteignung" auf den Punkt: "Bei der Stadt hat man das Gefühl, dass sie günstige Grundstücke will, die sie sich am Ende einverleiben kann."

Die Anwohner

Für viele Bogenhauser, aber auch die Nachbarn aus Aschheim und Dornach ist der Moosgrund mit seinem Wechsel aus landwirtschaftlich genutzten Fluren, Hecken und Feldgehölzen, dem Abfanggraben mit seinem Gewässer und dem alten Bahndamm als südlicher Grenze schon jetzt ein bedeutsames Naherholungsgebiet. Das soll auch so bleiben. Dort sollen Großstädter die Weite der Münchner Schotterebene ebenso erleben können wie die ausgeübte Landwirtschaft und die Artenvielfalt von Fauna und Flora. Dabei allerdings seien die Jahreszeiten zu beachten, erläuterte Stephan Marhold, ebenfalls vom städtischen Planungsreferat. So könne man etwa im Herbst auf abgeernteten Äckern natürlich Drachen steigen lassen - nicht aber, so lange die Feldfrüchte noch wüchsen. Stefan Fiedl sieht sich bei der Besucherlenkung erst am Anfang eines langwierigen Prozesses, bei dem es irgendwann auch einmal zu viel werden könne. Anders als auf der Fröttmaninger Heide, wo man einen eigenen Gebietsbetreuer habe, könne man im weniger stark geschützten Moosgrund dafür keine Fördergelder bekommen.

Die Naturschützer

Ungeachtet ihrer generellen Zustimmung zur beabsichtigten Unterschutzstellung machen sich auch Naturschützer Sorgen um das Gebiet - und das nicht bloß wegen des erwarteten Erholungsdrucks. So fänden sich zahlreiche der besonders geschützten Arten - vom Stieglitz bis zur Feldlerche, vom Idas-Bläuling bis zum Rebhuhn, vom Holunder bis zur Schlehe - auf beiden Seiten des alten Bahndamms, der gegenwärtig die Grenze des Landschaftsschutzgebiets darstellt. Dessen Südseite befindet sich aber schon nicht mehr im Umgriff des geschützten Bereichs - ein Fakt, den die städtischen Experten aus fachlicher Sicht ebenfalls bedauerten. Der Stadtrat, hieß es, habe anders entschieden. Und kein Verständnis gab es bei den Naturschützern, dass im Moosgrund Kiesabbau nicht generell ausgeschlossen werde. Genehmigt sei dort keiner, sagte Stefan Fiedl, ausgeschlossen sei er aber auch nicht.

© SZ vom 18.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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