Bogenhausen:"Potenzial wie in Freiham"

Ein Ideenwettbewerb für die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme im Nordosten soll frischen Wind in die Planung bringen. Die Stadt geht weiter von 30 000 Bewohnern aus - diese Zahl kommt aber auf den Prüfstand

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Seit sieben Jahren geistert die "Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme für den Münchner Nordosten" durch die politische Landschaft - ein Sprachungetüm, noch immer nicht greifbar. Ein neues Stadtviertel soll entstehen, östlich der S-Bahn-Gleise zwischen Riem, Daglfing, Johanneskirchen und dem Stadtrand, so viel ist seit 2011 klar. Aber wo genau dieses Quartier gebaut wird, das unter dem Kürzel "SEM Nordost" firmiert, wie viele Leute dort wohnen werden, ob eine U-Bahn hinfährt oder eine Tram, wo die Straßen verlaufen - all das ist ungeklärt. Im Sommer 2016 stellte Stadtbaurätin Elisabeth Merk drei Bebauungsvarianten vor, die das Planungsreferat erarbeitet hatte. Sie stießen aber auf Ablehnung, gingen sie doch von 30 000 Einwohnern und relativ dichter Bebauung mit Hochhäusern aus. Grundstückseigentümer und CSU- Vertreter sprachen von Wohnsilos. Wegen des Gegenwinds regte die Stadtbaurätin Ende 2017 an, zusätzlich Architekten nach Entwicklungsperspektiven für den Nordosten zu fragen - "losgelöst von den Varianten" des Planungsreferats, wie dessen Sprecher Thorsten Vogel sagt. Dafür ist ein städtebaulicher und landschaftsplanerischer Ideenwettbewerb geplant. Der Entwurf der Ausschreibung liegt jetzt vor.

Bogenhausen: Idylle am Stadtrand.

Idylle am Stadtrand.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Darin geht das Planungsreferat erst einmal weiterhin von etwa 30 000 Einwohnern und 10 000 Arbeitsplätzen für das neue Stadtviertel aus - macht 12 500 Wohnungen plus Infrastruktur. Das heute dünn besiedelte Gebiet am äußersten Stadtrand "soll seiner Lagegunst inmitten des Dreiecks zwischen Flughafen, Messe und Innenstadt gerecht werden", heißt es im Entwurf. Die Verwaltung sieht "Potenzial mindestens vergleichbar zu den letzten großen Siedlungsentwicklungen wie Freiham oder der Messestadt Riem." Die Messestadt hat etwa 16 000 Einwohner, der Stadtteil Freiham ist für gut 25 000 konzipiert. Allerdings, so schränkt der Entwurf ein, soll der Wettbewerb für den Nordosten auch die Grundannahme zur Einwohnerzahl auf den Prüfstand stellen. Denn nach der Bevölkerungsdichte wird sich richten, was an Infrastruktur geschaffen wird.

Bogenhausen: Noch prägen Landwirtschaft und Pferdesport das Gebiet zwischen Riem, Daglfing und Johanneskirchen.Dort soll ein neues Viertel für 30 000 Menschen entstehen.

Noch prägen Landwirtschaft und Pferdesport das Gebiet zwischen Riem, Daglfing und Johanneskirchen.Dort soll ein neues Viertel für 30 000 Menschen entstehen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Weiterhin gesetzt ist da für das Planungsreferat, dass die Gleise von Flughafen-S-Bahn und Güterzügen zwischen Daglfing und Johanneskirchen in einen Tunnel kommen, den die Stadt bezahlt. Auch der U-Bahn-Ringschluss ist eingeplant, "ein wichtiger Lückenschluss im Verkehrsnetz der Stadt", wie Planungssprecher Vogel sagt: Die Verlängerung der U 4 vom Arabellapark über Englschalking, das als Umsteigebahnhof zur S 8 fungieren soll, bis zur U 2 in der Messestadt gehört zum "zukunftsweisenden Nahmobilitätskonzept", das die Architekturbüros erarbeiten sollen. Entlang dieser U-Bahn-Achse "sollten städtebauliche Schwerpunkte mit höherer Dichte, höherwertigem Gewerbe und Infrastruktureinrichtungen gesetzt werden", heißt es im Entwurfstext. Neu geplant werden müssen auch die Straßenanbindungen nach außerhalb - im Norden an die schon heute stark belastete Kreisstraße M 3 und den Autobahnring A 99, im Süden an die Autobahn 94.

Bogenhausen: In der Ferne sind die Hochhäuser des Bogenhauser Arabellaparks zu sehen.

In der Ferne sind die Hochhäuser des Bogenhauser Arabellaparks zu sehen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Momentan bereitet das Planungsreferat die Ausschreibung des Wettbewerbs vor. Ehe der Stadtrat Anfang 2019 entscheidet, können die Bezirksausschüsse ihre Meinung sagen. In Trudering-Riem steht das Thema am Donnerstag, 18. Oktober, auf der Tagesordnung, in Bogenhausen sammeln die Fraktionen bis zur Sitzung am Dienstag, 13. November, ihre Ergänzungswünsche. Ein Antrag der SPD, das Planfeststellungsverfahren für die Verlängerung der U 4 sofort einzuleiten, liegt bereits vor.

Der EU-weite offene Wettbewerb selbst soll nach einem Bürger-Workshop 2019 starten. Sieben Büros will das Planungsreferat zur Teilnahme auffordern, weil sie "Erfahrung in dem Planungsmaßstab haben", wie Vogel erklärt. Darunter sind Castro Denissof Associés, Paris, die für die grüne Transformation von Banlieues wie "La Caravelle" bekannt sind, West 8 aus Rotterdam, die die Planung für den neuen Park auf Governors Island an der Südspitze Manhattans entwickelt haben, und Stein + Schultz aus Frankfurt, die für die Stadt die Studie "Landschaftsbezogene Wegekonzeption für den Grüngürtel München" erstellen.

Ein Preisgericht wählt in der ersten Stufe des Wettbewerbs acht bis zehn Arbeiten aus, zu denen dann auch die Bürger ihre Meinung sagen können. Im zweiten Durchgang überarbeiten die ausgewählten Büros ihre Entwürfe, danach vergibt die Jury die Preise. Mitte 2020 soll ein Ergebnis vorliegen. Nach einer weiteren Öffentlichkeitsrunde entscheidet dann der Stadtrat über erste konkrete Planungsschritte, zumindest für Teilabschnitte der SEM Nordost.

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