Bogenhausen:Geistliche Heimat, weltliche Sorgen

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Die russisch-orthodoxe Kirche plant am Fideliopark eine Kapelle. Für die Stadtviertelvertreter ergeben sich daraus Probleme

Von Nicole Graner, Bogenhausen

Im Pavillon ist es stickig. Trotz geöffneter "Türen". Die Sonne brennt auf das Zeltdach, scheint auf Altar und Kreuz. Die russisch-orthodoxe Kirche hat auf ihrem Areal an der Knappertsbuschstraße 26, das sie 2010 der katholischen Kirche abgekauft hat, ein Partyzelt aufgestellt, das gerade von der Gemeinde als provisorischer Gottesdienstraum genutzt wird. Auch im Winter. Deswegen stehen noch die Heizstrahler im Kirchenzelt.

Doch das Zelt könnte bald verschwinden. Denn wenn es nach den Wünschen der Gemeinde geht, soll spätestens in einem Jahr eine Holzkapelle auf dem recht schottrigen Boden nördlich des Pavillons stehen, dort wo jetzt ein Zaun die Grundstücksgrenze markiert. Schon lange plant die Christi-Auferstehungsgemeinde der russisch-orthodoxen Kirche auf der 7000 Quadratmeter großen Fläche eine Kirche und ein Gemeindezentrum. Doch nie hatte sie Geld. "Wir finanzieren uns ausschließlich durch Spenden", sagt der Sprecher der Gemeinde, Matthias Kobro. Jetzt habe man das Geld zusammen, um zunächst erst einmal als vorgezogene Baumaßnahme eine Holzkapelle zu errichten 200 000 Euro kostet sie und wird in Russland nach alter traditioneller Bauweise gefertigt. Dort wird sie wieder abgebaut und in Einzelteile zerlegt, die dann auf die Reise nach München gehen. Stück für Stück wird die Kapelle mit ihren drei Türmchen an Ort und Stelle auf 150 Quadratmetern wieder aufgebaut. Sie wird 15 Meter lang und 14 Meter breit sein. Die Hauptkuppel ist an die 20 Meter hoch. 80 bis 100 Gläubige passen hinein.

Das Grundstück liegt südlich vom Fideliopark, wo früher eine Wagenburg stand und jetzt ein Gymnasium gebaut wird. (Foto: Google Earth)

Kobro sagt, sowie die Baugenehmigung der Stadt München da sei - für die geplante große Kirche liegt seit Jahren eine Genehmigung vor -, könne es losgehen. Wenn die Kapelle endlich stehe, wäre die Gemeinde für ihre Gottesdienste nicht mehr auf das Zelt an der Knappertsbuschstraße, auf Ausweich-Räumlichkeiten am Stachus und in einer umfunktionierten Garage in der Lerchenau angewiesen. Für die Baumaßnahme müssen allerdings 16 geschützte Bäume gefällt werden. Eine Tatsache, die in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses (BA) Bogenhausen nicht gut ankam. Zu nahe liegt das Areal für die Holzkapelle am Salzsenderweg und an der riesigen Baustelle des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums, für das schon viele Bäume weichen mussten. Zu nahe ist die Kapelle am Fideliopark, den die Bürger lieben. Stadtplaner Christian Böhm, der die russisch-orthodoxe Gemeinde berät, macht klar, dass "so viel wie möglich erhalten werden soll". Der städtische Grün-Riegel zwischen Baugrund und Salzsenderweg bleibe natürlich unangetastet. Aber wenn man später, so sagt Böhm, noch das Gemeindezentrum bauen wolle und die Kirche, dann bleibe nur dieses Areal im Norden des Grundstücks für die Kapelle übrig. "So groß ist der Platz dann nicht." Wann aber das Gemeindezentrum und die Kirche entstehen, weiß Kobro nicht. "Das können wir gerade nicht sagen."

Die Gemeinde "Heimat" soll eine neue Kapelle bekommen, darauf hoffen die Erzpriester Nikolai Zabelitch und Erzpriester Michael Rahr (von rechts). (Foto: privat)

Im Unterausschuss hatten die Kirchenvertreter das Kapellen-Projekt vorgestellt. Doch aus Sicht des BA haben sich die Planer über einen wichtigen Punkt keine Gedanken gemacht: den Verkehr und die Parkplatzsituation. Das stimme so nicht, entgegnet Kobro. Man habe den Stellplatzbedarf nach den Vorgaben der Stadt für Gemeindehäuser und Kirchen ermittelt. Ein Stellplatz für 30 Besucher sei laut dieser Angaben vorgesehen. "Wir bauen aber zehn Parkplätze", sagt der Gemeindesprecher. Diese sollen östlich vom Haupteingang Knappertsbuschstraße entstehen. Um genau zu wissen, wie viele Gläubige an den Sonntagen zum Gottesdienst mit dem Auto kämen, habe man Strichlisten geführt. Sieben bis zehn Autos habe man gezählt. Die Parkplätze würden also reichen, sagt Kobro,

Im BA möchte man mehr wissen. Vor allem was die zukünftigen Planungen von Kirche und Gemeindehaus, in dem auch ein Kindergarten entstehen soll, angeht. Man wolle, da war sich das Gremium einig, endlich einen "Masterplan" sehen. Wie sieht die Baumasse aus? Wie verbindlich wird gebaut werden? Schließlich sei das Gemeindehaus noch nicht genehmigt. Und wann werde das Projekt den Bürgern vorgestellt? Der BA forderte, dass die Lokalbaukommission mit der Genehmigung der Kapelle warten soll, bis die Fragen zu den Parkplätzen, den Bäumen und der gesamten Baumasse geklärt seien.

Pläne seien dem BA, sagt Kobro, vorgelegt worden. Auch wisse die Gemeinde um die Verantwortung, die Nachbarn in das Projekt einzubeziehen. Jetzt plane man erst einmal die Kapelle. Dafür müsse das Sägewerk in Russland liefern, und, so hofft Kobro inständig, das "Geld reichen".

© SZ vom 21.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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