Bogenhausen:Durchgangsort für Gedanken

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Paulus Kaufmann, Jahrgang 1974, ist Japanologe und promovierter Philosoph. Derzeit forscht er zur japanischen Geistesgeschichte, Philosophie und Religion am Japan-Zentrum der LMU München. (Foto: privat)

Paulus Kaufmann zum Philosophischen Foyer in der Villa Stuck

Interview von Jutta Czeguhn, Bogenhausen

Vorbild ist der Marktplatz von Athen, auf dem Sokrates die Bürger dazu animieren wollte, sich nicht mit den erstbesten Antworten zufrieden zu geben. Das "Philosophische Foyer" in der Villa Stuck ist auch so ein Durchgangsort der Gedanken. Der Philosoph und Japanologe Paulus Kaufmann regt dort regelmäßig die Museumsbesucher an, im Modus des Fragens zu bleiben. Nächster Termin ist Freitag, 4. Oktober, 19 Uhr. Es geht um das Thema "Privilegiert sein".

SZ: Fühlen Sie sich privilegiert?

Paulus Kaufmann: Ja, ich fühle mich sehr privilegiert. Ich lebe in einer privilegierten Gesellschaft, in der ich Zugang zu Wohlstand, Gesundheitsversorgung und Bildung habe. Außerdem gehöre ich in Deutschland zur Mittelschicht und hatte stets große Freiheit, meinen eigenen Interessen, Wünschen und Bedürfnissen nachzugehen. So konnte ich beispielsweise Philosophie studieren, auch wenn das eine brotlose Kunst ist.

Ist es etwas Positives oder Negatives, ein Privileg zu haben?

Hier muss ich "philosophisch" antworten: Das kommt darauf an. Wenn man mit "Privilegien" die Dinge meint, die ich oben angesprochen habe - Wohlstand, Gesundheit, Bildung - dann ist das natürlich etwas Positives. Mit "Privileg" ist aber meist gemeint, dass ich etwas habe, das ein anderer nicht hat. Dass macht Privilegien nicht per se schlecht, aber wenn ich Dinge nur dann haben kann, wenn sie anderen vorenthalten bleiben - und unser Wohlstand scheint zumindest teilweise davon abzuhängen, dass es Menschen in anderen Teilen der Erde weniger gut geht - dann ist das etwas Negatives.

Gibt es allgemeingültige Kriterien für das Privilegiertsein?

Wenn man Privilegien im wörtlichen Sinne als "Vorrechte" versteht, dann sind es gesellschaftliche Strukturen, die man im Prinzip objektiv feststellen kann: Gehöre ich zum Beispiel zu einer gesellschaftlichen Gruppe, die bei Bewerbungsverfahren tendenziell bevorzugt wird? Subjektiv nehmen wir diese Privilegien meist gar nicht wahr, vor allem dann nicht, wenn wir selbst die Privilegierten sind.

Sie haben im Philosophischen Foyer schon über Spießer gesprochen, auch über Genervtsein und Kindheit, demnächst geht es um Small Talk und Bevormundung. Wer legt die Themen fest? Kann ein Philosoph über alles sprechen?

Wir legen die Themen in einem Dreier-Team fest: Anne Marr von der Villa Stuck, Sabine Riedel von "Philolino" und ich. Es ist uns wichtig, dass die Themen nicht schon philosophisch "breit getreten" sind. Sonst ist es schwierig, unbefangen darüber zu diskutieren. Andererseits sollen die Themen natürlich gesellschaftlich relevant sein. Als Philosophen wollen wir ja über Begriffe sprechen, die unser Denken prägen und ihm eine Richtung geben.

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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