Bogenhausen:Darf's a bissl weniger sein?

Der Bogenhauser Bezirksausschuss fordert, dass für das neue Stadtviertel im Nordosten Münchens auch deutlich kleinere Varianten geprüft werden - und dass man die Vorschläge der Bürger ernst nimmt

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Den Bogenhauser Stadtviertelvertretern passt die Richtung nicht: Sie fordern einen Ideenwettbewerb, der zusätzliche Konzepte für die Planung des neuen Wohnquartiers im Nordosten erbringen soll. Bisher existieren für diese städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) drei Varianten, sie alle gehen von 30 000 Bewohnern und 10 000 Arbeitsplätzen im neuen Viertel aus. Diese Dichte aber ist der CSU zu hoch. Auf Plakaten im Stadtbezirk warnt sie derzeit vor "öden Plattenbausiedlungen" und fordert eine "Bebauung mit Gartenstadtcharakter". Auf ihren Antrag hin sprach sich der Bezirksausschuss für den zusätzlichen Ideenwettbewerb aus. Untersucht werden soll unter anderem eine Bebauung für 15 000 Bewohner plus 2000 Arbeitsplätze.

Doch der Reihe nach: Drei Varianten hat das Planungsreferat als Diskussionsgrundlage für das neue Stadtviertel im Nordosten von Bogenhausen entwickelt: Der Entwurf "Quartiere als Perlenkette" reiht von Süden nach Norden drei Siedlungsschwerpunkte um die alten Dörfer Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen entlang der S-Bahn-Trasse zum Flughafen aneinander. Die zweite Variante - "Beidseits des Hüllgrabens" - schließt in West-Ost-Richtung die Baulücken zwischen Englschalking, Daglfing und Riem.

Bogenhausen: Ich baue mir meine Stadt: Beim Workshop zur städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme Nordost skizzierten Jugendliche ihre Vorstellungen für das Gebiet.

Ich baue mir meine Stadt: Beim Workshop zur städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme Nordost skizzierten Jugendliche ihre Vorstellungen für das Gebiet.

(Foto: Stephan Rumpf)

Planidee Nummer drei, die "Küstenlinie", macht die solitäre Zahnbrechersiedlung und die Gartenstadt Johanneskirchen zur Kuppe eines großen "Siedlungsfingers", der von Daglfing über Englschalking nach Norden ausgreift. Schräg nach Südosten versetzt streckt sich auf den Flächen der Galopptrainingsbahn und der Olympia-Reitanlage ein zweiter "Siedlungsfinger". Zwischen den Wohngebieten entstehen dadurch "Landschaftsbuchten", Bau- und Freiflächen werden verzahnt.

Zur Verkehrserschließung denken die Planer über eine Verlängerung der U 4 vom Arabellapark nach, zunächst bis Englschalking, wo sie mit der S 8, der Flughafen-Linie, verknüpft werden kann. Von dort geht es dann je nach Entwurf entweder zu einer Endstation weiter östlich (Variante eins) oder mit einer Haltestelle im neuen Quartier (Variante zwei) respektive zwei Zwischenstopps dort (Variante drei) bis nach Riem, sodass ein Ringschluss zur U 2 in der Messestadt West und zur S 2 in Riem entstünde und eine Verbindung zwischen Messe und Flughafen hergestellt wäre.

Planungsvarianten

SZ-Grafik; Quelle: Planungsreferat

Nach der Vorstellung des Planungsreferats werden in diese Varianten jetzt die Ideen eingearbeitet, die die Bürger bei der fünfwöchigen Öffentlichkeitsbeteiligung im März und April entwickelt haben. Am Ende soll daraus bis zum Jahr 2019 ein integriertes Strukturkonzept entstehen, das die Entwicklungsziele für das Gebiet definiert. Vereinfacht gesagt ist dann grob festgelegt, in welchen Teilen des 600 Hektar großen Areals Wohnungen gebaut werden, wo Grünflächen entstehen, wie viele Kindertagesstätten wo benötigt werden, ob eine U-Bahn in den Nordosten fahren wird oder eine Straßenbahn. Danach beginnt die Feinplanung.

Jetzt aber grätscht der Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen mit seinem Wunsch nach mehr Auswahl bei diesem Vorhaben dazwischen: Bei nur einer Gegenstimme aus der SPD fordert er einen städtebaulichen Ideenwettbewerb, der weitere Entwicklungskonzepte erarbeiten und vor allem die Ideen der Bürgerbeteiligung berücksichtigen soll. Denn "die drei lapidaren Varianten" würden "den spezifischen Anforderungen dieser besonderen Kulturlandschaft" nicht gerecht, heißt es in der Begründung.

Stadtplanspaziergang Johanneskirchen

Das Areal ist vielerorts noch ländlich geprägt - dem Schottischen Hochlandrind in Johanneskirchen ist das wahrscheinlich ganz recht so.

(Foto: Florian Peljak)

Dem Beschluss ging im BA eine Debatte über die Qualität der Varianten voraus. Sie seien "zu wenig und zu wenig überzeugend", sagte Robert Brannekämper (CSU). Bei jedem größeren Grundstück gebe es einen Wettbewerb mit zehn bis 15 Büros. Christiane Hacker (SPD) ergänzte, im Fall Prinz-Eugen-Park seien es 64 Architektenentwürfe gewesen, obwohl dieses Wohngebiet nur ein Zehntel der SEM-Größe habe. "Das Planungsreferat fummelt hier herum, das ist keine Planung aus einem Guss", kritisierte Holger Machatschek (Grüne).

Peter Reinhardt (CSU) schnitt das Thema Dichte an: "Willkürlich" und "ohne jede Diskussion" sei vorab festgelegt worden, dass das Viertel am Stadtrand auf 30 000 Bewohner ausgelegt wird, kritisierte er. Stadtbaurätin Elisabeth Merk habe diese Größenordnung einfach "per Pressemitteilung verkündet", was "eine absolute Unverschämtheit" sei. "Das ist ohne jede Diskussion am BA und den Bürgern vorbeigegangen." Der Ideenwettbewerb müsse daher auch Konzepte für geringere Bewohnerzahlen liefern, forderte er. Robert Brannekämper prophezeite weitere Verdichtung: "Wenn man eine U-Bahn hinbaut, werden wir bei 30 000 Bewohnern nicht stehen bleiben." Das aber sei dann langsam so ähnlich "wie an der Metzgertheke: Darf's a bissl mehr sein?"

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