Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Die Schönheit des Bösen

Kunst sein oder nicht sein, das ist hier die Frage. In "Böse Blüten" zeigt die Eres-Stiftung die künstlerische Ästhetik giftiger Pflanzen und naturwissenschaftlicher Lehre.

Von Henriette Busch

Der Mensch teilt sich die Welt gern in Gut und Böse ein - nur in den Naturwissenschaften nimmt man diese Unterscheidung nicht vor, sagt Sabine Adler, Kuratorin der Ausstellung "Böse Blüten". Blickt man auf den Titel der Ausstellung der Eres-Stiftung, wirkt das im ersten Moment paradox. Denn das Augenmerk liegt auf elf vergrößerten, wissenschaftlichen Lehrmodellen heimischer Parasiten und Schädlinge, die hier die "Bösen" sind. Das liegt wohl an deren giftigen Eigenschaften. Doch böse hin oder her: Auch diese Modelle haben nach Überzeugung der Kuratorin in der Herstellung genauso viel Aufmerksamkeit erhalten, wie die der "guten" Blüten, von denen einige parallel in der Ausstellung "Flowers Forever" in der Kunsthalle zu sehen sind.

Grund genug also, sie in einer Ausstellung zu präsentieren, zusammen mit Fotografien von Sanna Kannisto. Die Qualität ihrer Herstellung zeige sich, erklärt Adler, insbesondere in der detaillierten händischen Bemalung der aus Papiermaché, Holz, Gips und teilweise Gelatine hergestellten Exponate. Die Wahl der Farbtöne sei ein künstlerischer Aspekt und verpasse den Darstellungen einen individuellen wie subjektiven Touch. Sieht man die Modelle zum ersten Mal, hat man das Gefühl, abstrakte Kunst vor sich zu haben, nicht alles ist als Teil einer Pflanze zu erkennen. Das macht sie aber umso faszinierender, jedes kleinste Detail will genau betrachtet werden. Die Vorlagen der um 1900 von Reinhold und Robert Brendel hergestellten Modelle haben es dabei in sich. So stellte der Konsum des gefleckten Schierlings im antiken Athen eine Hinrichtungsmethode dar - nach Lähmung der Atemwege erstickte die verurteilte Person bei vollem Bewusstsein.

Lehrmodelle waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts sehr populär, die Dreidimensionalität ihr Herausstellungsmerkmal, sagt Adler. Das Bildungsbürgertum stellte sie gar bei sich zu Hause auf. Die in der Maxvorstadt gezeigten Modelle stammen aus Privatsammlungen. Die meisten waren ursprünglich in verschiedenen naturwissenschaftlichen Sammlungen untergebracht, die im Laufe der Zeit aufgelöst wurden. "Die Modelle brauchen Platz, sie können nicht einfach gestapelt werden und sind zudem sehr fragil", sagt Adler. Trotz ihrer Fragilität werden die Exponate im Ausstellungsraum ohne Glasschutz präsentiert, um ihre volle Wirkung entfalten zu können. Es solle kein Filter zwischen Besucher und Modell liegen, damit die feinen Details mit den Augen abgetastet werden können.

Kunstvoll sind auch die individuell gedrechselten Holzsockel, auf denen teilweise die alte Inventarnummer der Modelle zu lesen ist. Verschieden gestaltete Etikette geben Auskunft über den lateinischen Namen und den Vergrößerungsmaßstab. Ergänzt werden die 3-D-Modelle um fünf Fotografien der Finnin Sanna Kannisto. In denen arrangiert die Fotografin als Begleiterin wissenschaftlicher Expeditionen toxische Pflanzen und lebende Tiere. "Field Studios" nennt Kannisto die kleinen Kästen, die an den Seiten mit schwarzem Samt behangen werden und den Bildinhalt wie auf einer Theaterbühne kunstvoll inszenieren. Daran fasziniert insbesondere die Ausstrahlung der Tiere. Für diese - Vogel, Schlange, Kröte - müsse die Fotografin im Vorhinein eine ruhige Atmosphäre schaffen, und lange auf den richtigen Moment zum Auslösen warten, sagt Adler.

In der Ausstellung, die noch bis zum 28. April im Rahmen des Flower-Power-Festivals zu sehen ist, ist die einzige nicht-böse Pflanze das Modell einer weiblichen und männlichen Haselblüte. Wenn man die Pflanzenteile in natura betrachte, seien die Details aus dem Modell mit bloßem Auge aber nicht zu erkennen, weiß die Kuratorin: "Da merkt man erst, was man alles nicht sieht."

"Böse Blüten", bis 28. April, Do. & Fr., 14-18 Uhr und nach Vereinbarung, Eres Projects, Theresienstraße 48

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