Böhringer-Prozess:Wer setzte die Spur ,,J 73.3''?

Die Herkunft der mysteriösen identischen DNS-Spur in den Mordfällen Böhringer und Herrmann bleibt ungeklärt. Wie die Augsburger Staatsanwaltschaft der SZ sagte, bestehe zwischen beiden Taten aber ,,keinerlei Verbindung''.

Alexander Krug

Die Verteidiger des wegen Mordes an Böhringer angeklagten Benedikt T. stellten dennoch den Antrag, den Prozess auszusetzen.

Die 59 Jahre alte Parkhaus-Besitzerin Böhringer war am 15. Mai 2006 in ihrer Penthouse-Wohnung in der Baaderstraße erschlagen worden. Nur drei Tage später wurde ihr ,,Lieblingsneffe'' Benedikt T. unter Mordverdacht festgenommen. Der 32-Jährige bestritt die Vorwürfe von Anfang an. Am gestrigen zweiten Prozesstag äußerte er sich erstmals persönlich: ,,Hohes Gericht, ich bin unschuldig. Ich habe diese Wahnsinnstat nicht begangen, ich habe meine Tante nicht getötet. Mehr möchte ich nicht sagen.''

Seit dem Prozessauftakt vor einer Woche steht der Angeklagte indes gar nicht mehr im Mittelpunkt. Es ist die Spur mit der Nummer ,,J 73.3'', die für Spekulationen viel Raum bietet. In Böhringers Wohnung wurde diese Spur an einem Glas in einem Geschirrspüler und an einem Schubladen-Griff sichergestellt. Die DNS-Analyse erbrachte eine Übereinstimmung mit einer Spur aus dem Mordfall Ursula Herrmann. Das zehnjährige Mädchen war 1981 in Eching entführt und in einer Holzkiste im Wald begraben worden, wo es qualvoll erstickte.

Durch die Fortschritte in der Kriminaltechnik konnten die Ermittler Ende 2005 an einer Holzschraube der Kiste eine DNS-Spur sicherstellen. Ein späterer Datenabgleich zeigte, dass ,,J 73.3'' identisch ist mit der Spur in Böhringers Wohnung. Der Angeklagte T. war während der Hermann-Entführung erst sechs Jahre alt.

Die Augsburger Staatsanwaltschaft hält jedoch die Aussicht, dass der Fall Herrmann Erkentnisse für die Aufklärung des Böhringer-Mordes bringe, für ,,denkbar gering'', so sagte Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz der Süddeutschen Zeitung: ,,Frau Böhringer taucht in unseren Ermittlungsakten nicht auf.'' Für eine Verbindung der beiden Mordfälle gebe es ,,keinerlei Anhaltspunkte''.

200 Personen überprüft

Vermutungen, dass es sich um ein Laborversehen handelt oder die Spur von Ermittlern stammt, die mit beiden Mordfällen zu tun hatten, sind nach der Überprüfung von rund 200Personen aus dem Umfeld der Mordsache Böhringer inzwischen ausgeschlossen. Staatsanwalt Martin Kronester machte am Montag auch deutlich, dass im Laufe der Jahrzehnte die Asservate im Fall Herrmann durch ,,Tausende Hände'' gegangen seien.

Vielleicht lasse sich die Herkunft der Spur niemals aufklären, aber dies sei kein Grund, den Prozess ,,bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag'' in die Länge zu ziehen. Die Indizien gegen den Angeklagten reichten vollkommen aus, um das Verfahren am Schwurgericht weiterzuführen.

Die Verteidiger Peter Witting und Stefan Mittelbach sind anderer Meinung. Sie halten die Spur ,,J 73.3'' für so bemerkenswert, dass eine ,,weitere Aufklärung'' zwingend geboten sei. Die Aufklärung dürfe aber nicht ,,unter dem Druck einer Hauptverhandlung'' stehen, deshalb sei es notwendig, das Verfahren auszusetzen. ,,Wir haben ein völlig neues Bild und eine völlig neue Sachlage'', sagt Witting: ,,Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es eine unmittelbare Verbindung zwischen den Morden gibt.''

Die Spur am Glas müsse ,,zeitnah'' zum Mord gesetzt worden sein, da Böhringer die Spülmaschine täglich benutzt habe. Witting verweist insbesondere auf Kontakte Böhringers mit Personen aus der Schweiz, die er ,,namentlich nicht nennen möchte''.

Keine Akteneinsicht

Für Empörung sorgt bei den Anwälten, dass die mit den Ermittlungen im Fall Ursula Herrmann beauftragte Augsburger Staatsanwaltschaft keine Akteneinsicht gewähre. Auch das Schwurgericht habe um Übermittlung der Akten im Fall Herrmann gebeten, doch sei dies mit dem Hinweis auf eine ,,mögliche Gefährung eines Fahndungserfolgs'' abgelehnt worden.

Aus Sicht von Verteidiger Witting ist diese Weigerung ,,inakzeptabel''. Ein Einblick in die Akten sei ,,unverzichtbar'', um möglichen Verbindungen beider Fälle nachzugehen. Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft der neuen Spurenlage keine Bedeutung beimesse, ,,erstaunt mich sehr - wie kann es sein, dass eine DNS-Spur plötzlich zur Bedeutungslosigkeit degradiert wird?''Der Prozess wird am heutigen Dienstag fortgesetzt.

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