Böhringer-Prozess:Schleppender Showdown

Im Mordfall Böhringer wird zum dritten Mal plädiert - und neue Anträge sind nicht ausgeschlossen.

Alexander Krug

Einer schreibt immer mit: Benedikt T., 33, scheint jedes Wort in diesem Prozess notieren zu wollen. Papier um Papier füllt er auf der Anklagebank im Schwurgericht, als wolle er jedes gesprochene Wort, jeden Satz festhalten. Benedikt T. hat einmal Jura studiert, und so liegt der Gedanke nicht fern, dass er bereits Gründe sammelt, um gegen eine eventuelle Verurteilung vorzugehen. Dass auch seine Verteidiger Peter Witting und Stefan Mittelbach eine mögliche Revision beim Bundesgerichtshof im Blick haben, liegt in der Natur der Sache. Geschätzte 200 Beweisanträge haben sie dem Gericht bereits unterbreitet; ob es noch weitere werden, ist nicht absehbar. Am Donnerstag kündigten die Anwälte zwar an, keine Anträge mehr stellen zu wollen. Doch was heißt das schon in diesem Indizienprozess, der mittlerweile alle Dimensionen sprengt.

Böhringer-Prozess: undefined
(Foto: Foto: Hess)

Mehr als zwei Jahre ist es nun her, dass Charlotte Böhringer in ihrer Wohnung in der Baaderstraße erschlagen wurde. Mehr als 15 Monate dauert nun auch schon der Prozess gegen ihren Neffen Benedikt T., der wegen Mordes angeklagt ist. Für ihn geht es um alles oder nichts, um lebenslang oder Freispruch. Über den Ausgang des Verfahrens wird seit Beginn viel spekuliert.Benedikt T. sitzt seit der Tat im Mai 2006 in Untersuchungshaft. Der Umstand, dass bislang alle Anträge auf eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls abgelehnt wurden, dient manchen als Indiz für eine Verurteilung.

Doch die Richter lassen sich bislang nicht in ihre Karten schauen, dazu sind sie zu sehr Profis. Nicht minder erfahren sind auch die Anwälte, die das Gericht seit Monaten mit immer neuen Beweisanträgen bombardieren. Zweimal schon wurde die Beweisaufnahme geschlossen, zweimal schon stellten die Anwälte in ihren Plädoyers neue Hilfsbeweisanträge. Am Donnerstag wurde die Beweisaufnahme nun zum dritten Mal geschlossen, am heutigen Freitag wird somit zum dritten Mal plädiert.

Theoretisch könnte dieses Tauziehen noch endlos weitergehen. In der Strafprozessordnung (StPO) ist die Bearbeitung von Beweisanträgen an strenge Kriterien geknüpft. Zunächst einmal muss das Gericht jedem Antrag nachgehen, wenn er nicht von vornherein unzulässig ist. Die Kammer kann aber Beweisanträge auch ablehnen, etwa wenn sie ohne Bedeutung, überflüssig, bereits erwiesen oder völlig ungeeignet sind. Sie kann Anträge wegen "Prozessverschleppung" ablehnen, sie aber schlicht auch als "wahr" unterstellen.

Theoretisch steht das Recht, Beweisanträge zu stellen, allen Prozessbeteiligten zu. In der Praxis nutzen aber vor allem die Verteidiger diese Möglichkeit. In der Justiz wird daher immer wieder über eine Einschränkung dieses Rechts diskutiert, was naturgemäß auf heftigen Widerstand seitens der Anwaltschaft stößt.

Jeder Beweisantrag birgt für die Advokaten eine Hoffnung, für die Richter ein Risiko. In der Revision beim Bundesgerichtshof wird ein Urteil stets auf formale Fehler geprüft. Was nicht in einem Urteil steht, kann auch nicht als fehlerhaft gerügt werden. Vice versa gilt aber auch, dass etwa zu Unrecht abgelehnte Beweisanträge zu einer Aufhebung des Urteils führen können.

Jeder Indizienprozess kommt irgendwann an einen Punkt, an dem scheinbar jeder Zeuge vernommen, jede Spur verfolgt und jedes Indiz gewogen wurde. In diesem Stadium ist auch der Böhringer-Prozess. Dass die Verteidiger immer neue Beweisanträge nachschieben, ist aus ihrer Sicht verständlich. Dass die Richter bislang vielen dieser Anträgen nachgingen, ist keine Schwäche, sondern Notwendigkeit.

Ginge es nicht um eine so schwerwiegende Entscheidung wie die über Schuld oder Unschuld, ließe sich salopp vom letzten Geplänkel vor dem großen Showdown reden. Sicher ist derzeit nur eines: Wenn es zum Urteil "Im Namen des Volkes" kommt, wird es angefochten werden - ob von der Staatsanwaltschaft oder von der Verteidigung. Ebenso sicher ist die Prognose, dass Benedikt T. auch bei der Urteilsbegründung zum Stift greifen wird.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: