Böhringer-Prozess:"Es gibt kein einziges vernünftiges Motiv"

Im Böhringer-Prozess plädieren die Anwälte erneut auf Freispruch, ein Urteilstermin steht noch immer nicht fest.

Alexander Krug

In Münchens spektakulärstem und längstem Indizienprozess hält das zähe Ringen zwischen den Verfahrensbeteiligten an. Nach mehr als 15 Monaten und exakt 90 Verhandlungstagen haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung am Dienstagnachmittag zum zweiten Mal ihre Plädoyers vorgetragen.

Böhringer-Prozess

Ernste Miene: Der wegen Mordes an seiner Tante angeklagte Benedikt T.

(Foto: Foto: Heddergott)

Wie schon beim ersten Anlauf vor zwei Wochen forderten die Anwälte einen Freispruch für den wegen Mordes an seiner Tante Charlotte Böhringer angeklagten Benedikt T., 33. Der Staatsanwalt blieb bei seinem Antrag auf lebenslange Haft. Da die Verteidiger neue Beweisanträge stellten, ist ein Urteilstermin noch immer nicht absehbar.

"Ich kann mich kurz fassen. Ich wiederhole meinen Antrag vom 11. Juli." Während Staatsanwalt Martin Kronester nur wenige Sekunden brauchte, ließen es sich die Anwälte Peter Witting und Stefan Mittelbach nicht nehmen, nochmals ihre Sicht der Dinge darzulegen. Fest steht, dass die vermögende Parkhausbesitzerin Böhringer am 15. Mai 2006 zwischen 18.15 Uhr und 19.10 Uhr mit einem unbekannten stumpfen Gegenstand in ihrer Wohnung in der Baaderstraße erschlagen wurde.

Drei Tage später wurde ihr Neffe Benedikt T. wegen Mordverdachts festgenommen. Die Ermittler werfen ihm vor, seine Tante aus Habgier getötet zu haben. Er soll vor der Tat Geld aus Parkautomaten in die eigene Tasche gesteckt und befürchtet haben, bei Aufdeckung dieser Unterschlagung nicht nur seinen Job, sondern auch sein Erbe zu verlieren. Dies um so mehr, als er seiner geltungsbedürftigen und herrschsüchtigen Tante auch noch seinen Studienabbruch verschwiegen haben soll.

Der Angeklagte bestreitet die Tat von Anfang an. Seit Prozessbeginn am 2. Mai 2007 wurden zahlreiche Zeugen vernommen, die Prozessbeteiligten wälzten zahllose Dokumente und Vernehmungsprotokolle, Sachverständige gaben ihre Stellungnahme ab und DNS-Experten analysierten die Spurenlage. Die Verteidiger stellten Dutzende Beweisanträge und etliche Befangenheitsanträge, die nach und nach abgearbeitet wurden.

Witting und Mittelbach sind nach wie vor überzeugt, dass Benedikt T. zu unrecht angeklagt ist. "Es gibt kein einziges vernünftiges Motiv, keine eindeutigen Indizien", so Witting. "Was es gibt, sind nur viele offene Fragen." So sei weder bewiesen, dass Benedikt T. Geld aus den Parkautomaten gestohlen habe noch dass er überhaupt davon wusste, von Böhringer als Haupterbe eingesetzt worden zu sein. Geradezu "grotesk" sei auch die Vorstellung, er habe seine Tante wegen eines angeblich verheimlichten Studienabbruchs getötet.

Das Plädoyer der Anwälte begann um 14.24 Uhr. Am Vormittag war nochmals über ein Indiz gestritten worden, dem zumindest die Ermittler großen Wert beimessen. In Benedikt T.'s Wohnung hatte die Polizei drei Tageszeitungen (AZ, Bild und SZ) gefunden, die angeblich aus der Parkgarage stammten. Böhringer hatte die Angewohnheit, sich diese Blätter frühmorgens vor ihrer Wohnungstür ablegen zu lassen.

Am Morgen nach der Tat fehlten die Zeitungen. Die Ermittler vermuten, der Angeklagte habe sie mitgenommen, als er am Morgen nach dem Mord Spuren beseitigte. Die Anwälte stufen das Indiz als wertlos ein, da die Herkunft der Zeitungen völlig unklar sei. Der Angeklagte hatte erklärt, die Blätter aus dem Verkaufsraum der Parkgarage mit nach Hause genommen zu haben.

Knapp 16 Stunden, verteilt über zwei Tage, hatte das Plädoyer der beiden Anwälte beim ersten Anlauf vor zwei Wochen gedauert. Wie lange sich die Schlussanträge gestern hinzogen, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

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