Ganz schön wagemutig, der Kunst- und Gewerbeverein Regensburg. 1838 gegründet und damit einer der ältesten in Deutschland, hat er zum ersten Mal in seiner 175-jährigen Geschichte riskiert, an drei Künstler einen Auftrag für eine Konzeptausstellung zu vergeben. Ein Wagnis, das sich gelohnt hat, denn so viel Gesellschaftskritik in spielerisch-sarkastischer Form gab es in den vier großen Räumen des Vereins wohl noch nie zu sehen. "The Mess Yet To Come" nennen Felix Burger, Matthias Böhler und Christian Orendt ihr multimediales Gemeinschaftsprojekt. Die verspielten, hintersinnigen Installationen lassen keinen Zweifel daran, wer der Hauptverursacher des bevorstehenden Schlamassels ist: der Mensch, ein in den Augen der Künstler doch eher primitives Wesen mit ziemlich beschränkten Fähigkeiten.
Fechtern ähnlich lässt Felix Burger, 1982 in München geboren, seine zwei Figuren in thermoplastischen Schutzmasken und silbrig schimmernden Anzügen gegeneinander kämpfen. Auch wenn in dem achtminütigen Film "Don't be Maybe" (2020) durch die Verlangsamung alles elegant und tänzerisch aussieht, gibt es Punkte - ein Lampe leuchtet auf - nur für denjenigen, der er schafft, seinem Widerpart an die Genitalien zu greifen.
An eine katholische Prozession erinnert dagegen seine Installation in einem anderen Raum. Puppen auf Kinderschaukeln hängen von der Decke. Ihr Vorbeter kauert, Unverständliches murmelnd, mit Megaphon in einer Ecke, die Schaukler respondieren ihm brav. In vier Vitrinen liegen Votivgaben, es könnte sich um Herzen oder andere menschliche Innereien handeln, aber auch um Genitalien. Die Assoziationen zu den kirchlichen Missbrauchsskandalen stellen sich zwangsläufig ein. Dass die schaukelnden Puppen Hierarchien und Leistungsdruck gewohnt sind, verdeutlichen Schriftzüge auf ihrer Kleidung. "Maßlos überfordert" steht da, "zu gutmütig" oder "knappe Niederlage nach Punkten". "Four Fists For A Halleluja" (2022) nennt Burger, derzeit Professor an der Münchner Akademie, die Installation. Wobei es, anders als in der Westernparodie mit Bud Spencer und Terence Hill, hier weniger um die Fäuste denn um das Halleluja, also um den Glauben an höhere Mächte, geht.
Gespenster lesen die Leviten
Den Besucher zu beschwören versuchen auch drei verschwommene Geister in einem Spiegel. "A Mess Carol, as Told by a Candid Mirror" nennt sich das Gemeinschaftsprojekt der drei Künstler. Die Gespenster reden von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, lesen den Ausstellungsbesuchern auf Englisch die Leviten. Aber was sie von sich geben, sind moralische Plattitüden, nicht wirklich hilfreich, sondern eher absurd und ziemlich nah an den Ratschlägen, die aus den Sozialen Medien sprudeln. Wie der Mensch mit seinen Mitbewohnern umgeht, zeigen die Holzschnitte "The Revenants Reliefs" von Böhler & Orendt an den Wänden. Eine Schildkröte mit abgehacktem Kopf, ein Fuchs vor einer Eisenfalle, ein gerupftes Federtier im Suppentopf - auffallend ist, wie heiter die Tiere wirken.
Als Duo arbeiten Böhler & Orendt, 1981 und 1980 geboren, die sich während ihres Studiums an der Nürnberger Akademie kennenlernten, bereits seit 2008 zusammen. Inzwischen wurden sie für ihre Installationen mehrmals ausgezeichnet. Im vierten und letzten Saal der Galerie haben sie ihre seit 2011 bestehenden Performance-Reihen "Mehrung 9" und "Salbung 2" aufgebaut. In der Mitte des Raums eine überlebensgroße, in den Raum wuchernde Exponentialkurve, die - zumindest in einem Film - immer wieder von seltsamen, Papiertüten über den Kopf gestülpten Geheimbündlern gesalbt wird. Die Idee von der Anbetung des ewigen exponentiellen Wachstums - sehr witzig umgesetzt.
Felix Burger, Matthias Böhler und Christian Orendt: "The Mess Yet To Come" , bis 24. Juli, Di. bis So., 12-18 Uhr. Kunst- und Gewerbeverein Regensburg, Ludwigstraße 6.