BND-Zentrale in Pullach:Jetzt spitzeln wir mal

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Hinter den zahlreichen Überwachungskameras in Pullach verbirgt sich nicht die Bundesvermögensverwaltung, Abteilung Sondervermögen, Außenstelle München. Das sollten die Menschen in Pullach lange glauben. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Was essen Agenten zum Frühstück? Welche Zeitungen liest der Geheimdienstchef? Eigentlich ist das Gelände der BND-Zentrale in Pullach streng geheim. Doch bevor der Bundesnachrichtendienst nach Berlin umzieht, erlaubt er doch noch einen exklusiven Einblick - und offenbart überraschende Gegensätze.

Von Frederik Obermaier und und Tanjev Schultz

Waldhaus: Das klingt nach einem romantischen Ort, nach Ruhe und Frieden und dem Duft der Natur. Doch das "Waldhaus" ist eine muffige Holzbaracke des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Pullach. Früher saßen junge Geheimdienstler hier in den alten Hörsaalsitzen und wurden geschult. Es war eine Einführung in Feindbilder, West gegen Ost, BND gegen KGB, Gut gegen Böse. Die Russen sind in der Welt der Spionage noch immer keine Freunde, aber heute kämpft Deutschlands Auslandsgeheimdienst vor allem gegen Terroristen und Wirtschaftsspione.

Und immer wieder kämpft er auch um seinen Ruf. Seitdem Edward Snowden die Abhörexzesse der Amerikaner öffentlich gemacht hat, fragen sich die Deutschen: Was wusste eigentlich unser BND? Dass Dienste kooperieren, ist kein Geheimnis. Wo und wie, schon.

Der BND verrät nur ungern etwas über seine Arbeit. Transparenz ist von den professionellen Geheimniskrämern nicht zu erwarten. Nur äußerst selten dürfen Journalisten das Hauptquartier besichtigen; doch da der Dienst ohnehin bald nach Berlin umzieht, ist ausnahmsweise eine Tour möglich. Einige Räume bleiben allerdings verschlossen: In einem großen Quader steckt ein neues Rechenzentrum. Die futuristische Fassade im Wabenmuster passt zur Hochtechnologie im Inneren. Systematisch scannt der BND hier internationale Datenströme. Die Tricks der Technik behält er für sich. Sogar Fotos von außen sind tabu. Doch auch das, was nicht ganz so geheim ist, lässt tief blicken.

Fotos aus der BND-Zentrale
:"Hallo, hier Pullach"

Bald zieht der BND vom idyllischen Pullach nach Berlin. Noch allerdings arbeiten die meisten BND-Beamten in München - und sind täglich mit einer Vielzahl von Relikten aus der Vergangenheit konfrontiert. Ein Blick in die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Pullach in Bildern.

Von Alessandra Schellnegger

Zu bestaunen ist vor allem das Museale und Morbide, das sich auf dem 68 Hektar großen Gelände angesammelt hat, das einst die Nazis als Siedlung für ihre Parteikader anlegten. Da ist zum Beispiel der Präsidenten-Bungalow, in dem BND-Chef Gerhard Schindler übernachten kann, wenn er mal nicht in Berlin, sondern in Pullach arbeitet. Allzu geräumig ist der Bungalow nicht, Stühle und Sofas in biederem Beige verstellen den Platz. Immerhin gibt es einen Kamin und einen Fernseher - ein Röhrenmodell. An der Wand hängen alte Schinken: Bismarck und Friedrich II., zwei vordemokratische Preußen mitten in Bayern.

Neben einer Tür ist ordnungsgemäß ein Schild angebracht, wie man es aus Amtsfluren kennt. Darauf steht: "Küche". Vielleicht wär' man selbst darauf gekommen in Anbetracht des Herdes (sechs Platten), eines Eierkochers und einer Kiste Weißbier. An einer Wand hängt das Menü vom "Wienerwald", der offenbar bis nach Pullach liefert.

Und ein Zettel: Für Präsident Schindler bitte morgens Bild und Welt. Der Vizepräsident bevorzugt zur Morgenlektüre neben der Bild die SZ. Und dazu bitte Vollkornbrötchen. Zeitungsleser Schindler nennt die Unterkunft "zweckmäßig". Dort zu wohnen, erlaube es ihm, seine Pullach-Aufenthalte "maximal effizient" zu gestalten. Etwas anderes ist in der spießigen Kulisse auch schwer vorstellbar.

Die Präsidentenvilla ist, wie viele andere Gebäude auf dem 68 Hektar großen Areal, baufällig. Sie stammmt aus der Nazizeit, wurde zwischen 1936 und 1940 vom Architekten Roderich Fick erbaut. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Noch arbeiten die meisten BND-Beamten in Pullach, bis Ende 2016 sollen sie nach Berlin-Mitte in einen gewaltigen Neubau an der Chausseestraße ziehen. Etwa tausend Mitarbeiter sollen in dem Ort südlich von München bleiben. Seit klar ist, dass Pullach bald nur noch eine Nebendienststelle sein wird, spart man sich Renovierungen. Schimmelbefall, blätternder Putz, Wasser im Keller - auch die Villa, in der früher NSDAP-Reichsleiter Martin Bormann residierte und in der heute Gäste des BND empfangen werden, ist baufällig.

Das Areal wirkt wie ein verwaistes Dorf mit kleinen und einigen größeren Häusern, einem Tennisplatz, einer Druckerei. Gestrüpp umwuchert den Eingang einer Bunkeranlage, manchmal streift ein Fuchs über das Gelände, Enten watscheln über die Wege. Eine Ecke heißt bei den Beamten "Alpenblick". Ein weiß-blaues Lüftungsrohr sieht aus wie ein Maibaum. Die Geheimen, die hier arbeiten, sind Experten für Geo-Informationssysteme. Früher bedeutete das, Karten von fast jedem Winkel der Welt zu haben. Heute erfassen Satelliten jedes noch so entlegene Stück Land.

So viel Technik ist nicht unbedingt was für jeden. Im Untergeschoss eines Zweckbaus gibt es daher einen "Info-Raum Berlin". Dort können Mitarbeiter recherchieren, wie es sich leben mag in der Hauptstadt. Ein Stadtplan hängt an der Wand und ein Foto vom Roten Rathaus. In der Internet-Ära ist es fast rührend, dass da auf Tischen Broschüren ausliegen über Stadtteile, Siedlungen, Golf- und Countryclubs im Berliner Umland. Das alles müsste im Netz leicht zu finden sein - vor allem für die Meister der Informationsbeschaffung.

Einiges in Pullach wirkt wie aus einer anderen Zeit: auch der unterirdische Übungs-Schießstand. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Aber vielleicht ist es gerade das Raffinierte des BND, dass er im verschlafenen Pullach mitunter den Eindruck erweckt, noch gar nicht in der Welt der digitalen Informationen angekommen zu sein. Dass er zumindest auf Besucher eher piefig wirkt als groß und gefährlich. In Zeiten der großen Spähaffären machen sich Geheimdienste eben gerne kleiner, als sie sind.

© SZ vom 11.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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