BMX:Nur Fliegen ist schöner

An diesem Wochenende treffen sich Skater, Wakeboarder und BMX-Sportler beim Munich Mash im Olympiapark. Die Münchner BMX-Szene ist kleiner als in anderen Städten, aber nicht weniger leidenschaftlich. Auch wenn es mal weh tut

Von Linus Freymark

BMX Radfahren

Darf's ein bisschen höher sein? Kilian Frey (re.) und Florian Ehrl fliegen über den Skatepark in Dachau.

(Foto: Niels P. Joergensen)

"Fuck, fuck, fuuuuck!" Kilian Frey gerät in Rücklage, macht zwei letzte, verzweifelte Trippelschritte, dann der Schrei. Die Landung geht daneben, sein Fahrrad schießt nach vorne. Frey fällt nach hinten, stürzt auf den Boden - und lacht. Nur ein Sturz von vielen, nichts Schlimmes. Das kommt eben vor beim BMX-Fahren.

BMX, das steht für Bicycle Motocross. Die Sportart entstand Ende der Sechzigerjahre in den USA - mit speziellen, leichten Fahrrädern werden dabei Sprünge und Stunts vollführt. Die Sportler fahren dafür über Rampen in Skateparks oder suchen sich ihre eigenen Hindernisse auf der Straße oder im Gelände. Je nach Länge der Rampen können die Biker so meterhohe Sprünge ausführen. Bei den Sommerspielen 2020 in Tokio wird die Disziplin erstmals olympisch.

An diesem Wochenende treten beim Munich Mash im Olympiapark zwölf der besten BMX-Fahrer, Wake- und Skateboarder der Welt in getrennten Wettbewerben gegeneinander an. Die Sportler stürzen sich dabei von einem acht Meter hohen Turm in die Tiefe und müssen auf einem Parcours von 100 Metern Länge drei individuell gestaltete Sprünge präsentieren.

Kilian Frey rappelt sich wieder auf, der Skatepark in Dachau liegt weitgehend verlassen in der Nachmittagshitze. Eigentlich sei es viel zu heiß zum Fahren, hatte der zuständige Streetworker noch gesagt, kurz bevor der 18-jährige Frey auf seinem Bike angebrettert kam, gemeinsam mit seinem Kumpel Florian Ehrl, 21, weites T-Shirt, Tunnel in den Ohrläppchen. Offenbar gebe es gleich zwei Verrückte, fügt der Streetworker an, als er die Jungs erblickt. Ehrl und Frey ist die Hitze egal.

Wann immer es geht, fährt Ehrl in einem der Skateparks in und um München. Wann immer es geht - im Normalfall heißt das bei ihm sechsmal die Woche. Meist fährt er nach Dachau, der Park ist von seiner Wohnung in Untermenzing aus der nächstgelegene. Mit 14 Jahren hatte er auf dieser Anlage mit dem BMX-Sport angefangen, am 30. September 2011 war er das erste Mal zum Biken hier. Das Datum vergisst er nie - er hat es sich sogar auf den Unterarm tätowieren lassen. Zuvor war Ehrl zum Skateboard fahren hier, aber das mit dem BMX-Fahren, "das hat sich einfach mehr gebockt", sagt er.

Entdeckt habe er den Sport in Youtube-Videos, seine ersten Kunststücke habe er sich einfach abgeschaut. Es gibt in der BMX-Szene keine kommerziellen Trainer, die Biker bringen sich ihre Stunts selbst bei oder lernen sie von ihren Kollegen. Gerade am Anfang ist das oft mit schmerzhaften Stürzen verbunden. Nicht alle gehen so glimpflich aus, wie der von Kilian Frey an diesem Nachmittag. Eine lange Narbe an Ehrls rechtem Knöchel erzählt davon.

Florian Ehrl stürzt sich die erste Rampe herunter. Im Stehen kurvt er auf seinem Bike durch die Anlage, setzt zu Sprüngen an, nimmt die Hände vom Lenker und fliegt freihändig durch die Luft, dann reißt er sein schwebendes BMX-Rad um 180 Grad herum. Und dann, bei einem gemeinsamen Stunt, stürzt Frey. Kurze Pause, eine schnelle Analyse, was schiefgelaufen ist, dann geht es weiter. Schon bald läuft beiden der Schweiß von der Stirn, tropft auf den heißen Beton. Das Fahren ist anstrengend, die stechende Sonne macht es nicht gerade leichter. Trotzdem machen Ehrl und Frey erst noch ein paar weitere Stunts, bevor es zur Trinkpause unter das schattige Vordach vor dem Zeughaus der Skateanlage geht.

"Ohne BMX würde es nicht mehr gehen", sagt Ehrl während der kurzen Pause und dreht sich eine Zigarette. Er hat bereits mehrere Wettbewerbe gewonnen, in fast allen Bereichen seines Lebens spielt der Sport eine Rolle. An seinem Auto klebt ein Aufkleber mit der Aufschrift "flo_bmx": Ehrls Instagram-Account, auf dem er Videos seiner Sessions hochlädt. Viele davon gehen gut, kommen ohne schlimme Stürze aus. Aber auf seinem Smartphone hat Ehrl auch Clips von misslungenen Landungen. Bei einem Wettbewerb in Plauen in Sachsen vergangenes Jahr ist er nach der Landung vornüber auf den Asphalt gestürzt. Dabei brach sich Ehrl das Schien- und Wadenbein und das Syndesmoseband riss. Trotzdem ist er am selben Abend auf die After-Show-Party gegangen, auf Krücken. Bei einem "Ride" in Regensburg hat er sich bei einem Sturz an der Schulter verletzt, seitdem hängt die rechte ein bisschen tiefer als die linke. Auch Frey hat sich mal die Schulter ausgekugelt - seitdem fährt er zwar ein bisschen zurückhaltender, aufhören aber kommt für beide nicht infrage.

Im Vergleich zur Kölner oder Berliner BMX-Szene ist die in München zwar eher klein, aber dafür kennen sich die Biker untereinander. Ehrl und Frey schätzen, dass sie ungefähr 40 bis 50 andere BMX-Fahrer regelmäßig treffen. Daraus entstünden oft Freundschaften. Es gebe in München nicht so viele Skateparks wie in anderen Großstädten, aber jede Anlage sei ein bisschen anders. Oft reiche schon eine Stange mehr oder eine etwas steilere Rampe, damit einem Ideen für neue Tricks kommen, erklärt Frey. "Klar könnte es mehr Parks geben", sagt er, "aber wirklich beschweren können wir uns nicht."

An diesem Wochenende werden auch Ehrl und Frey beim Munich Mash sein, wie eigentlich jedes Jahr. Ehrl hofft, dort sein Vorbild sehen zu können: Simone Barraco, einer der Stars der Szene. Von ihm hat Ehrl einst ein Youtube-Video gesehen, damals, vormehr als sieben Jahren. Es war das Video, dessentwegen er mit dem BMX-Fahren angefangen hat.

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