Grau und abweisend erscheint das BMW-Werk im Münchner Norden derzeit: Hinter dem markanten Firmenhauptquartier, dem Vierzylinder, tun sich Hallen auf und schwere Werkstore mit Wachpersonal. Was da drin vorgeht, ist den meisten Münchnern nicht so ganz klar. Stattdessen versperrt das große Werksgelände die Laufwege der Anwohner.
Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern, denn nun liegen Zukunftsvisionen für dieses Areal vor, die einen ganz anderen Ansatz haben. Gerade bei den favorisierten Entwürfen gesellen sich Glas und Grün, Transparenz und Natur zur Technik und Fabrikproduktion.
Unter dem Motto "BMW München - urbane Produktion" hatte der Münchner Automobilkonzern im vergangenen Herbst sechs Architekturbüros aufgefordert, einen Masterplan zu entwerfen, wie sich das seit fast 100 Jahren gewachsene Fabrikgelände des Unternehmens, direkt hinter dem Vierzylinder, zu einem modernen Produktionscampus umgestalten lässt. Eigentlich wollte ein Preisgericht unter Beteiligung von OB Dieter Reiter (SPD), Architekten und BMW-Vorständen am vergangenen Donnerstag und Freitag einen Sieger küren.
Um den Sieg im Wettbewerb streiten zwei renommierte internationale Büros
Doch nach Informationen der Süddeutschen Zeitung kristallisierte sich schnell heraus, dass zwei Entwürfe so vielversprechend sind, dass beide nun bis Mai ihre Ideen ausarbeiten sollen: Zum einen das Büro OMA aus Rotterdam, das Rem Koolhaas leitet. Gemeinsam mit Vogt Landschaftsarchitekten und der Firma Systematica aus Mailand hat Koolhaas einen Entwurf präsentiert, bei dem die neue Fabrik geradezu museale Eingangstore erhält und durch transparentes Glas eine Öffnung hin zum Olympiapark entstehen lässt. Den zweiten Favoriten hat das Architekturbüro 3XN aus Kopenhagen entworfen, das etwa die Basketball-Sportarena im Olympiapark gestaltet und sich mit dem Landschaftsarchitekturbüro Latz zusammengetan hat. Grüne Dächer und ein für Bürger und BMW-Fans begehbarer Steg durchs Werk von West nach Ost sind Merkmale dieser Vision.
Bislang baut BMW im Stammwerk die 3er- und 4er-Modelle, zudem Verbrennermotoren. Doch die Antriebswelt ändert sich, statt Limousinen mit Benzin- und Dieselmotoren fordert die Politik den zunehmenden Bau von Elektrofahrzeugen. Deshalb fertigen schon jetzt die 7000 Arbeiter in München auch den i4, eine sportliche batterieelektrische Limousine im 3er-Format. Derzeit ist das ein sehr kompliziertes Unterfangen, das angesichts der schweren Batterien nur mit einigen mühsamen Tricks funktioniert. Damit es künftig effizienter und kostensparender läuft, bekommt der i4 zwei komplett neue Hallen, passend für E-Autos.
Und wenn das Traditionswerk dann schon elektrifiziert ist, so der Gedanke bei BMW, könnte man das ja auch zeigen und überhaupt zeitgemäß auftreten: gegenüber den Kunden, den Mitarbeitern, aber auch den Münchner Bürgern, die auf der anderen Seite der im Moment noch abweisenden Fabrikmauer wohnen und nicht wissen, was sich da eigentlich abspielt. Die Lage mitten in der Stadt macht es nicht einfach, jeder Umbau gleicht einer Operation am offenen Herzen. Doch ist das eben auch spannend: eine große industrielle Herzkammer mitten in der Stadt. Das gibt's sonst kaum auf der Welt. Das soll sichtbarer werden - findet offenbar auch die Jury.