Designmesse Blickfang in München„Wenn es nur noch große Modeketten gibt, wird die Stadt ärmer“

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Schmuckdesignerin Saskia Diez.
Schmuckdesignerin Saskia Diez. (Foto: Sigrid Reinichs)

Schmuckkünstlerin Saskia Diez über die Herausforderungen für junge Labels und die Schwierigkeit, im teuren München den Wunsch nach Individualität umzusetzen.

Interview von Sabine Buchwald

Vor 18 Jahren begann Saskia Diez, ihr gleichnamiges Schmucklabel aufzubauen. Seit 2008 führt sie ihren Laden in der Geyerstraße. Sie allein als Schmuckdesignerin zu bezeichnen, wäre zu wenig. Die gelernte Goldschmiedin,48, hat Industriedesign studiert und arbeitet immer wieder für bekannte Marken zuletzt etwa für Marco Polo, Dr. Hauschka, Zwieselkristall. Sie engagiert sich zudem in der Münchner Kulturszene, hat zum Beispiel gerade das Griechische Filmfest unterstützt. Bei der Designmesse Blickfang war sie viele Jahre Beraterin und auch Kuratorin. Nun ist die Messe nach sieben Jahren Pause wieder in der Stadt und Diez als Jurorin gefragt.

SZ: Frau Diez, Sie waren in früheren Jahren als Kuratorin für die Blickfang auch bei der Auswahl der Aussteller beteiligt. Nach welchen Kriterien geht man da vor?

Es geht darum, ein möglichst interessantes, inspirierendes Bild für die Besucher zusammenzustellen, abseits von dem, was man sonst überall sieht, also von den großen Firmen, die in den Fußgängerzonen zu finden sind. Man achtet darauf, möglichst qualitativ hochwertige, besondere Dinge zu präsentieren. Das muss nicht dem eigenen Geschmack entsprechen, damit hat eine solche Auswahl nicht viel zu tun, sondern mit der Frage: Was verdient besondere Aufmerksamkeit und wie kann man kreative Leute unterstützen?

Was hat sich in den vergangenen Jahren im Designbereich und im Kunsthandwerk verändert?

Ich habe festgestellt, Veränderungen kommen in Wellenbewegungen, schwappen immer wieder hin und her - von klein und individuell zu groß und Mainstream und zurück. In der Covid-Zeit hatten viele Dinge eine Chance, die sonst keine so große Beachtung finden. Da gab es viel Augenmerk auf das eigene Zuhause, auf Möbel und Einrichtungsaccessoires und auch auf Schmuck. Fashion hatte es hingegen schwerer. Jetzt gehen die Leute wieder mehr aus und holen Reisen nach, deshalb bekommt Mode wieder einen größeren Stellenwert.

Wir leben in politisch aufwühlenden Zeiten, inwiefern beeinflussen politische Entwicklungen die Designbranche?

In vielerlei Hinsicht. Seit ein, zwei Jahren ist eine enorme Schnelligkeit spürbar. Das hinterlässt Spuren. Viele Leute fühlen sich erschöpft von den permanenten Eindrücken. Gleichzeitig gibt es eine Sehnsucht nach Authentischem, Echtem, wovon man nicht nur geblendet wird. Und es ist in der Branche viel Härte zu spüren. Bei den großen international agierenden Unternehmen lastet ein enormer Druck auf den Designern, die krass schnell ausgewechselt werden, wenn die Zahlen nicht stimmen. Für Kunsthandwerker und kleine Marken ist es schwieriger denn je, sich durchzusetzen.

Drückt sich diese Härte in den Arbeiten aus?

Es fällt auf, dass in den großen Häusern erfolgreiche Trends oft lange wiederholt werden. Man setzt mehr auf Bewährtes. Eigene Handschriften lassen sich immer weniger erkennen. Den Designern wird leider wenig Zeit gelassen für Experimente.

Es gibt gerade viele verschiedene Design- und Modeströmungen nebeneinander, ist das schwierig oder eher besser für kleine Labels?

Da sind die großen Trends, was man gut in der Mode beobachten kann, doch spüre ich schon auch ein Verlangen nach Freude, Exzentrizität, sich mit Mode und Accessoires auszudrücken. Das gab es in dieser Weise schon länger nicht mehr. Ich sehe das auch bei mir im Schmuckbereich, einerseits wollen die Kunden etwas ganz Zartes, Sensibles. Andererseits so ein „Hallo, ich bin hier“-Statement. Ich erkenne das auch bei der neuen Generation. Manche junge Leute sind wahnsinnig perfekt und glattgebügelt; aber man findet eben auch Vertreterinnen und Vertreter der Bewegung: Ich bin so, wie ich bin, wenn es dir nicht gefällt, ist es mir auch egal. Da können kleinere Labels ansetzen.

Inwiefern ist Kreativität auch Ausdruck des Standortes beziehungsweise der Herkunft der Designer?

Eine eigene Position zu beziehen und eine Individualität zum Ausdruck zu bringen, hat schon auch eine politische Dimension. In Bezug auf Mode gesprochen: Ich bin großer Fan von einigen ukrainischen Fashionbrands, die ich schon seit zehn Jahren begleite wie etwa Litkovska oder Bevza. Bei denen beobachte ich den absoluten Willen zur Gestaltung. Da ist Erschöpfung zu spüren, aber keine Müdigkeit, sich ausdrücken zu wollen. Das berührt mich sehr. Das finde ich kraftvoll und stark.

„Wo es erschwinglich ist, ist oft alles wahnsinnig langweilig“

Wie schätzen Sie den Standort München ein, welcher Stil wird hier von Kunden vor allem nachgefragt?

Der Wunsch nach Individualität lässt sich in München schwierig umsetzen, weil alles so wahnsinnig teuer ist. Wenn man keine große Lust auf die Big Brands hat und vielleicht auch nicht das Geld dafür, dann weiß man hier kaum, wo man zum Einkaufen gehen soll. Wo es erschwinglich oder so mittelteuer ist, ist ganz oft alles wahnsinnig langweilig. Viele, vor allem wohlhabendere Leute, schauen sehr stark auf Marken, die schon etabliert und wiedererkennbar sind. Aber es gibt hier auf jeden Fall auch eine große Liebe für gutes Handwerk und Leute, die Qualität und gutes Design sehr schätzen.

Sind solche Messen eine gute Alternative für junge Labels, die keinen eigenen Laden haben, sich zu präsentieren?

Ja, natürlich. Solche Veranstaltungen haben eine große Zugkraft. So viel Aufmerksamkeit kann man aus eigener Anstrengung kaum schaffen. Wenn man ein unabhängiges Label aufbauen möchte, hat man so viel gleichzeitig zu tun: Man muss seine Entwürfe machen, die Produktion koordinieren, aber auch Kraft in die Kommunikation, also Werbung investieren, und jeden Monat die Miete ranschaffen. Man muss an so vielen Stellen performen, Talent allein reicht halt leider einfach nicht. Wenn man in München anfängt, etwas aufzubauen, ist man sehr schnell mit einer Art Hoffnungslosigkeit konfrontiert.

Der Blickfang-Gründer Dieter Hofmann bezeichnet Messen dieser Art als Orte für „perfekte Marktforschung“.

Das stimmt schon, man ist ganz nah am Kunden dran, erfährt unmittelbar, was wie ankommt, was gekauft wird. Manche Messe-Erfolgstorys spiegeln oft etwas ganz anderes wider, als das, was Geschäftsleute sonst so erleben. Gerade in München geben derzeit so viele kleine Läden auf, weil die Umstände zu schwierig werden. Wenn es nur noch große Modeketten gibt, wird die Stadt immer ärmer. Unterstützung, etwa von Seiten der Vermieter, wäre da sehr wichtig.

Sie sind dieses Jahr Mitglied der Preisjury der Blickfang. Womit kann man Sie beeindrucken?

Mut ist eine Kategorie, die ich sehr honoriere. Eine eigene Sprache, ein eigener Ausdruck, was für Designer oder Kunsthandwerker immer schwieriger zu finden ist. Einer der Gründe dafür sind die Sozialen Medien, wo einem vorgegaukelt wird: Es gibt eh schon alles. Das kann orientierungslos machen.

Welche Bedingungen sollten Messen bieten, damit sich Aussteller und Kunden wohlfühlen?

Licht und die Akustik sind wichtige Aspekte. Diese beiden Faktoren können manchmal wahnsinnig stressig sein, für den Kunden und die Aussteller. Ich hoffe sehr, dass die Blickfang auf der Praterinsel das gut hinbekommt.

Informationen zur Messe Blickfang

Von 22. bis 24. November findet auf der Praterinsel die Designmesse Blickfang statt. Zuletzt war sie 2016 in München zu Gast, insgesamt bislang hier erst drei Mal. Der Mangel an einer passenden Location sei der Grund, weshalb die Messe so lange in München pausiert habe, erklärt eine Sprecherin der Blickfang. Ihren Anfang nahm die Messe 1991 in Stuttgart, seitdem gehört sie in Zürich, Basel, Wien und Hamburg fest zum Eventrepertoire. Laut des Veranstaltungsteams um Gründer Dieter Hofmann ist die Blickfang mit ihrem Onlineshop die größte Plattform für unabhängiges Design in Europa. Etwa 100 Labels werden in München diesmal dabei sein. Ein Drittel davon kommt aus München und Umgebung, ein Drittel aus anderen Bundesländern und ein weiteres Drittel aus dem europäischen Raum. Die Teilnehmer müssen sich bewerben und werden von einer Jury ausgewählt. Die Entscheidung für München sei kurzfristig erst im Juni dieses Jahres gefallen. Dennoch sei das Interesse groß gewesen. 40 Firmen habe abgesagt werden müssen. In den Kategorien „Möbel und Produktdesign“ sowie „Mode und Schmuck“ werden zwei Preise vergeben, die mit 2500 Euro dotiert sind. Die Juroren Stephan Demmrich, Chefredakteur des Magazins Good life, Jürgen Kellner, Manager der Einrichtungsshops Magazin, sowie Schmuckdesignerin Saskia Diez werden am Freitagabend die Auszeichnungen vergeben. Öffnungszeiten: Freitag, 22. November, 14 bis 20 Uhr, Samstag, 23. November, 11 bis 19 Uhr, Sonntag, 24. November, 11 bis 18 Uhr. Tageskarten kosten 12 und ermäßigt zehn Euro, einen Dreitagespass gibt es für 25 Euro.

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