Blick zurück:Designer erforschen eigene Geschichte

In einem Jahr soll die Fakultät der Hochschule umziehen. Derzeit beschäftigt sie sich mit ihrer gestalterischen Vergangenheit und ihren kreativen Ahnen. Im neuen Gebäude könnte ein Archiv entstehen mit historischen Fotos und alten Zeitungsartikeln

Von Jakob Wetzel

Seine Arbeit ist in München nahezu allgegenwärtig. Sie prangt auf Postkarten, auf Stempeln, auf offiziellen Briefköpfen, Souvenirs und sogar auf Gullydeckeln. Jeder Münchner kennt diese Figur von Eduard Ege: eine schwarzgewandete Kapuzengestalt mit rechteckigem Leib, ihre rechte Hand ist zum Segen erhoben, in der linken hält sie das Evangelienbuch, die Gewandärmel fallen senkrecht herab, fast bis zum Boden hinunter, und auf dem Körper trägt die Figur ein goldgelbes Kreuz. Klar: Das ist der Mönch im Stadtwappen, landläufig auch bekannt als "Münchner Kindl". Aber wer war Eduard Ege?

Blick zurück: Einige Beispiele für ihre Geschichte und Vorgeschichte haben die Designer der Hochschule bereits zusammengetragen: Etwa Studienarbeiten in Industriedesign, wohl aus den Achtzigerjahren.

Einige Beispiele für ihre Geschichte und Vorgeschichte haben die Designer der Hochschule bereits zusammengetragen: Etwa Studienarbeiten in Industriedesign, wohl aus den Achtzigerjahren.

(Foto: Hochschule München)

Den Namen Eduard Ege kennen nur Spezialisten; doch er war der Designer, der diese Figur im Jahr 1957 entworfen hat. Zuvor hatte die Stadt München ein Wappen verwendet, das ähnlich war, das ebenfalls einen Mönch zeigte wie seit Jahrhunderten schon, das aber doch ganz anders aussah. Die Schlichtheit, die geometrische Form, die Symmetrie und auch das Kreuz vor dem Bauch, das alles kam erst mit Ege. Ebenso verdankt das Bayerische Staatswappen dem Mann seine heutige Gestalt. Die Designer der Hochschule München rechnen Ege zu ihren Ahnvätern. Und deshalb sind es Geschichten wie diese, nach denen sie jetzt suchen.

Blick zurück: Das Motiv "Glasplattenstapel I" stammt von Willy Zielke, der bis 1936 an der Bayerischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen lehrte, aus welcher der Studienzweig Fotodesign hervorgegangen ist.

Das Motiv "Glasplattenstapel I" stammt von Willy Zielke, der bis 1936 an der Bayerischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen lehrte, aus welcher der Studienzweig Fotodesign hervorgegangen ist.

(Foto: Friedrich Ostermann)

Die Fakultät für Design steht vor einer Zäsur. In einem Jahr bezieht sie ihr neues Haus an der Lothstraße, ein vom Berliner Architekturbüro Staab modernisiertes früheres Kasernengebäude aus dem 19. Jahrhundert, das zugleich den Kopfbau des künftigen Kreativquartiers in Neuhausen bilden soll. Nach vielen Jahren in einem unscheinbaren Trakt an der Infanteriestraße werden die Designer ein repräsentatives Zuhause bekommen - mit dem sie hoffentlich stärker wahrgenommen würden als bisher, sagt Ben Santo, der Dekan. Doch bevor die Fakultät den Schritt in die Zukunft wagt, will sie ihre Vergangenheit erforschen, ihre Geschichte und auch ihre Vorgeschichte mit Absolventen und Dozenten wie etwa Ege: Der Designer lehrte von 1927 bis 1958 an der "Meisterschule für Deutschlands Buchdrucker", die später "Akademie für das Graphische Gewerbe" hieß - und die 1971, als die Münchner Fachhochschule gegründet wurde, in dieser aufgegangen ist. Der heutige Fachbereich Kommunikationsdesign sieht sich in Eges Tradition.

Blick zurück: Eine Studiosituation in den Fünfzigerjahren.

Eine Studiosituation in den Fünfzigerjahren.

(Foto: Friedrich Ostermann)

Man brauche ein Haus und eine Vergangenheit, das gehöre zusammen, sagt Ben Santo: "Wenn man kein Gebäude hat und keine Geschichte, dann ist man gar nicht so richtig da." Im Sommer 2018 soll sich für seine Fakultät beides ändern. Die Hochschule wird dann zwar erst 47 Jahre alt sein, ihre Geschichte verfolgen die Designer aber zurück zu deren Vorgängern. Dazu rechnen sie vor allem drei Institute: Die erwähnte, 1927 von Paul Renner gegründete "Meisterschule für Deutschlands Buchdrucker", aus der mehrere Institute hervorgegangen sind; außerdem die "Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie", die Georg Emmerich 1900 ins Leben rief und aus der letztlich der Fachbereich Fotodesign an der Hochschule geworden ist; und schließlich das Oskar-von-Miller-Polytechnikum, als "Höhere Technische Lehranstalt der Stadt München" 1924 gegründet, dessen Abteilung Feinwerktechnik für den Fachbereich Industriedesign der Münchner Hochschule Pate stand.

Blick zurück: Das Münchner Kindl ist ein Werk des Gebrauchsgrafikers Eduard Ege.

Das Münchner Kindl ist ein Werk des Gebrauchsgrafikers Eduard Ege.

(Foto: Eduard Ege)

Zusätzlich zur Geschichte dieser Designschulen will die Fakultät auch das Wirken prägender Dozenten in den Blick nehmen - von Designern wie Renner und Ege, aber auch zum Beispiel von dem Plakatdesigner Jan Tschichold, von Hanna Seewald, Willy Zielke, Georg Trump oder Udo Geißler. Ein Forschungsteam der Hochschule stöbert in Kooperation mit anderen Institutionen in Archiven und Museen und sucht Zeitzeugen. Doch die Suche ist schwierig, denn Vorarbeiten gebe es kaum, sagt Santo. Bislang hätten sich Historiker allenfalls für das berühmte Bauhaus und für die Designhochschule Ulm interessiert. Für München stehe man ganz am Anfang.

Blick zurück: Eduard Ege lehrte bis 1958 an der Meisterschule für Deutschlands Buchdrucker, einer Vorläuferin unter anderem der Design-Fakultät der Hochschule.

Eduard Ege lehrte bis 1958 an der Meisterschule für Deutschlands Buchdrucker, einer Vorläuferin unter anderem der Design-Fakultät der Hochschule.

(Foto: Eduard Ege)

Die Fakultät bittet deshalb Absolventen und frühere Dozenten der genannten Schulen sowie Schüler und Zeitgenossen um Hilfe: Sie sucht Modelle, Studien- und Unterrichtsarbeiten und historische Fotos ebenso wie Studien- und Diplomarbeiten oder alte Zeitungsartikel. Wer helfen möchte, kann sich unter 089/ 12 65 42 01 an die Design-Fakultät wenden. Im Idealfall wolle man mit den gesammelten Dokumenten ein Forschungsarchiv zur Geschichte des Designs in München aufbauen, sagt Dekan Ben Santo. Und in einem zentralen gläsernen Pavillon im neuen Fakultätsgebäude soll künftig Platz sein für wechselnde Ausstellungen. Dort sollen aktive Designer zeigen, woran sie arbeiten. Und zusätzlich soll es Einblicke in die Geschichte geben.

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