Weihnachtsgeschäft: „Die Menschen kommen wieder gerne in die Münchner Innenstadt“

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Dichtes Gedränge am frühen Samstagabend vor der glitzernden Fassade des Kaufhauses Oberpollinger am Münchner Stachus. (Foto: Florian Peljak)

Black Friday, erster Advent und Christkindlmarkt locken Hunderttausende in die Fußgängerzone. Der Einzelhandel zeigt sich zufrieden – und hofft auf noch mehr Kauflust.

Von Sabine Buchwald

„Die Münchner scheinen wieder Lust am Einkaufen zu haben.“ Zu diesem Resümee kommt Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern, am Samstagabend nach Einbruch der Dunkelheit. Das erste von vier Wochenenden in der vorweihnachtlichen Zeit beginnt für die allermeisten Händler in der Münchner Innenstadt mit einem guten Umsatz. Zusehens füllt sich ab Mittag die Fußgängerzone mit Menschen. Wer ungehindert und zügig durchkommen will, muss geübt im Slalom laufen sein oder braucht Strategien: patrouillierenden Polizisten hinterhergehen zum Beispiel. Ihren Peak erreicht die Passantenzahl in der Kaufingerstraße nach 16 Uhr mit mehr als 18 000 Menschen in der Stunde. Es werden merklich auch immer mehr pralle Taschen und Tüten durch die Menge gezwängt, obwohl sich seit Jahren eine Tendenz abzeichnet: Die Deutschen kaufen die Geschenke meistens erst Mitte Dezember. Außerdem liegt inzwischen etwa ein Drittel aller Gaben an Familie und Freunde in Papierform unterm Weihnachtsbaum. Es werden viele Gutscheine verschenkt, und die kann man auch mal nebenbei besorgen, dazu muss man eigentlich nicht an einem Adventssamstag in die Münchner Innenstadt. Aber es ist die Jagd nach Schnäppchen, die viele Leute an diesem ersten Wochenende anlockt. Sogar schon am Freitag.

Denn der vorweihnachtliche Shoppingauftakt fiel dieses Jahr auf das Ende der sogenannten Black-Friday-Week, eine aus den USA kommende, den Verkauf anheizende Rabattidee. Vor allem vom Stachus Richtung Marienplatz, wo die Fußgängerzone mit der Neuhauser Straße beginnt und nach knapp 400 Metern in die Kaufingerstraße übergeht, prangen hohe fettgedruckte Zahlen. 50 Prozent beim Schuhhändler Deichmann, 40 Prozent bei den Modeläden Reserved und Benetton etwa. Das auf Luxusmarken fokussierte Kaufhaus Oberpollinger wirbt mit 20 Prozent „auf Beauty“. Wer dort unschlüssig vor dem Eingang steht, wird von einer Melange aus Düften benebelt, die über die Lüftungsanlage nach draußen dringt. Das mag nach innen ziehen oder abschrecken, je nach olfaktorischen Vorlieben.

Auch das Gedränge ist Geschmackssache. Immerhin hat die Dauerbaustelle bei der Alten Akademie ihr Ausmaß reduziert. Richtung Marienplatz aber wird es immer enger. Von hier breitet sich der Christkindlmarkt mit seinen Buden krakenartig in die Seitenstraßen aus. Genervt ruft eine schwarzbekleidete Teenagerin laut schimpfend einer Freundin zu: „Ich hasse München, Alter.“ So negativ denkt das Ehepaar, das sich in den Fünf Höfen eine Verschnaufpause gönnt, bislang nicht. Die beiden hören sich Weihnachtslieder an, die eine Geigerin und eine Cellistin spielen. Doch das Paar aus Hessen sagt: „Wenn wir vorher bedacht hätten, dass Black Friday in den Advent fällt, wären wir sicher nicht dieses Wochenende nach München gekommen.“ Die verbilligten Preise nehmen sie aber doch gerne mit. Adidas-Sneakers für den Sohn und so manches mehr werden sie nach Hause bringen.

Gäste aus Dubai auf dem Münchner Christkindlmarkt: (von links) Zayn Alnisani, Yara Alnisani und Saja Shabib. (Foto: Florian Peljak)

Etwas entsetzt vom Chaos, aber freundlich lächelnd, stehen zwei Frauen aus Dubai an einem Stand am Marienplatz. Die Jüngere von ihnen wartet auf ihren Bruder, der hier seine Zahnarztausbildung fertig macht. Das Wochenende davor waren sie in Paris gewesen. „Da war der Weihnachtsmarkt viel geordneter“, sagt die etwas Ältere auf Englisch. „It’s too much here in Munich.“

Auch in der durch Mandel- und Würstlbuden verengten Weinstraße neben dem Rathaus ist kaum ein Durchkommen am späteren Nachmittag. Wer an den prächtig geschmückten Adventskränzen vor dem Blumenladen Bahlmann stehenbleibt, wird selbst zum Hindernis. In der sonst hochpreisigen und deshalb meiste ruhigeren Theatinerstraße, wo die Rabatte eher dezent an den Fensterscheiben angezeigt werden, sind an diesem Samstag mehr als 90 000 Menschen unterwegs. In der Sendlinger Straße werden über 80 000 Passanten gezählt.

Adventskränze im Schaufenster von Blumen Bahlmann im Münchner Rathaus. (Foto: Florian Peljak)

Für eine langjährige Verkäuferin bei Galeria, ehemals Kaufhof, am Marienplatz hat der Zulauf der Kunden gefühlt nicht ganz das Maß erreicht, wie in früheren Jahren, also vor der Corona-Pandemie. Sie sagt: „Wir haben vergessen, wie die Situation früher an den Vorweihnachtssamstagen war.“ Sie ist seit 20 Jahren in dem immer noch umsatzstarken Kaufhaus angestellt und wundert sich über die Kunden: „Die Leute haben kaum noch Geduld, wenn sie mal etwas länger an der Kasse anstehen müssen.“ Sie findet es verrückt, und eigentlich auch unverständlich, dass ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit noch zusätzliche Rabatte abgezogen werden. „Ich glaube, wir haben die Menschen zu Geiz ist geil erzogen“, sagt sie und zuckt die Schultern.

„Insgesamt sind die Geschäftsleute sehr zufrieden nach dem Samstag“, sagt Wolfgang Fischer, Geschäftsführer des Vereins City-Partner, eine Vereinigung der Geschäftsleute der Münchner Innenstadt. Es sei ein hoffnungsvoller Auftakt nach einem für die Händler nicht ganz einfachem Jahr. Vor zwölf Monaten, als München am ersten Advent unter einer dicken Schneedecke lag, sahen die Zahlen weniger glänzend aus. Vor allem die witterungsbedingten Folgen schadeten 2023 dem Weihnachtsgeschäft. Dieses Jahr seien erstaunlich viel Skibekleidung, Weihnachtsdeko und -Accessoires verkauft worden, sagt Fischer. Aber auch die Parfümerien sowie die Schmuckgeschäfte freuten sich über Kundschaft. Obwohl Düfte, Uhren und Schmückendes traditionell zu den Last-Minute-Geschenken gehören. Sein Eindruck: „Es scheint, dass die Menschen, wieder gerne in die Münchner Innenstadt kommen.“ Vielleicht, so mutmaßt Fischer, aus einer Art Gegenreaktion heraus zu den weltweit deprimierenden Nachrichten und auf der Suche nach einem Gemeinschaftsgefühl. Handelsverband-Sprecher Bernd Ohlmann hätte sich trotz des guten Zulaufs noch vollere Einkaufstaschen in den Händen der Menschen gewünscht. „Aus den Schaukunden müssen in den nächsten Wochen Kaufkunden werden.“

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