Kultur & Wissenschaft:Einfühlsam erklären

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Spielerische Wissensvermittlung, das ist eine der Maximen von Biotopia. Denn von Kindesbeinen an müssen aufgeklärte Bürger herangezogen werden, wenn sie mit den rapiden Erkenntnissprüngen etwa in der Biologie mithalten und das Artensterben für sich richtig einordnen wollen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die nachvollziehbare und glaubwürdige Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte ist nie dringender als in den Tagen der Pandemie. Bayern hat ein Projekt dazu, das dennoch nach wie vor gegen Widerstände kämpft: Biotopia.

Von Susanne Hermanski, München

Nie war die Notwendigkeit einer verständlichen Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen für jedermann so offenkundig wie heute. Kaum je hat sich das Versagen in diesem Punkt so böse gerächt. Was Klimakatastrophe und Artensterben anbelangt, mögen die Effekte sich erst noch aufschaukeln; was die Corona-Krise angeht, sind sie offenkundig. Menschen sterben an Covid-19, die man davor hätte bewahren können. Das sagen fachkundige Wissenschaftler. Dass die Zweifel daran dennoch nicht ausgeräumt sind - mit Empathie gegenüber den Zweiflern, wie man es in jedem Psychologie-Grundkurs lernt, statt diese Gegenüber als Idioten zu beschimpfen - erweist sich als Verhängnis. Für Einzelne wie für die gesamte, auf mehrfacher Ebene gespaltene Gesellschaft.

In Bayern gibt es ein staatliches Projekt, das für eine niedrigschwellige Wissenschaftsvermittlung antritt: Biotopia. Werden soll aus Biotopia ein Wissenschaftsnetzwerk mit angeschlossenem Museum und Veranstaltungsort. Informationen, Rat und Kontakte finden sollen dort alle - vom Kind bis zum Politiker und Wirtschaftsboss. Auch wenn sich die Eröffnung am Standort neben dem Nymphenburger Schloss schon vor der Pandemie durch allerlei Anliegerzank und lokalpolitisches Hickhack immer weiter verzögerte - jetzt ist 2028 avisiert - arbeitet das Gründungsteam bereits. Seit vergangenem Jahr sichtbar im kleinen Biotopia Lab im Botanischen Garten und, pandemiebedingt, im Netz.

Für Biotopia hält der Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns und Direktor der Zoologischen Staatssammlung München, Gerhard Haszprunar, an diesem Mittwoch, 1. Dezember, 18 Uhr, einen kostenlos zugänglichen Online-Vortrag über das Impfen und die zugehörigen Fachbegriffe. Die seien leider "auf den ersten Blick missverständlich und führen häufig zu irrtümlichen Schlüssen", sagt Haszprunar. So sei etwa ein "Antigen" kein "Gegen-Gen", wie der Name vermuten ließe. Es ist vielmehr "ein Oberflächenprotein (also ein Eiweißmolekül), welches über das körpereigene Immunsystem Anti-körper gen-eriert".

Unwissenheit führe zu Ängsten. "Es ist daher notwendig, gerade in Krisenzeiten auch Personen ohne wissenschaftliche Vorbildung diese Angst zu nehmen", sagt Haszprunar. Biotopia stehe in der Tradition und Weiterentwicklung von Naturkundemuseen. Und diese "haben an sich ein großes Vertrauenspotenzial in der Bevölkerung - das sollten und müssen wir nützen, und das versuche ich, mit meinem Vortrag umzusetzen. Ich hoffe dabei, Herz, Hirn und Hand - also Aktion - vermitteln zu können."

Gerhard Haszprunar, Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayern. (Foto: Toni Heigl)

Die Wissenschaftskommunikation werde in der deutschen Wissenschaftswelt, anders als etwa in der amerikanischen, noch immer etwas belächelt und abgewertet, glaubt Haszprunar. Michael John Gorman, der Gründungsdirektor von Biotopia, sieht das ähnlich: "Es ist unerlässlich, dass wir die Praktiken der Wissenschaftskommunikation überdenken, um eine Brücke zu schlagen zwischen den rasanten Entwicklungen in den Wissenschaften und der Gesellschaft. Sonst funktionieren künftig weder die Demokratie gut noch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes."

Am Donnerstag, 2. Dezember, 19 Uhr, bietet Biotopia bereits die nächste digitale Veranstaltung an, zu Künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen. Biotopia arbeitet für diesen Abend mit dem Helmholtz Zentrum München zusammen. Dieses Zentrum für Gesundheit und Umwelt sitzt in Neuherberg und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. Der Münchner wissenschaftliche Geschäftsführer Matthias Tschöp gehört zu den Experten, die in diesem Rahmen sprechen werden.

Diese Veranstaltung ist wiederum Teil des Hi!A - Festivals für Kunst und Forschung in Bayern. Das englisch ausgesprochene "Hi!" soll dabei eine Einladung zur Neugierde oder zum eigenen kreativen Denken sein, und das "A", das könnte man als "Art", "Artificial" oder als "Agenda" lesen. Das Festival findet an vielen verschiedenen Orten im Freistaat statt. Beteiligt sind an Hi!A neun zentrale Kunst- und Wissenschaftseinrichtungen, darunter die Kunst- und Musikhochschulen in München, Nürnberg und Würzburg und der Bayerische Forschungsverbund ForInter. Die KI-Diskussion findet auf Englisch statt, es wird aber auch eine deutsche Simultanübersetzung geben.

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