Bildung:Große Pause

Sprachschule Axioma in der Türkenstraße 72. Arbeitstitel: Wie geht es den Schulen in der Corona-Krise.

Unterricht nur in ganz kleinen Kleingruppen, das ist der neue Alltag von Deutschlehrer Frank Heinzmann in der Sprachenschule Axioma.

(Foto: Florian Peljak)

Sprachenschulen geraten zunehmend in Not - auch weil in diesem Corona-Sommer ausländische Schüler fernbleiben

Von Sabine Buchwald

"Eine tolle Lage, schön eingerichtete Räume, gratis Kaffee und Kekse in der Pause, das alles hat keinen Wert im Moment." Kirsten Nies seufzt. Die promovierte Historikerin leitet seit 2009 die Sprachenschule Axioma an der Türkenstraße. Die Zahl der Teilnehmer sei immer stabil gewesen, sagt sie. Jetzt aber muss die Schule ums Überleben kämpfen. Bis vor einem Jahr war während der Sommermonate Hochsaison bei Axioma. Die Feriensprachkurse für Deutschschüler galten als verlässliche Größe im Jahresumsatz. Statt zwölf Teilnehmern können jetzt nach den Hygienevorschriften und Abstandsregeln nur drei, maximal vier Personen pro Raum unterrichtet werden. Kurse in dieser Größe deckten gerade so die Kosten für den Lehrer, sagt Nies. Miete, Versicherungen, Werbung, Kopiergeld und mehr, das ließe sich so nicht erwirtschaften.

Axioma gehört zu den eher kleinen Anbietern von Deutschkursen in München, die aber neben größeren Schulen wie dem Goethe-Institut bislang gut bestehen konnte. Kleine Gruppen und individuelle Betreuung, ein fast familiäres Ambiente, das zeichnet die Kleinen aus. Gerne würde Axioma mehr Online-Deutschkurse starten. Aber die Nachfrage ist gering und die Konkurrenz groß. Schließlich kann jeder Muttersprachler Online-Deutschstunden anbieten. Dazu braucht es keine spezielle Ausbildung, nicht einmal einen Wohnsitz in Deutschland. Es gebe im Netz Deutschunterricht zu unglaublichen Dumping-Preisen, sagt Nies.

Zusammen mit anderen Betreibern hat sie sich Mitte Mai in einem Brief an Ministerpräsident Markus Söder und Gesundheitsministerin Melanie Huml gewandt, um auf die prekäre Situation privat geführter Sprachenschulen in Bayern aufmerksam zu machen. Zu dieser Zeit war Präsenzunterricht noch nicht wieder erlaubt. Viele von ihnen seien sehr stark auf die Integration von ausländischen Fachkräften, deren mitgereisten Partnern, Studenten oder jungen Schülern aus aller Welt spezialisiert und bereiteten täglich Hunderte für ein Leben, ein Studium oder eine spezielle Sprachprüfung in Deutschland vor, heißt es in diesem Brief. Alle Unterzeichnenden hätten innerhalb kürzester Zeit Online-Lösungen zur Überbrückung hochgefahren. Für rein virtuelle Kurse gebe es aber praktisch gar keine Neuanmeldungen, da die Kunden von Sprachschulen zu über neunzig Prozent nur an Präsenzunterrichten interessiert seien.

Die Vorteile, nicht in einem Klassenzimmer anwesend sein zu müssen, schätzen vor allem Arbeitnehmer, die aus beruflichen Gründen Deutsch oder eine Fremdsprache lernen wollen. Online-Kurse, die bereits seit Anfang des Jahres liefen, gingen auch jetzt weiter, erzählt Anna Schuhmacher, eine der Geschäftsführerinnen der Sprachenschule Alinguas. Auch sie ist besorgt um die Zukunft ihrer Schule, die im kommenden Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiern möchte. "Ich hoffe, wir überleben", sagt Schuhmacher.

Im Sommer wuselt es normalerweise in den Unterrichtsräumen am Hohenzollernplatz. Alinguas hat sich einen Namen gemacht für Kinder- und Jugendkurse. "Sie kommen sonst aus der ganzen Welt", sagt Schuhmacher und holt Luft, bevor sie aufzählt: "Aus der Mongolei, aus Kamerun, Süd- und Nordamerika, Russland, Ungarn. Wir können parallel zehn Kurse mit 14 Teilnehmern laufen lassen." Jetzt hätten sie gerade mal fünf Kurse à sechs Schüler. Viele kämen von den Internationalen Schulen in München. Mit der Maskenpflicht außerhalb des Zimmers und in den Pausen seien die jungen Leute deshalb vertraut. Und ein Dach über dem Kopf hätten sie auch schon. Denn die bewährten Gastfamilien wollten zurzeit kaum jemanden aufnehmen.

Die Sprachenschule Tandem am Kurfürstenplatz hat sich nach der Schließung aller Schulen in Bayern Mitte März intensiv um alternative Möglichkeiten gekümmert. "Wir haben neue Computer, Mikrofone, Kameras und Lautsprecher angeschafft", erzählt Schulleiterin Jutta Huber. Nach einer Phase der reinen Online-Lehre bieten sie dort nun sogenannte Hybrid-Kurse an. Zu den Schülern, die in der Schule an Einzeltischen sitzen, werden im Rotationsprinzip andere über ein Video-Kommunikationstool dazu geschaltet. Außerdem fangen die Kurse bei Tandem zeitversetzt an, damit es auf dem Gang nicht so voll wird. Begegnung, Austausch, Miteinander - Schlagwörter des modernen Sprachunterrichts lassen sich in Zeiten von Corona nur schwierig umsetzen. Lernerlebnisse mit Kärtchen zum Anfassen, Brettspielen oder spontanen Rollensketchen sind kaum möglich. Das Kulturprogramm ist zu einem virtuellen Stammtisch und wenigen Treffen mit viel Abstand im Biergarten geschrumpft. "Wir wollen nicht leichtsinnig sein, niemanden gefährden", sagt Huber. Dennoch blickt sie optimistisch in die Zukunft: "Es ist schön, dass die Leute überhaupt in Sprachen investieren."

Wie viele Sprachschulen arbeitet Tandem mit festangestellten Lehrern und freien Mitarbeitern auf Honorarbasis. Um diese zu unterstützen und die Stammschüler nicht zu verlieren, hatte die Schule nie komplett den Unterricht eingestellt. Staatliche Soforthilfe konnte Tandem deshalb nicht in Anspruch nehmen.

Philipp Catterfeld arbeitet bei Inlingua am Sendlinger-Tor-Platz als Honorarkraft. Seit März hat er etwa um die Hälfte weniger verdient also sonst. Nach wochenlangem Unterricht am Bildschirm sagt er: "Ich merke, dass mir Präsenzunterricht viel mehr Spaß macht." Ihm fehle das direkte Feedback der Schüler. Er könne weniger gut erkennen, ob jemand etwas nicht verstanden habe oder unaufmerksam sei.

Statt mit 280 Leuten wie im vergangenen Jahr starteten die Kurse der Internationalen Summerschool der LMU am Montag mit 99 Deutschschülern und reinen Online-Kursen. Eine Studentin schaltet sich täglich aus Massachusetts dazu. Bei ihr ist es vier Uhr nachts, wenn vom Bildschirm aus ein "Guten Morgen" zu hören ist. München mit seinem Marienplatz und Englischen Garten wird sie nicht erleben. Arbeitsmaterialien werden über eine Lernplattform hochgefahren. Nach 90 Minuten gemeinsamem Lernen gibt es Einzelcoaching, erzählt Kursleiterin Adamma Stekovics.

"Online-Unterricht ist für Lehrer eine große Herausforderung", weiß Manuela Beck, Leiterin des Goethe-Instituts (GI) in der Rablstraße. Außer in Berlin gibt es derzeit keine Sommer-Intensivkurse in den zwölf deutschen Instituten, nur Unterricht über Bildschirme. Für September plane man in München den ersten Präsenzunterricht seit Mitte März - mit Sicherheitswänden aus Plexiglas, Einzeltischen, Maskenpflicht bis zum Arbeitsplatz und ständigem Lüften in den Räumen, aber ohne Kulturprogramm. Im vergangenen Jahr hatte das Münchner Goethe-Institut von Juni bis September knapp 1000 Deutschschüler in München. Im September können maximal 160 kommen. Die Anmeldungen laufen schleppend. "Wir gehen mit einem hohen Defizit ins Jahresende", sagt Manuela Beck.

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