Bildung für alle:Streik auf dem Stundenplan

5000 Jugendliche gehen in München auf die Straße - den Kultusminister überzeugen sie damit nicht.

C. Rost

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Für Kultusminister Ludwig Spaenle sieht es schwer nach einem Canossa-Gang aus, als er sich Mittwochmittag auf dem Lenbachplatz dem brodelnden Pulk von Studenten und Schülern nähert: Rund 5000 junge Leute auf der einen Seite, die gegen die Bildungspolitik auf die Straßen gehen und skandieren: "Wo gehobelt wird, da fallen Spaenle." Auf der anderen der Minister und seine Entourage aus Referenten, Leibwächtern und Journalisten. Obwohl es kurz danach aussieht, als ginge der Zug einfach über ihn hinweg, dreht Spaenle nicht ab. Eine Handbreit vor seiner Brust stoppt der Marsch. Und es dauert ein paar Sekunden, ehe der Politiker zu Wort kommt, weil die Masse entdeckt hat, dass er ausgerechnet vor einer Privatbank stehen geblieben war. In Zeiten der Wirtschaftskrise und der Bankendebakel eine gute Kulisse für Spottreden auf die CSU.

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Schließlich aber darf Spaenle sein Verständnis für den Ärger der Schüler- und Studentenschaft loswerden. Ja, auch er wolle mehr Lehrer und kleinere Klassen, und ja, Kinder mit Migrationshintergrund seien benachteiligt. "Wir müssen dafür mehr Geld in die Hand nehmen." Mit einem Scherz versucht er zu kontern, als ihn Felix Binder, 23-jähriger Physikstudent und Mitglied bei Campusgrün Bayern, fragt, wie viel Geld der Freistaat für die Bildung und wie viel für die Rüstung ausgebe. Spaenle: "Die einzige Rüstung, die wir in Bayern haben, sind die Blaskapellen." Niemand lacht.

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Am dreigliedrigen Schulsystem wie überhaupt an der Grundlinie der bayerischen Bildungspolitik rüttelt der CSU-Politiker natürlich nicht. Da schiebt sich die Masse enttäuscht weiter Richtung Odeonsplatz. Spaenle sieht noch die Transparente, die nach dem Verbleib des Wissenschaftsministers fragen ("Wo ist Heubisch?"), driftet selbst zum Gehsteig hin ab und hört vom Lautsprecherwagen: "Wir sehen uns noch, Herr Spaenle!" Klar, sagt er, und drückt im Vorbeigehen Michael Bohlender vom Streikbündnis seine Büronummer in die Hand. Damit man mal in Ruhe reden könne.

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In Ruhe reden, davon kann an diesem Tag keine Rede sein. In bundesweit mehr als fünfzig Städten demonstrieren Studenten und Schüler für eine bessere Bildungspolitik. Es geht gegen die Studiengebühren, gegen Bachelor und Master, gegen das verkürzte Gymnasium, gegen die Dreigliedrigkeit und für mehr Mitbestimmung im Bildungsapparat. In München beginnt das Spektakel schon um kurz nach acht vor der Uni (Bild). Zwei Stunden lang schwören Redner die wachsende Zahl Protestierender auf den Kampf für bessere Bildung ein, Transparente verkünden Wehmut nach radikaleren Zeiten: "Wann wird mal wieder '68".

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Unterstützt werden die Streikenden von Gewerkschaften, dem Bayerischen Lehrerverband, dem Elternverband und den Gymnasialeltern, den Grünen und der SPD. Der Landtagsabgeordnete Martin Güll (SPD) aus Dachau schwänzt seine Ausschusssitzungen, um dabei zu sein. Seine Fraktion will am Donnerstag einen Dringlichkeitsantrag zum "Bildungsstreik" einbringen. Und ein Berufsschullehrer verkündet vom Podium herab seinen Ärger, weil so wenige seiner Kollegen anwesend sind. Vor allem Gymnasiallehrer, deren Philologenverband sich regelmäßig mit der Bildungspolitik des Freistaats einverstanden erklärt, fehlen.

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Max, Niklas, Basti, Leon und Thorsten aus den neunten bis elften Klassen am Adolf-Weber-Gymnasium scheren sich nicht darum, dass sie wegen unentschuldigten Fehlens wahrscheinlich einen Verweis kassieren werden. Sie demonstrieren, weil sie später fürs Studium nicht bezahlen wollen. "Die Studiengebühren kann sich nicht jeder leisten", sagt Max. Seine These der sozialen Ungerechtigkeit wird aus den Lautsprechern bestätigt: Von 100 Studenten stammen nur 20 aus Arbeiterfamilien und 80 aus Akademikerfamilien.

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Ein Arbeiter ist Erwin Schneiderbauer. Der Milchbauer ("130 Stück Vieh") aus Rottal-Inn solidarisiert sich mit den Schülern und Studenten. "Ihr habt's recht, wenn's eich nix mehr g'foin lasst's", befeuert er die applaudierende Jugend, "mia Bauern lassen uns a nix mehr g'foin." Er lässt noch einige Fäkalausdrücke in Richtung Staatskanzlei los und zitiert dann unter Jubel einen Indianerhäuptling. Mahnende Worte sind das sowohl für die Agrar- wie die Bildungspolitik: "Wenn du merkst, du reitest auf einen toten Pferd, steig ab."

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