Bildhauerei:Energie(w)ende

Seit einem Jahr ist Toni Preis in seinem Atelier auf städtischem Grund ohne Strom. Zum Glück hat er zwei Hände - und 1000 Meißel

Von Nico Kellner

Bildhauer Toni Preis sitzt vor seinem Atelier und erzählt. Die Beine hat er angewinkelt, mit den Händen untermalt er seinen Bericht mit passenden Gesten. Seit 36 Jahren sei er nun schon hier in der Werkstatt an der Lassallestraße. Weil er in der Nähe wohnt, sei er damals auf die ehemalige Garage unweit des Lerchenauer Sees aufmerksam geworden und habe "einfach mal dort angerufen". Es hat geklappt: Bald darauf konnte er schon sein neues Atelier beziehen. Seitdem hat er in dem niedrigen Bau, der durch die Decke mit Tageslicht erhellt wird, eine Vielzahl an Kunstwerken geschaffen. Brunnen, Statuen, Büsten, Gedenktafeln und einiges mehr. Auch die Marienstatue aus ungarischem Marmor, die heute die Außenfassade der Mariahilfkirche in der Au ziert. Selbst in der Ruhmeshalle hinter der Bavaria-Statue, wo bedeutende bayerische Persönlichkeiten mit Büsten gewürdigt werden, stehen fünf Werke aus der Preisschen Bildhauerwerkstatt. Darunter Friedrich Koenig, Erfinder der Schnellpresse, der Maler Carl Spitzweg sowie die Münchner Schauspielerin Clara Ziegler.

Es gebe zwar viele, die den Beruf des Bildhauers ausübten, wenige davon seien aber Steinbildhauer, sagt der 76-jährige Künstler. Gerade die würden aber für Renovierungsarbeiten dringend gebraucht. "Aber das wollen viele nicht, weil es eine schwere Arbeit ist". Dabei hat man heute viel mehr Möglichkeiten und Hilfsmittel als zu der Zeit, als Toni Preis sein Handwerk erlernte. Auch in der Bildhauerei nämlich nehmen Maschinen dem Künstler einiges an körperlich anstrengender Arbeit ab. Dennoch kann sich Preis glücklich schätzen, dass er noch mit Hammer und Meißel umgehen kann. Denn seit Oktober 2020 hat er in seinem Atelier keinen Strom mehr für den Betrieb seiner Maschinen. Gott sei dank, sagt er, sei er "sehr gut ausgerüstet" mit "über 1000 Meißeln". Einen "Werkzeug-Fetischisten" nennt er sich selbst. Arbeiten kann der Künstler also mit der Hand, aber einen Kaffee kann er sich nicht kochen. Auch das Radio einschalten oder sich etwas zum Essen warm machen, "ist undenkbar". Immerhin habe er eine Gas-Heizung - "da dreht mir keiner was ab". Trotzdem sei die Situation für ihn "alles andere als optimal".

Bis vor einem Jahr, sagt Toni Preis, habe auf dem Grundstück, auf dem sich auch sein Atelier befindet, ein altes Häuschen gestanden, an das auch das Stromnetz seiner Werkstatt angeschlossen war. "Wenn ihr das abreißt, hat der Preis keinen Strom mehr", hätten viele gewarnt. Und so sei es dann auch gekommen. Im Frühjahr habe sich dann der Stadtrat seiner misslichen Lage angenommen. "Da war ich dann sogar im Fernsehen." Aber "seitdem hat sich nichts mehr bewegt".

Die Situation ist verzwickt: Auf eine Anfrage der Stadtratsfraktion von ÖDP und Freien Wählern teilte das Kommunalreferat im März mit, das Grundstück sei zu einem Teil in Besitz der Stadt und zu einem anderen Teil in privater Hand. Der Eigentümer der nichtstädtischen Fläche habe bis vor einigen Jahren den städtischen Teil des Grundstücks gemietet und das Atelier wiederum an Toni Preis untervermietet. Er stellte auch die Strom- und Wasserversorgung der Werkstatt sicher. Nun habe die Stadt aber das Mietverhältnis mit ihm beendet, um in einem weiteren Schritt auf dem gesamten kommunalen Grundstück eine Grünfläche anzulegen. Seither hat der Bildhauer keinen Zugang zum Stromnetz mehr.

Bildhauer Preis in Feldmoching.

Gibt so schnell nicht auf: Bildhauer Toni Preis

(Foto: Catherina Hess)

"Ich bin mal gespannt, was da rauskommt", sagt Toni Preis. Die Stromleitung müsste von der Straße aus nur "ungefähr 60 Meter" bis zu seinem Atelier verlegt werden. Eigentlich kein Problem, meint er: "Wollen müsste man halt." Ein Stromaggregat zu nutzen, kommt für ihn aber nicht in Frage - das stinke nur und mache Lärm. Inzwischen habe er sich durchgerungen, einen Antrag für die Stromversorgung bei der Stadt zu stellen. Auch auf die Gefahr hin, dass er die Leitungsarbeiten dann selbst zahlen müsse - so habe es ihm die Stadt mitgeteilt. "Das ist aber zweideutig", sagt er. Seiner Auffassung nach könne doch nur der Eigentümer des Gebäudes - also die Stadt - eine Stromversorgung erwirken. Bis es zu einem Ergebnis komme, müsse er eben weiter mit der Hand arbeiten und auf seine bis zu 10 000 Euro teuren Maschinen verzichten.

Gelernt hat Toni Preis zunächst Möbel- und Bauschreiner, später hat er die Fachschule für Bildhauerei in Berchtesgaden besucht und in München an der Kunstakademie studiert. Sein Gesellenstück steht noch heute exponiert in seiner Werkstatt: Eine Kopie einer Statue aus einer Kirche. Aus einem dicken Pappelstamm habe er sie als Jugendlicher in nur 17 Tagen gefertigt, berichtet er stolz. "Da habe ich nicht viel geschlafen". Überhaupt reihen sich in der ehemaligen Garage viele seiner Werke. Etwa die Gips-Vorlage für einen Bronzeguss König Ludwigs II., der an der Corneliusbrücke aufgestellt werden soll. Davor stehen Büsten, darunter auch eine des emeritierten Papstes Benedikt XVI. Joseph Ratzinger habe er porträtiert, weil dieser in der Nähe seines eigenen Heimatortes Eggenfelden in Marktl am Inn geboren sei. Die Büste sei aus Laaser Marmor, einem Südtiroler Gestein, das als überaus widerstandsfähig gilt. "Der ist besonders hart, aber das macht mir ja nichts aus", scherzt der 76-Jährige.

Sich zur Ruhe setzen? "Das fällt mir ja gar nicht ein!", sagt der Bildhauer entschieden. Schon in seiner Lehrzeit habe man zu ihm gesagt: "Toni, du musst in Stein arbeiten, das passt zu dir." Und genau das macht er jetzt auch - ob mit oder ohne Strom.

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