Als Millionendorf bezeichnet zu werden, ist nicht unbedingt schmeichelhaft, drückt dieses Attribut doch eine gewisse Rückständigkeit aus. Den Münchnern ist das, um gleich in der ländlichen Diktion zu bleiben, ziemlich wurscht. Sie wissen, was ihre Stadt zur Metropole macht, sie verstehen aber auch dem Begriff Dorf das Liebenswürdige abzugewinnen. In Wirklichkeit kokettiert die Stadt ja lieber mit dieser Dörflichkeit als mit der viel zitierten Anonymität der Großstadt. Das liegt wohl auch daran, dass sie durch Eingemeindungen wuchs und dass diese ursprünglich selbständigen Kommunen in Teilen ihr Eigenleben bewahrt haben. Selbst das Olympische Dorf trägt selbstbewusst diesen sportlich gedachten Namen weiter. Und wo Großstädtisches entstand, ist immer auch das Kleinteilige zu entdecken. "Es fehlt München an einer Grundformel, auf die man die meisten großen Städte Deutschlands zurückführen vermag, und gerade darin liegt seine Eigentümlichkeit. Die wunderlichsten und verschiedenartigsten Elemente, solche, die sich gegenseitig auszuschließen, sich unmöglich zu machen scheinen, mischen sich oder durchkreuzen sich vielmehr in dieser Stadt", so hat Friedrich Hebbel einst die Stadt charakterisiert, in der er zum Dichter reifte. Das ist bis heute so geblieben. Großstadt und Dorf - Gegensätze können sich auch ergänzen.
Hinter der Kamera: Johannes Simon wurde vor 55 Jahren in München geboren, in Neuhausen, wie er präzisiert. Die dortigen Handwerker und ihre Werkstätten waren für ihn Spielplatz und Schule des Lebens, von dort hat er womöglich sein Faible für skurrile Sachen. Fotografie hat ihn schon immer interessiert. Während seines Studiums an der Kunstakademie in Karlsruhe nutzte er dann die Gelegenheit zu einer Ausbildung im Fotolabor. Ein Professor dort habe damals unbedingt ein Simon-Foto haben wollen und ihm zum Tausch ein eigenes Kunstwerk angeboten. Das sei der Schritt zum Profi gewesen, sagt Simon. Seit gut 20 Jahren fotografiert er nun für die "Süddeutsche Zeitung".