Bilanz:Zahl der Verkehrstoten steigt - um 40 Prozent

  • Im vergangenen Jahr gab es in Stadt und Landkreis München 40 Prozent mehr Verkehrstote.
  • Ursache waren meist Raserei oder Alkohol.
  • Insgesamt zeigt sich die Polizei beunruhigt über Drogen und Smartphones am Steuer und Fahrerflucht.

Von Martin Bernstein

Auf den Straßen in Stadt und Landkreis München sind im vergangenen Jahr 27 Menschen bei Verkehrsunfällen getötet worden - deutlich mehr als in den beiden Jahren zuvor. Das ist die traurige und erschreckende Bilanz, die Polizeivizepräsident Werner Feiler und Dieter Bauer, der Leiter der Verkehrsabteilung, am Donnerstag präsentieren mussten. Im Jahr zuvor hatten sie noch den "historischen Tiefststand" vermeldet. Doch: "19 Verkehrstote sind 19 Tote zu viel", hatte Feiler seinerzeit gesagt. Jetzt eine Zunahme um 40 Prozent. Erklärungen?

Die gibt es nur in Ansätzen. Tatsache ist, dass Unfälle mit Schwerverletzten oder Toten sich besonders häufig dann ereignen, wenn Autofahrer schneller unterwegs sind, als es die Situation erlaubt. Oder wenn Fußgänger auf die Straße laufen, oft zwischen zwei parkenden Autos hindurch, ohne auf den Verkehr zu achten. Erst am Sonntagmorgen hat sich ein derartiger Unfall in der Arnulfstraße ereignet, das Opfer erlitt laut Feiler schwerste Kopfverletzungen. Neun Fußgänger starben 2017 im Münchner Straßenverkehr, fünf Rad- und fünf Motorradfahrer. Die Zahl der getöteten Autoinsassen verdoppelte sich auf acht.

Das liegt vor allem an einem Unfall in der Wasserburger Landstraße am 12. September, als ein 60-Jähriger mit seinem SUV einen an einer Ampel wartenden Kleinwagen von hinten rammte. In dem Kleinwagen starben drei Menschen, eine Frau überlebte mit schweren Verletzungen. Noch liegt das Gutachten zur genauen Geschwindigkeit des Unfallfahrers laut Bauer nicht vor. Fest steht: Sie war viel zu hoch. Ein Drittel der tödlichen Verkehrsunfälle ist auf Raserei zurückzuführen. Außerdem wurden 387 Menschen verletzt, weil Autofahrer zu schnell unterwegs waren.

Bei fünf tödlichen Unfällen war Alkohol die Hauptursache. "Sehr bedenklich" findet Werner Feiler die Entwicklung in diesem Bereich. So stieg gegenüber dem Vorjahr nicht nur die Zahl der Trunkenheitsfahrten an, die gut ausgingen. Um 30 Prozent gestiegen ist auch die Zahl der alkoholbedingten Verkehrsunfälle. Und ein Plus von sieben Prozent verzeichnete die Polizei bei Lenkern, die im Zustand "absoluter Verkehrsuntüchtigkeit", also mit mehr als 1,1 Promille Alkohol im Blut unterwegs waren. Zugenommen hat auch die Zahl der Fahrer, die zuvor Drogen konsumiert hatten. 2500 von ihnen wurden bei Kontrollen erwischt.

Die Polizei beobachtet darüber hinaus, dass die Rücksichtslosigkeit im Verkehr zunimmt: Was dem anderen passiert, ist vielen Autofahrern offenbar herzlich egal. Anders wäre der Anstieg der Unfallfluchten nicht erklärbar. Mit 13 266 machen sie ein Viertel aller im Bereich des Polizeipräsidiums registrierten 53 229 Unfälle aus. Und auch wenn es sich bei dreien von vier dieser Unfallfluchten um Fälle handelt, in denen ein Parkrempler nach einem von ihm verursachten Blechschaden das Weite suchte - das sind "keine Kavaliersdelikte, sondern Straftaten", betont Werner Feiler.

Ein großes Problem für die Polizei ist auch, dass viele Verkehrsteilnehmer während der Fahrt mit allem Möglichen herumhantieren und so von dem abgelenkt werden, was um sie herum auf der Straße passiert: Sie tippen auf dem Navi, bedienen Radio oder Bordcomputer (58 Prozent), lesen Kurznachrichten (25 Prozent). Oder sie schreiben sogar selbst welche - immerhin 15 Prozent der Autofahrer lassen sich dazu hinreißen. Die Münchner Polizei glaubt, dass in vielen der 529 Fälle, in denen Autofahrer scheinbar ohne Grund von der Straße abkamen, Ablenkung die Folge war, ebenso bei der Mehrzahl der knapp 6000 Auffahrunfälle. Nach Expertenschätzung ist etwa jeder zehnte tödliche Unfall darauf zurückzuführen, dass ein Verkehrsteilnehmer abgelenkt war.

Drei Radfahrer starben, weil sie sich im "toten Winkel" eines Lastwagenfahrers befanden. Feiler und Bauer appellierten an Radler und Fußgänger, immer den Blickkontakt mit dem Brummifahrer zu suchen und lieber einmal aus Vorsicht auf die eigene Vorfahrt zu verzichten. Lkw-Fahrer sollten ihre vorgeschriebenen Spiegel richtig justieren und bei Rot immer drei Meter vor der Haltelinie stehen bleiben. Feiler machte sich erneut für den Einbau technischer Abbiege-Assistenzsysteme stark.

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